Von Rainer SiglRespekt, ihr Kollegen von der Drehbuchabteilung, die neue Staffel von »Insel der Seligen« hat endlich wieder an Fahrt aufgenommen. Klar, der Knaller Anfang Oktober am Ende der letzten Saison - knapper Sieg für den gebeutelten Underdog, gefrierendes Lächeln und technisches KO beim Verlierer, ich sag nur: »Rocky IV«! - war ein Cliffhanger, damit hatte der Zuschauer nicht gerechnet, aber danach … naja, drei Monate Stillstand, nur um die neuen Charaktere einzuführen, also bitte, das verärgert selbst den eingefleischten Fan. Klar, einige liebgewonnene Figuren verschwinden von der Bildfläche - den Karl-Heinzi sehen wir eh wie gehabt in den »Seitenblicken« und sicher bald als »Dancing Star«, wetten? -, aber die Publikumsumfragen haben’s ja gezeigt, dass die Serie dringend neue Gesichter brauchte. Irgendwie war’s schon ein bisschen fad, zu viel Rosamunde Pilcher, Wallfahrten nach St. Mary’s Cell, Garteln mit Willi und Wolfi vor dem Herrenhof, »Wann die Musi spielt« mit der Strickliesl an der Querflöte … Da war die Luft raus, vor allem, seit der Jörg seine eigene Sitcom hat (»Kärnten is’ a Wahnsinn«) und nur mehr zu Gastauftritten kommt. Obwohl, Respekt, liebe Kollegen von der Konzeption, die Idee, einfach für ihn zwei Bösewichter einzuführen - genial! Sehr dramatisch, das alles, zuerst diese verbalen Shootouts noch in der letzten Staffel, dann Anklänge an die »Sopranos« bei den Nachtszenen im »Stadl«, auf der anderen Seite später die plötzlich aufgetauchten kompromittierenden Fotos aus der Jugendzeit - großes Kino! Ich seh schon, da tun sich noch endlose dramaturgische Möglichkeiten auf, zuerst erbitterte Feindschaft, dann irgendwann eine große, emotionale Versöhnung zum überraschendsten Zeitpunkt, ich sag nur »Die rechte und die linke Hand des Teufels« oder »Zwei glorreiche Halunken«, na, ich bin ja gespannt, was die Autoren auf diesem Gebiet noch Unfassbares ausbrüten. Zu den neuen Hauptdarstellern: An den neuen »Kanzler aus Leidenschaft« mit dieser epischen Vorgeschichte bis in den Sandkasten muss sich das Publikum noch gewöhnen. Aber dafür dieser Handlungsstrang mit der Abfangjägerverschwörung und dem knautschigen Agenten Pilz! Das erinnert immer mehr an die großen Vorbilder: »French Connection«, »Die Akte« oder »Der stählerne Doppeladler« - was fehlt, ist nur mehr eine knackige Auflösung, ein Showdown mit der EADS-Mafia, Trenchcoats im Morgennebel in der Lobau … Und übrigens, die plötzliche Wendung, dem Sozialminister plötzlich ratzfatz einen neuen Look zu verpassen, war eine tolle Entscheidung vom Art-Director - ohne Bart hat er ja direkt was von einem proletarischen, aber grundguten Kinderarzt in »Emergency Room«, klar, dass da ein Konflikt mit dem eiskalten Pharma-Grafen vorprogrammiert ist. Also grundsätzlich ein interessanter Relaunch, auch wenn der Willi ja von der letzten Staffel noch dageblieben ist, um fürs ältere Stammpublikum eine gewisse Kontinuität zu signalisieren - »Der Alte«, quasi -, und ich wette, dass ihr genialen Storyboard-Strategen auch Darth Wolfgang noch einen großen Auftritt zukommen lassen werdet - so was in der Art von »Gio - Ich bin dein Vater!« oder so. Naja, liebe Dramaturgen, jetzt habt ihr ja noch dreieinhalb Jahre Zeit, um die Sache für uns Zuschauer weiter spannend zu machen - ab dann dauert ja jede Staffel sogar fünf Jahre. Es muss mal gesagt werden: Danke - für unglaubliche Action, etwa in den Episoden »Auf der Flucht über den Dächern von Nizza« und »160km/h - Ein Schnauzbart gibt Vollgas«. Danke - für hochspannende Wirtschaftsthriller (»Die letzten Tage des öGB«, »Licht am Ende des Koralmtunnels«). Und nochmals danke - für packende Familiendramen (»Diese Prölls!«, »Familientreffen in Knittelfeld«) und, nicht zu vergessen, für romantische Liebeskomödien wie »Herz aus Kristall - Eine Hose auf Capri«. Weiter so! Man darf zu Recht gespannt sein, was sich die kreativen Tausendsassas aus der Drehbuchabteilung noch an Unglaublichkeiten einfallen lassen.