Gas und Öl war gestern. Heute wollen knapp 800 Gemeinden das fossile Zeitalter hinter sich lassen und setzen auf autarke und nachhaltige Energieversorgung. Ob sich das rechnet, wie die Geschäftsmodelle aussehen und was Wirtschaft und Klima tatsächlich davon haben. Ob »Peak Oil« schon war oder wann es kommt, ist heftig umstritten. Einige Fachleute sahen das globale Ölförderungsmaximum schon 2006, andere gerade jetzt erreicht, die Optimisten rechnen erst in ein, zwei Jahrzehnten damit. So oder so, ein Faktum dürfte feststehen: Öl wird in sehr überschaubarer Zeit ein knapperes Gut. Mit billigem Nachschub sieht es nämlich auch schlecht aus. Laut ExxonMobile etwa war das Maximum der Neufunde schon in den 60er-Jahren erreicht, diese nehmen seither, abgesehen von einem kleinen Ausreißer Ende der 70er, annähernd exponentiell ab. Auch viel Hightech und Aufwand bei der Suche nach neuen Lagerstätten werden nicht wirklich helfen. 2040 werden die Neufunde laut Exxon fast schon am Nullpunkt sein.Für die Atomlobby waren die unerfreulichen Aussichten Morgenluft. Unermüdlich hat sie in den letzten Jahren ihren Atomstrom nicht nur als zukunftssichere Energiealternative angepriesen, sondern auch gleich zu Öko umgelabelt. Ganz nach dem Motto: Grüner Strom aus grünen Meilern. Nach dem Super-GAU in Japan ist die gut geschmierte PR-Maschinerie freilich etwas ins Stocken geraten. So richtig strahlend hat die Atomzukunft aber selbst ohne Fukushima nicht ausgesehen. Die Nuklearkatastrophe zeigt nur drastisch auf, was die Beteuerungen der Atomlobby zu Kostenwahrheit, Haftung oder Endlager wert sind: etwa ungefähr so viel wie der »wahre« Börsenwert des Fukushima-Betreibers Tepco, also nahe bei Null.Tepco wird – »too big to fail« entwickelt sich zu einem Geschäftsmodell – vom Steuerzahler mit Milliarden gerettet. Vertrieben, verstrahlt oder wirtschaftlich geschädigt: Jetzt zahlen die Bürger auch noch die Rechnung dafür. Ein Argument für Kernkraft ist das nicht – und Öl wird knapp. Was bleibt, um die Industriegesellschaften am Laufen zu halten? Kohle klingt nicht nur leicht nach gestern, sondern ist auch ein böser Umweltsünder. Kein Wunder, dass erneuerbare Energien immer beliebter werden. Nicht nur unter Ökoaspekten, sondern auch unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Selbst in den ölverliebten USA ist das spürbar. In Texas boomen die Windparks, zwischen Arizona und Florida der Solarbereich, im Nordosten die Biomasseindustrie. Öko als wirtschaftlicher Entwicklungsmotor ist selbst bei den Republikanern salonfähig geworden. Als Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger ankündigte, »sein« Kalifornien in so etwas wie den grünsten Vorzeigestaat der Welt umzuwandeln, wurde er von Parteifreunden nicht dafür gesteinigt. Auch der abrupte Atomausstieg Deutschlands könnte nicht nur Fukushima geschuldet sein. Bei Wind- oder Solartechnik spielen die Nachbarn in der ersten Liga. Chinesen oder Amerikaner stehen Schlange, um Produkte oder Technologien einzukaufen.Österreich: grüner als grünDie neuen Ökoenergieindustrien sind jung, aber sie versprechen nicht nur eine saubere Zukunft, sondern auch Wachstum und Profite, wenn die fossilen Energieträger einmal erschöpft sein werden. Die grünste Nation der Welt dürfte – zumindest gefühlterweise – ohnehin Österreich sein. Schon das Wort Atom bringt Krone-Leserbriefschreiber in Wallung. Laut einer aktuellen Karmasin-Studie sprechen sich gleich 97 Prozent der Bevölkerung für den Ausbau erneuerbarer Energien aus. Für immer noch 90 Prozent der Bürger ist es wichtig, dass Österreich energieautark und unabhängig von Importen wird. Rückenwind für Niki Berlakovich: »Für mich ist Energieautarkie ein entscheidendes Ziel mit unzähligen Vorteilen«, gerät der Umweltminister fast schon ins Schwärmen. Ein »Ökoteam der besten Köpfe« soll den Weg in die Autarkie unterstützen. Das klingt eher nach PR . Berlakovichs Masterplan, bis 2050 im eigenen Land so viel – vornehmlich grüne – Energie zu erzeugen, wie verbraucht wird, ist realistisch. Zu dem Ergebnis kommt eine aktuelle Feasibility-Studie von Professoren der Uni-Innsbruck und den TUs Wien und Graz. Bis 2050 ist demnach nicht nur ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern machbar, sondern auch eine 100-Prozent-Versorgung aus erneuerbarer Energie.Die Voraussetzungen dafür sind eher moderat. Österreich braucht etwa mehr Pumpspeicherkraftwerke, um die Überproduktion im Sommer zu speichern. Für Biomasseproduktion werden lediglich landwirtschaftliche Überschussflächen ins Kalkül gezogen. Kurz gesagt: Weizen bleibt fürs