»Die Netzbetreiber waren bisher zu arrogant, wirklich neue Wege zu gehen. Nun stehen sie abseits der Content- und Servicewelt alleine da«, beobachtet Thomas Magedanz, Informatikprofessor an der TU Berlin. »Im Gegensatz zur Aufstellung als netzunabhängiger Dienstanbieter beziehungsweise einer klaren Partnerstrategieentwicklung mit etablierten Internetplayern versuchen die Netzbetreiber, eher konservativ den Wettbewerb im Zugangsnetzbereich auszukämpfen«, kritisiert Magedanz anlässlich der Branchenveranstaltung »HP Communication Talks« in Wien die mangelnde Fantasie der Branche. Statt wirkliche Innovationen zum erneuerten Marktauftritt durchzuschalten, würden sich die Provider lediglich auf Netzzugangsverbreiterung und Dienstvereinheitlichung - etwa mittels Fixed-Mobile-Convergence oder Triple-Play-Modellen - konzentrieren.Unter der Annahme, dass die multimediale Killerapplikation der Zukunft das Internet selbst mit all seinen Anwendungen ist, rücken aufgrund der »All-IP-fication« und des stärkeren Wettbewerbs die Zugangsnetze in der Wertschöpfungskette immer mehr in den Hintergrund. »Seamless Services stehen heute für die Tatsache, dass Endkunden dem Dienstanbieter gehören und nicht mehr dem Netzbetreiber«, führt der Professor aus. Magedanz weiß wovon er spricht. In Berlin bekleidet er einen Lehrstuhl für Next Generation Networks (NGNs) und forscht gemeinsam mit unterschiedlichsten Unternehmen an der Zukunft der Telekommunikation. Den Begriff Telekommunikation wird es dem Experten zufolge aber nicht mehr lange geben, die klassischen Netzausrüster würden jetzt schon an ihre Grenzen stoßen. Der aktuelle Hype um das Web 2.0, Suchmaschinen und Online-Communitys dokumentieren diesen Trend und zeigen, dass Massendienste durch eine Vielzahl von Nischendiensten und individuellen Inhalten verdrängt werden. Magedanz sieht einen einzigen Ausweg für die margengeprüften Telcos: die Welt der Serviceplattformen. Die Zukunft der IKT-Welt ortet der Forscher zweigeteilt: »NetCos« bieten als reine Bitpipe-Provider, also Infrastrukturbesitzer, Toolkits wie ein IP Multimedia Subsystem (IMS) den »ServiceCos«, den Diensteanbietern, an. Der Telcoprofessor im Wordrap:Triple-, Quadruple-Play: Sind im eigentlichen Sinne keine Innovation. Kennzeichnen einen Verdrängungswettbewerb, der völlig ohne neue Dienste auskommt. IP Multimedia Subsystem: Letzter Versuch der Telcos, sich der Internetwelt zu stellen. Ein Multivitamin: Es geht um Multimediales, Multiparties, Multihandling. Hat in der Mobilwelt angefangen, dann haben es die Festnetzbetreiber entdeckt. Mittlerweile liebäugeln sogar schon die Kabelprovider damit. IMS ist das dynamische Erstellen von Inhalten in einem individuellen Kontext.IMS light: Die Hintertür, falls IMS aufgrund mangelnder Begeisterung oder unausgereifter Endgeräte ein Reinfall war. Durch den derzeit schrittweisen Aufbau der IMS-Architektur auch im Retourgang finanzierbar.Applikationen statt Voice: Die gute, goldende Minute wird nicht mehr lange so golden sein. Konzepte wie »Click-to-SMS«, »Click-to-MMS« oder »Click-to-Anything« könnten die Ablöse der goldenen Minute sein. »See what I see« ist eine weitere denkbare Applikation.Innovation: Wahre Innovation findet sich nur beim Web 2.0. Die Versionsnummer ist zwar Marketinghype, aber auch eine Bewegung des offenen