Wenn sich die Arbeitsbedingungen und -strukturen in den Betrieben ändern, verändern sich auch die Anforderungen an die Mitarbeiter – auch im Soft-Skills-Bereich. Deshalb müssen gute Mitarbeiter heute teils andere Fähigkeiten als früher haben.Von Bernhard Kuntz Was macht Menschen beruflich erfolgreich? Und was unterscheidet einen sehr guten Mitarbeiter von einem eher durchschnittlichen? Klar ist: Wer in seinem Job spitze sein möchte, braucht das nötige fachliche Wissen und Können. Denn ohne dieses kann weder ein Schreiner Schränke bauen noch ein ITler Software programmieren noch ein Grafiker Prospekte gestalten.Doch dieses Fachwissen allein genügt in der Regel nicht, um beruflich erfolgreich zu sein. »Denn Berufstätige agieren nicht in einem luftleeren Raum«, betont die Wiener Trainerin und Beraterin Sabine Prohaska. Sie sind vielmehr zumindest als Angestellte Teil einer Organisation. Also müssen sie mit anderen Menschen kooperieren und harmonieren. Und dies setzt ebenfalls gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten voraus. Doch welche?Das hängt außer von den Arbeitsinhalten auch von der Struktur der Betriebe und deren Arbeitsorganisation ab, erklärt Stefan Bald, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. So waren zum Beispiel in den sehr hierarchisch strukturierten Betrieben, die bis vor knapp 20 Jahren die Unternehmenslandschaft prägten und in denen die Arbeit sehr kleinteilig organisiert war, primär die klassischen Sekundärtugenden – auch preußische Tugenden genannt – gefragt. Die Mitarbeiter sollten pünktlich und fleißig sein, zudem gewissenhaft und zuverlässig, die ihnen von ihren Chefs übertragenen beziehungsweise in ihren Stellenbeschreibungen fixierten Aufgaben erfüllen. »Und ansonsten sollten sie möglichst den Mund halten«, ergänzt Bald.Neue Arbeitsorganisation – neue AnforderungenÜber viele, viele Jahre funktionierte dieses System und wurde immer weiter optimiert – mit neuen, schnelleren Maschinen, und indem sogenannte REFA-Fachleute die Arbeitsabläufe zunehmend »rationalisierten«. Doch irgendwann waren die Optimierungspotenziale ausgereizt. Und die Unternehmen kamen, wie Amin Talab vom Wiener Beratungsinstitut .comeon erläutert, zur Erkenntnis: »Wenn wir uns weiter verbessern wollen, müssen wir einen Musterwechsel vollziehen – also die Arbeit ganz neu strukturieren.« Als Folge davon begann vor circa 20 Jahren der Siegeszug der Team- und Projektarbeit. Das heißt, statt einzelnen Mitarbeitern Teilaufgaben zu übertragen, wurden nun an Mitarbeitergruppen mehr oder weniger komplexe Aufgaben delegiert, die sie weitgehend eigenverantwortlich lösen sollten.Dies wirkte sich auch auf die Anforderungen an die Mitarbeiter aus. »Teamfähig soll unser Mitarbeiter sein«, lautete fortan eine Standardanforderung in fast allen Stellenanzeigen. Doch nicht nur dies! Zudem sollten die Neuen »kommunikativ« und »konfliktfähig« sein.Denn wenn mehrere Mitarbeiter gemeinsam eine Aufgabe erfüllen, dann besteht nicht nur ein größerer Abstimmungsbedarf. »Dann gibt es auch mehr Reibungspunkte, als wenn jeder Mitarbeiter einsam vor sich hinarbeitet und allein seine exakt definierten Aufgaben erfüllt«, erläutert Sabine Prohaska. Team- und Projektarbeit ist heute eingeübte PraxisEntsprechend boomten in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten in den Unternehmen neben den Team- und Projektmanagement- auch die Kommunikations- und Konfliktmanagementtrainings. Und heute? Heute ist die Team- und Projektarbeit in weiten Teilen der Unternehmen »gängige Praxis«, betont Amin Talab. Und die Mitarbeiter sind nicht nur daran gewöhnt. »Die jungen Mitarbeiter, die heute in die Betriebe kommen, sind auch besser auf diese Arbeitsform vorbereitet als die Mitarbeiter früher« – unter anderem, weil sie vielfach bereits in den Schulen und an den Universitäten eingeübt wird.Das bedeutet nicht, dass die Themen Team- und Projektarbeit in der betrieblichen Weiterbildung keine Rolle mehr spielen. Aber in den Trainings hat sich »die Akzentsetzung