Projekt WIN
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Wireline - Wireless: "Ich will an Konvergenz eigentlich nicht recht glauben", sagt General Heinz Sundt, "der Massenmarkt teilt sich nach wie vor in zwei fundamentale Märkte, die grundverschieden sind." Wireline, oder eben nicht. Und das spiegelt sich auch in den internen Rationalisierungsmaßnahmen durchaus wider: Denn die in Umsetzung befindlichen Steps in Richtung zentrales customer care schließt die mobilkom aus. 80 Prozent der Kundenanfragen binnen 20 Sekunden von einem single-point-of-service - die Ansage gilt für Wireline. "Vollständig integriertes Billing, konzernweit einheitliche Software - glauben Sie mir, aus mir sprechen 20 Jahre EDV-Erfahrung - sind für die Telekom Austria nicht sinnvoll." Nun ja, max.mobil istgleich T-Mobile macht es. "Ich wünsche denen viel Spaß dabei."
Dennoch: "Die Rede ist von integrierten Angeboten, die marktkonform und mit weniger internen Reibflächen entwickelt werden." Strategie- und Technologie-Entwicklung im drahtgebundenen Telekom-Business rücken zusammen, im Retail-Bereich sollen mit klarem Fokus auf Unternehmens-Kunden zweistellige Zuwachsraten erzielt werden. Als ausführendes Organ bedeutet das für den neuen Datakom-Boss Anton Steinringer heuer einen geschätzten Umsatz in der Höhe von 7,3 Milliarden Schilling. Und Heinz Sundt ist visionär genug, nicht alleine von Unified Messaging, intelligenten Voice-Services sowie Festnetz-SMS zu sprechen, sondern kann sich durchaus auch vorstellen, dass die Systemintegration künftig auch Vertrieb und Service von Servern und vor allem Software umfasst.
Weihnachten, das ganze Jahr. überhaupt: Der Re-Strukturierung ist die Neu-Strukturierung gewichen. Nach dem Projekt WERT - Personalabbau, Kosteneinsparung & Investmentkürzung - steht das Projekt WIN am Programm: Und das beabsichtigt neben der Festnetz-Einheit samt Profitcenter-Struktur und zentralem Support vor allem eines: Marktoffensive total. "Wir wollen Kunden retour."
Anders ausgedrückt: "Die letzte Weihnachtsaktion war äußerst erfolgreich - mittlerweile machen die per TikTak-Tarif verrechneten Gespräche 20 Prozent des Sprachaufkommens aus. Derlei Aktivitäten sollen nun das ganze Jahr folgen. Es geht um eine laufende Unter-Druck-Setzung des Mitbewerbs." Mit der Konsequenz einer weiteren Marktbereinigung gegen Ende des Jahres.
Neues Selbstvertrauen. Generell ist die weinerliche Stimmung im Festnetz-Bereich neuem Mut gewichen. Der monatliche Zwei-Prozent-Marktanteils-Verlust im Jahr 2000 sei nunmehr aufgefangen - 56,24 Prozent market share sei der aktuelle Wert.
überzeugend sind die hard facts: Kostensenkung im Festnetz-Bereich um 10,3 Prozent bei einem EBITDA-Plus von 44,1 Prozent. Rund 2100 Mitarbeiter netto im Jahr 2001 abgebaut. Und am wichtigsten: "Wir sind die einzige Telekom Europas, der es gelungen ist, im letzten Jahr die Debts deutlich zu verringern." - Der Schuldenstand des Konzerns sank von 3,581 Milliarden Euro auf 3,291 Milliarden. (Das Verhältnis Net.Debt zu Eigenkapital sank damit von 137,5 Prozent auf 126,3 Prozent.)
Finanz-Boss Stefano Colombo fügt hinzu: "Wohlgemerkt ist dieser Schuldenabbau nicht durch den Verkauf von Firmenjuwelen erzielt worden, sondern Resultat ordentlicher Arbeit." Und: "Bedenken Sie auch, dass uns das Engagement bei der slowenischen Si.Mobil weitere 200 Millionen Euro gekostet hat."
