Hans-Werner Frömmel im Interview mit Bernd Affenzeller.Der Bundesinnungsmeister erklärt, dass der soziale Friede in Österreich gefährdet ist, er von den Banken ein Umdenken fordert und die 400 Millionen Euro für die thermische Sanierung andere Investitionsverluste kaum kompensieren können. (+) plus: 2010 musste die österreichische Bauwirtschaft ein Minus von rund vier Prozent hinnehmen. Mit ein Grund dafür sind auch die seit Jahren sinkenden Wohnbaubewilligungen. Sie haben wiederholt die Sorge geäußert, dass dieser Trend dazu führen wird, dass der Bedarf an neuen Wohnungen nicht mehr gedeckt ist. Droht Österreich eine Wohnungsnot?Hans-Werner Frömmel: Laut Wifo sind die Bewilligungen 2010 auf 39.100 gesunken. 2011 werden sie weiter sinken, und zwar auf 37.500. Damit liegen wir deutlich unter dem in mehreren Studien errechneten Bedarf von rund 50.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Wir steuern also direkt auf eine Wohnungsnot zu. Als Folge des geringeren Angebots steigen schon jetzt die Mieten deutlich. Damit ist auf lange Sicht auch der soziale Friede in Österreich gefährdet. Aufgrund der langen Vorlaufzeit muss man auch rechtzeitig vor den Auswirkungen der geringen Bautätigkeit warnen. Denn neue Wohnungen entstehen nicht von heute auf morgen.(+) plus: Mit höheren Mieten steigen auch die Aufwendungen für die Wohnbeihilfe. Das wiederum könnte zulasten der Neubauförderungen gehen. Droht ein Teufelskreis?Frömmel: Diese Gefahr besteht. In einigen Bundesländern ist das schon jetzt der Fall. In der Steiermark werden schon jetzt rund 50 Prozent der Wohnbauförderung für die Subjektförderung verwendet. Und in anderen Ländern sieht es nicht viel besser aus. (+) plus: Im Herbst fand in Kärnten erstmals eine gemeinsame Konferenz von Wohnbaulandesräten und Bau-Pakt-Partnern statt. Dabei gab es auch erste Anzeichen für eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung. Glauben Sie an ein Comeback der Zweckbindung in absehbarer Zeit?Frömmel: Kurzfristig glaube ich nicht an eine Wiedereinführung der Zweckbindung. Die Verantwortlichen in den Ländern betonen immer wieder, dass ohnehin alle zur Verfügung stehenden Mittel in den Wohnungsneubau und die Sanierung fließen. