Alstom Hydro, Weltmarktführer bei Wasserkraftwerken, will mit der Pumpspeichertechnologie durchstarten. Mit neu entwickelten Turbinen mit variabler Geschwindigkeit hat das Unternehmen den Auftrag für ein 1.000MW-Kraftwerk in der Schweiz gewonnen. Am österreichischen Markt tut sich Alstom wegen heimischer Konkurrenz schwerer. Mitte Oktober konnte Alstom Hydro einen Vertrag über die Lieferung von vier Maschinensätzen mit je 250MW für das Pumpspeicherkraftwerk Linthal in der Ostschweiz unterschreiben. Damit hat der Hersteller von Kraftwerkskomponenten heuer bereits zum zweiten Mal den Zuschlag für neu entwickelte Pumpturbinensätzen mit variabler Geschwindigkeit erhalten. Diese Pumpturbinen und Motorgeneratoren erlauben es, den Energielevel zu regulieren. Damit kann einerseits die Energieversorgung flexibler dem Bedarf angepasst und der Ressourceneinsatz gesteuert werden, andererseits wird das Anfahren und Stoppen der Turbinen reduziert, was sich positiv auf die Netzfrequenz auswirkt. Gleichzeitig können die unterirdisch angelegten Turbinen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in Pumpspeicherkraftwerken sowohl als Pumpe als auch als Turbine im Generatorbetrieb eingesetzt werden. Das 600 Meter in die Höhe gepumpte Wasser aus dem Limmernsee wird bei Bedarf abgelassen, die Turbinen produzieren dann Spitzenstrom. Damit werden rund eine Million Haushalte in der Ostschweiz versorgt. Der 178 Millionen Euro schwere Auftrag umfasst Konzeption, Entwicklung, Produktion, Installation, Inbetriebnahme der Anlage sowie Schulungen. 2015 sollen die Maschinensätze für das neue 1.000-MW-Kraftwerk geliefert werden. Das neue Wasserkraftwerk wird im Rahmen des Projekts Linthal 2015 gebaut, in das 2,1 Milliarden Franken investiert werden. Der Elektrotechnikkonzern ABB liefert die elektrotechnischen Ausrüstungen wie Hochspannungskabelverbindungen, Transformatoren und eine 380-kV-Einspeiseanlage. Den Auftrag für die Bauarbeiten erhielt die Zürcher Baufirma Marti. Für Alstom Hydro, das für Wasserkraft zuständige Joint Venture zwischen Alstom und dem französischen Baukonzern Bouygues, ist dies bereits der zweite Auftrag in der Schweiz in einem Jahr. Im Mai erhielt Alstom den Zuschlag für die Lieferung von vier reversiblen 157 MW-Pumpturbinensätzen mit variabler Geschwindigkeit für das Kraftwerk Nant de Drance in der Schweiz. Wasser ermöglicht Windkraft Philippe Cochet, Präsident von Alstom Hydro, setzt voll auf die Pumpspeichertechnologie: »Wir wollen damit bis 2012 mehr als acht Gigawatt elektrischer Leistung installieren«, erklärte er anlässlich einer Präsentation im französischen Grenoble, wo Alstom ein Forschungs- und Entwicklungszentrum betreibt. Dort werden Turbinen aller Art – Rohrturbinen, Kaplanturbinen, Propeller-, Francis-, Pelton- und Pumpturbinen – als Maßstabmodelle entsprechend den Bedürfnissen der Kunden exakt hergestellt und in Simulationsverfahren optimiert. Sechs solcher Testeinheiten hat das F&E-Zentrum, mithilfe einer »Computation Fluid Dynamic«-Software können Strömungsverläufe am Bildschirm simuliert und analysiert werden. Auch wenn man bei Alstom auf den Mix aus verschiedenen Technologien bei der Energiegewinnung setzt, sei die Wasserkraft diejenige mit der größten Flexibilität, so Cochet. Das gilt vor allem in Bezug auf die Windkraft, deren Kapazitäten im Zuge der notwendigen Erhöhung der Anteile erneuerbarer Energie bei der Energieerzeugung eine immer größere Rolle spielen werden und die Ausgleichsstrom braucht, wenn einmal der Wind nicht bläst. »Wasser ermöglicht Windkraft«, fasst das Cochet zusammen. Denn Strom aus Wasserkraft könne in diesem Fall am schnellsten ins Netz gebracht werden und sei daher am besten mit der Windkraft kompatibel. Ausgehend von dieser Überlegung will Cochet, der auch Vizepräsident der Alstom-Sparte Hydro & Wind ist, die Windkraft forcieren. So hat Alstom gerade den Windpark »Vieux moulin« im französischen Charmont en Beauce eröffnet, laut eigenen Angaben der derzeit größte kommerziell genutzte Onshore-Windpark mit sechs Windrädern mit je 100 Metern Durchmesser und je 3 MW Leistung. Europaweit wurden im Vorjahr knapp 8.500 MW Windkraft installiert, die installierte Leistung aus Wasserkraft betrug in den letzten fünf Jahren weltweit 150 GW (Gigawatt). Global sieht Cochet für die nächsten 20 Jahre ein Wachstumspotenzial für Energie, das dem der installierten Leistung von Beginn der Industrialisierung bis heute entspricht. Potenzial für PumpspeicherkraftDennoch würden andere Formen der Energieerzeugung weiterhin Gewicht haben, glaubt Cochet: Kohle etwa werde bleiben. In Verbindung mit der auch von Alstom vorangetriebenen Speicherung von CO2 im Erdreich (dem sogenannten Carbon Capture and Storage – CCS) könne man, neben der Erhöhung der Erzeugungseffizienz bei älteren Kraftwerken, auch hier dem Problem Treibhausgasemissionen beikommen, zeigte sich Cochet überzeugt. Das Potenzial für Pumpspeicherkraftwerke für die nächsten fünf Jahre schätzt Cochet auf 6 GW pro Jahr, wobei sich das Verhältnis neuer Projekte zu Erneuerungen bestehender Anlagen für Alstom derzeit noch im Verhältnis 4:1 bewegt. Große Märkte seien Spanien, Portugal und die Schweiz, in Österreich sieht sich Alstom Hydro der Konkurrenz des Marktführers Andritz gegenüber, wie Cochet einräumt. Dennoch hofft er auf die Installation von 3.000 MW in den nächsten zwei bis drei Jahren, das französische Unternehmen beteiligt sich an der aktuellen Ausschreibung für das vom Verbund ausgeschriebene Pumpspeicherprojekt Reißeck II mit dem Angebot von zwei 215 MW-Pumpturbinen- und Motorgeneratorsätzen. Den größten Wachstumsmarkt sieht Cochet aber in China: Dort würden für Alstom in Zukunft 50 % des Geschäfts zu machen sein.Facts & FiguresVom 1. April bis zum 30. September 2009 verzeichnete der französische Konzern Alstom einen Auftragseingang von 7,1 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vergleichszeitraum 2008 bedeutet das einen Rückgang von 45 %. Die Rückgänge bei den neuen Aufträgen betreffen in gleicher Weise die Sektoren Power Generation und Transport, teilt das Unternehmen mit, das keine Zahlen über einzelne Geschäftsbereiche veröffentlicht. Der Auftragsbestand war mit -7 % leicht rückläufig und liegt bei 43,8 Milliarden Euro. Aus diesem Grund ist der Umsatz im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2009/10 um 19 % auf 828 Millionen Euro gestiegen. Das Nettoergebnis stieg um 7 % auf 562 Millionen._______________________________________________________________________________________________WissenSpeicher für StromDas Prinzip der Pumpspeicherkraftwerke basiert auf dem 1. Satz der Thermodynamik: Energie kann nicht vernichtet, sondern nur in andere Energieformen umgewandelt werden. Elektrische Energie, die aus Wind- oder Sonnenkraft dann produziert wird, wenn Wind oder Sonne verfügbar sind, kann aufgrund bislang fehlender Technologien nicht direkt gespeichert werden. Deshalb kommt die Wasserpumpspeichertechnologie ins Spiel: Nicht benötigter und überschüssiger Wind- oder Sonnenstrom wird dazu benutzt, Wasser aus dem unteren in das obere Reservoir eines Speicherkraftwerks zu pumpen. Die Energie, die nun im Wasser »zwischengespeichert« ist, wird bei Bedarf angezapft, indem das Wasser wieder in das untere Reservoir abgelassen wird. Dabei wird die elektrische Energie, die für das Hinaufpumpen verbraucht wurde, mithilfe von Turbinen wieder erzeugt. So kann das Elektrizitätsnetz stabil gehalten werden. Allerdings geht bei diesem Prozess einiges verloren: Der Wirkungsgrad solcher Pumpspeicherkraftwerke beträgt derzeit rund 80 %. Bis geeignete Technologien zur effizienten Speicherung von elektrischer Energie marktreif sind, werden Pumpspeicherkraftwerke dennoch die einzige Möglichkeit bleiben, Strom in großem Maßstab zwischenzuspeichern, bis er gebraucht wird.