Brot und kommt nicht in den Tank. Die heimischen Kommunen waren im Ökobereich bislang auch ohne universitäre Unterstützung schon gut unterwegs (siehe Kasten vorige Seite). Bereits 773 Gemeinden engagieren sich im Rahmen von Modellregionen für nachhaltige Energienutzung. Das sind fast schon ein Drittel aller Gemeinden – beinahe so etwas wie ein kleiner Boom. Auslöser waren Pioniere, die sich gegen alle Widerstände durchgekämpft haben. Das burgenländische Güssing zählt etwa dazu. Das ist heute nicht nur »weltberühmt in Österreich«: In Güssing drücken sich heute Delegationen und Kommissionen aus der halben Welt die Klinke in die Hand, um das Projekt zu studieren. Die Burgenländer sind nicht nur seit Jahren energieautark, sie »exportieren« sogar Ökostrom. Und kurbeln noch zusätzlich die lokale Wirtschaft an.Hartes Pionierlos – und schöne Gewinne Güssing punktet nach der Umstellung auf lokale und erneuerbare Energieträger nicht nur bei Energiebilanzen oder Stromrechnungen. Die burgenländische »Provinz« zieht mittlerweile auch einschlägige Betriebe, Consulter und Ausbildungsstätten magisch an – ein Segen für die strukturschwache Region. Ähnlich wie Güssing zählt auch das weniger bekannte Kautzen zu den Pionieren – ein abgelegener Waldviertler 1200-Seelen-Ort hart an der Grenze zu Tschechien, wo der »Eisernen Vorhang« nicht nur ein Sprachbild ist, sondern auch eingeprägt in bald zwei Generationen. Gleich nach der Wende setzte ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Kautzener Langzeitbürgermeister (1990–2010) Erwin Hornek auf eine Wende der anderen Art. Er baute Kautzen schon damals zur Umweltgemeinde um, die sich vornehmlich aus eigenerzeugter regenerativer Energie versorgt. Leicht war das nicht. »Damals hat man uns im besten Fall belächelt oder gleich für komplette Spinner gehalten«, schmunzelt Hornek heute. Gefruchtet haben die Bemühungen nicht nur für Kautzen. Im nördlichen Waldviertel hat sich im Laufe der Jahre so etwas wie ein lokaler »Öko-Energie-Cluster« herausgebildet.Neben Bauern als Biomasseproduzenten profitieren etwa Consulter, Solartechniker und Kraftwerkpools, die die Region fast schon großflächig bevölkern. Neben KMU mischen aber auch Multis wie Siemens kräftig im Ökoenergiegeschäft mit den Kommunen mit. Siemens-Niederösterreich-Chef Josef Kolarz-Lakenbacher realisierte etwa mit dem in St. Pölten angesiedelten AoC-Projekt für Gebäudeleittechnik seit 2004 Energieeinsparungen von rund 12,6 Millionen Euro. Natürlich vermarktet Siemens die Expertise nicht nur in Niederösterreich, sondern auch anderen Bundesländern wie der Steiermark und Kommunen in Zentral- und Osteuropa. Leicht inkonsistent ist das heimische Förderregime: Die Förderungen für Thermosanierung – laut ministerieller Eigen-PR, aber auch nach Meinung der Wirtschaft eine der wirksamsten Maßnahmen – wurde massiv zurückgefahren. Immerhin schüttet der Klimafonds heuer drei Millionen aus (siehe Kasten). Neu: Erstmals dürfen auch bereits bestehende »Klimaregionen« die Töpfe anzapfen. >>Der Status Quo:Aktuelle Studien zeichnen ein Bild in Rosarot, oder besser gesagt: Grün. Satte 97 Prozent der Bevölkerung sind etwa für den Ausbau erneuerbarer Energien, bis 2050 soll die völlige Energieautarkie Österreichs realisierbar sein. Der Status quo: 773 Gemeinden engagieren sich im Rahmen von Modellregionen bereits für eine nachhaltige Energienutzung. Und die dürfte sexy sein: Ins burgenländische Güssing pilgern seit Jahren Kommissionen aus der halben Welt, um sich anzusehen, wie sich eine Kommune vom traditionellen Energiekonsumenten zum Exporteur von Bioenergie transformiert hat. Solche Aktivitäten sind auch wirtschaftlich attraktiv. In der Region um die Pioniergemeinde Kautzen – das Waldviertler Pendant zum bekannteren Güssing – entwickelte sich ein kleiner »Cluster« von Bioenergieunternehmen. Solartechniker, Consulter, Betreiber oder Kraftwerkpools geben der ohnehin strukturschwachen Region einen wichtigen ökonomischen Impuls. >> Fördertöpfe:Seit 2009 unterstützt der Klima- und Energiefonds Kommunen, die das Ende des fossilen Zeitalters einläuten wollen. Heuer stehen 1,5 Millionen Euro für neue und erstmals auch 1,5 Millionen Euro für bereits bestehende Klima- und Energiemodellregionen zur Verfügung. Für Letztere winken etwa eigene Förderung für Photovoltaikanlagen auf gemeindeeigenen Dächern. Des Weiteren sollen zusätzliche Projekte wie beispielsweise die thermische Sanierung von öffentlichen und betrieblichen Gebäuden oder die Errichtung von Biomasseheizwerken angegangen werden. Die Ausschreibungen laufen bis Mitte Oktober.