verschoben«. Heute geht es in den Trainingsmaßnahmen laut Stefan Bald zumeist nicht mehr darum, Team- oder Projektarbeit einzuführen, sondern diese zu optimieren.Dafür gewinnen neue Themen an Bedeutung. Denn aufgrund der Globalisierung und des rasanten technologischen Fortschritts stehen die Unternehmen unter einem immer größeren Veränderungsdruck. Das heißt, sie und ihre Mitarbeiter müssen sich in immer kürzeren Zeitabständen fragen: Können wir mit unserer aktuellen Art, zu arbeiten und Aufgaben zu lösen, unsere Ziele noch erreichen?Mitarbeiter müssen »Selbstentwickler« werden Für die Mitarbeiter bedeutet dies: Sie müssen immer häufiger ihre Denk- und Verhaltensmuster den veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Hieraus resultiert laut Joachim Simon, Inhaber des Trainingsunternehmens simonconsult, Braunschweig, ein großer Lernbedarf – ein so großer, dass dieser durch Personalentwicklungsmaßnahmen, die von der Personalabteilung konzipiert und den Mitarbeitern »verordnet« werden, allein nicht mehr gedeckt werden kann. »Dafür ist der Lern- und Entwicklungsbedarf auch zu verschieden.« Das heißt, das Lernen muss ein Teil des Arbeitsalltags werden und die Mitarbeiter müssen ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen. Sie müssen laut Simon »Selbstentwickler werden« – auch um begehrte Arbeitskräfte zu bleiben.Das setzt eine Reihe von Fähigkeiten voraus. So müssen die Mitarbeiter zum Beispiel lernen, selbst – oder mit selbstorganisierter Unterstützung – ihren Entwicklungsbedarf zu ermitteln. Außerdem müssen sie lernen, eigene Lernprozesse zu organisieren, zu strukturieren und zu evaluieren. Und zudem müssen sie lernen, sich selbst zum Lernen zu motivieren und sich stets neu zu stimulieren, wenn es mal nicht auf Anhieb klappt.Diese Fähigkeit zur Selbstmotivation brauchen Mitarbeiter in der modernen Arbeitswelt nicht nur bezogen auf das Lernen. Sie entwickelt sich, davon ist Sabine Prohaska überzeugt, zu der zentralen Schlüsselkompetenz in unser heutigen von Veränderung geprägten Arbeitwelt. Denn je eigenständiger und -verantwortlicher und ohne unmittelbare Kontrolle von oben Mitarbeiter arbeiten, umso häufiger müssen sie zu sich selbst sagen: Ich mache das jetzt, obwohl ich dazu keine Lust habe. Und je häufiger sie vor neuen Herausforderungen stehen, umso öfter geraten sie an Punkte, bei denen sie – zunächst – das Gefühl haben: Ich kann das nicht. Dann wird von Arbeitnehmern, so Bald, heute zunehmend erwartet, dass sie nicht unmittelbar die Flinte ins Korn werfen, sondern sich fragen »Unter welchen Voraussetzungen könnte ich die Aufgabe vielleicht doch lösen?« und einen Versuch wagen.Zuversicht: »Ich schaffe das schon«Das setzt laut Joachim Simon zweierlei voraus. Zum einen müssen die Mitarbeiter im Verlauf ihrer Biografie eine gewisse Grundzuversicht entwickeln: »Irgendwie schaffe ich das schon. Schließlich habe ich in der Vergangenheit schon viele Aufgaben, die mir zunächst unlösbar erschienen, gelöst.« Zum anderen müssen sie lernen, ihre Gedanken und somit ihre Gefühle und ihr Verhalten zu steuern. Das heißt, sie können, wenn eine neue Herausforderung auf sie zukommt, zwar durchaus zunächst innerlich fluchen: »So ein Mist. Jetzt muss ich auch noch ...«. Nach einiger Zeit sollten sie aber zum Beispiel denken: »Na ja, das gehört halt zu meinem Job. Und so schlimm, wie es auf den ersten Blick scheint, wird es schon nicht werden.«Diese Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und in eine positive, zuversichtliche Stimmung zu versetzen, haben viele Arbeitnehmer, so Stefan Balds These, noch nicht in ausreichendem Maße entwickelt. Die Folge: Sie verfallen bei neuen An- und Herausforderungen in eine Art Schockstarre und fühlen sich schnell überfordert. Als Indiz hierfür verweist Bald auf die wachsende Zahl von Burnouts und psychischen Erkrankungen. Seine Anregung: Zumindest sollte man mal darüber nachdenken, inwieweit hier ein Zusammenhang besteht. Denn dann ließen sich auch Unterstützungs- und Präventionsmaßnahmen organisieren.