WWWs. Alles ist vernetzt: So ist etwa Google Maps in jede andere Website oder Applikation integrierbar.Content: Content wird immer »King« sein. Die Nachrichten der Zukunft müssen nicht mehr von den großen Nachrichtenanstalten generiert werden, sondern kommen asynchron von den Usern. Es wird davon in Zukunft zu viel geben. Der Content wird alle erschlagen.Next Generation Network: In manchen Vortragspräsentationen ist dieser Begriff schwarz hinterlegt. Es ist die Farbe des Friedhofes, weil alle Betreiber dahin marschieren müssen.Fixed Mobile Convergence: Produkte, die im Bundle de facto die Einnahmen der Betreiber sinken lassen.Marktkonsolidierung: Jeden Tag werden tausend Firmen mit der einen oder anderen Geschäftsidee gegründet. Ein bis zwei davon bleiben auch übrig und werden von den Großen gekauft. Damit bleiben auch die Großkonzerne nicht stehen und werden stärker.Internet: Während viele neue Dienste an Endgeräten oder Software scheitern, geht es im Internet effizienter zu: Automatische Updates, Downloadservices und Plug-in-Politik zeigen den Telcos vor, wie man es machen sollte.IP-Telefonie: Verschiedenste Inseln, British Telecom hat mit einer eigenen, frühen IP-Voice-Lösung erfolgreich Mitbewerber wie Skype aus UK verbannt.Gratis: An vielen Hotspots ist der Internetzugang bereits kostenlos - wo bleibt da noch der Wert für den Anbieter? Es sind die Applikationen. Die User sind doch nur an Applikationen interessiert.Online-Communitys: über sie finden die Unternehmen direkt zum Markt - egal wie speziell die Themen sind. Communitys gibt es für alle: für Jogger, Religiöse, Weight Watchers oder Haustierbesitzer. Diese Gruppen sind sehr agil: Sie bauen sich auf, tun sich zusammen, stürzen wieder ein. Es könnte so viele Communitys geben, das kann sich ein Mensch gar nicht vorstellen.Netzbetreiber: Müssen sich Gedanken machen, was sie überhaupt wollen. Drei verschiedene sind bekannt: Jene, die alles selbst machen wollen, repräsentieren die alte Denkweise. Netzbetreiber, die nur Connectivity bereitstellen, sind die neuen »NetCos«. Betreiber, die Partnerschaften mit Virtual-Network-Operators eingehen, folgen der Idee des programmierbaren Internets.Businessmodell: Es ist doch überlegenswert: Warum sollte Content, der gekauft worden ist, nicht wiederverkauft werden können? Das Haustierportal in Deutschland wird von Chappi-Werbung finanziert.Peer-to-peer-Netze: Selbstorganisierend. Funktionieren ohne große Planung. Brauchen kein Atomkraftwerk, um ein Rechenzentrum zu betreiben. Werden von Telcos als Bedrohung gesehen, könnten aber der Schlüssel zum Zugang in Netze des Mitbewerbs sein. Wie? So: P2P-Client unter den eigenen Kunden verbreiten, um auch in Konkurrenznetzen unterwegs zu sein.örtliche Infrastruktur: Ist für die Großen völlig wurst. Schließlich ist Google eine globale Marke.Social Networks: Ermöglichen »Marketing for free«, da die eigenen Freunde ein ähnliches Konsumverhalten wie der Nutzer haben. Hier ist Marketing wirklich zielgerichtet.HP: Wird nicht mehr nur Drucker herstellen, sondern auch Bilderrahmen. Das Enkerl wird seiner Oma dann die Fotos übers P2P-Netz direkt in den Rahmen senden.Googlezon: Zukunftsvision, bei der Google den Konkurrenten Microsoft als Bösewicht abgelöst hat und zusammen mit Amazon eine totalitäre Informationsdiktatur installiert.