Alles in allem also Grund genug für die internationale Investoren-Gemeinde - 60 Prozent der an der Börse notierten Aktien sind in ausländischem Besitz, 13.000 Mitarbeiter-Aktionäre verfügen nicht einmal über ein Prozent des Aktienbestandes, der größte Aktionär hält mehr als 10 Millionen der insgesamt 112 Millionen Aktien - bei guter Laune gehalten zu werden: "Ich denke, wir sind mittlerweile so weit, dass der Kursanstieg die tatsächliche betriebswirtschaftliche Ertragskraft und nicht etwaige übernahme-Phantasien widerspiegelt", kommentiert der General. Investor-Relations-Mann Hans Fruhman spricht überhaupt von Unterbewertung: "Kursziel: 11,5 Euro."
Wirtschaftsmotor Telekom. Allen Filetierungs-Spekulationen zum Trotz präsentiert sich der Konzern also gesünder und einheitlicher wie schon lange nicht. Bedeutet das für die vor- und nachgelagerten Branchen ein baldiges Auftragsplus? "Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass die TA der Haupt-Stimulans der österreichischen Wirtschaft ist. Eine Investitions-Rücknahme trifft vor allem die Ausrüster-Unternehmen. Diese haben allerdings geraume Zeit exzellent von der Liberalisierung profitiert, müssen aber nunmehr auf neue Gegebenheiten reagieren."
Von einer "Konzentrierung" der Investments, nicht einem generellen "Zurückschrauben" sei die Rede. Und zwar eine Konzentration auf das Breitband-Business, das die Hälfte der spendings vereinnahmen soll. Neben der Verdoppelung der ADSL-Nutzer in österreich - für Tschechien gibt es noch keine Rollout-Pläne - bis Ende des Jahres denkt CTO Rudolf Fischer an den "Multimedia-Anschluss der ersten Generation": Als Wegbereiter für digitales Fernsehen sind 1 - 2 Mbps sowie höhere Downloadlimits angedacht, zudem Versuche mit Set-Top-Boxen sowie der X-Box von Microsoft im Laufen. Insgesamt bedeutet das "mehrere Milliarden für das Netz" sowie "massive Bemühungen, die öffentliche Wahrnehmung unserer günstigen Angebote dramatisch zu steigern". Durch eine ADSL-Radiuserweiterung von drei auf vier Kilometer und den Ausbau weiterer 60 Wählämter soll die ADSL-Versorgung von 71 auf 77 Prozent der Gesamtbevölkerung angehoben werden. 656.000 Webkunden verbuchte die Telekom per Ende 2001.
Zukunfts-Pläne. Die von der UTA und einem weiteren halben Dutzend Provider für das heurige Jahr massiver angekündigten Entbündelungs-Versuche lassen den Telefontanker relativ kalt - bis dato seien gerade einmal 3600 Leitungen aus dem TA-Netz entflechtet: "Auch hier gilt: Wo im Business-Bereich die individuelle Lösung finanziell sinnvoll ist, herrschen beim Massen-Geschäft andere Gesetze." Soll heißen: Die Nutzung der Telekom Austria-Leitungen für DSL-Angebote alternativer Anbieter sei in der Regel entschieden billiger als der Betrieb einer jeweiligen Last Mile.
Weit eher ruft den General die nunmehr bereits oftmals erwähnte Forderung nach symmetrischer Regulierung auf den Plan - "Hoffnung auf ein Ende der Umklammerung", heißt das im TA-Jargon. Zeigt aber dennoch eher Optimismus denn Selbstmitleid: "Wir haben die Konsequenzen einer sehr harten Regulierungs-Strategie in österreich bereits hinter uns. Wir müssen nicht mehr um Modalitäten rund um die Preselection diskutieren, was sich aktuell etwa in Deutschland bemerkbar macht."
Abseits positiver Kennzahlen und schlagkräftiger Struktur häuft sich dieser Tage freilich die Frequenz der Gespräche mit der Telecom Italia. Der Ausstiegswunsch aus dem Süden sei dabei in Ausschreibungs-Zeiten für Großprojekte wie den Bündelfunk TETRA des Innenministeriums "alles andere als förderlich". Der Zuschlag für den Deal ist für Heinz Sundt dennoch wichtig: "Notfalls auch mit anderen Finanzierungs-Methoden."
Und wie sehen Sie die Versäumnisse österreichs, sowohl wirtschaftlich als auch politisch, in den osteuropäischen Reformstaaten präsent zu sein? "Es stimmt, hier hat österreich zahlreiche Chancen vertan, kaum Voraussetzungen geschaffen. Für einen Konzern wie die Telekom Austria jedoch, der aus Börsegängen keinen Cent lukriert, sind Expansions-Pläne à la Deutsche Telekom ein anderes Kaliber."