von Reinhard SeissDie weltweit beachtete Einweihung der Dresdner Frauenkirche am 30. Oktober empfanden vor allem ältere Bürger als symbolische Heilung jener Wunden, die ihrer Stadt zu Ende des Zweiten Weltkriegs geschlagen - und die während 40 Jahren DDR-Regime schmerzlich offen gehalten wurden. Zwar wurden zu kommunistischer Zeit bereits die Oper von Gottfried Semper, der Zwinger von August dem Starken, die katholische Hofkirche sowie mancher Prunkbau auf der Brühl’schen Terrasse wiederaufgebaut - und sogar mit der Rekonstruktion des Dresdner Schlosses wurde begonnen. Die Frauenkirche blieb hingegen bis zur Wende ein Trümmerhaufen im Zentrum der Stadt, aus dem nur noch zwei trostlose Gebäudestumpfe hervorragten.So war es naheliegend, dass auch der Ruf nach einer Rekonstruktion des identitätsstiftenden Kirchenbaus laut wurde, als man sich 1989/90 bemühte, die DDR-Vergangenheit ungeschehen zu machen. Historiker wandten ein, dass auch Monumentalbauten vergänglich seien - und Fragmente sehr wohl ihre Bedeutung hätten: Wenn man sich die Freiheit nähme, herausragende Werke der Geschichte nach Belieben zu wiederholen, entwerte man alle authentischen Baudenkmäler - auch jene in Dresden. Und Architekten wie Denkmalpfleger plädierten dafür, die Kriegsspuren zumindest nicht gänzlich zu beseitigen - so wie bei der ebenfalls zerbombten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in West-Berlin, wo man Anfang der sechziger Jahre einen zeitgemäßen Bau neben die Ruinen des neoromanischen Gotteshauses setzte.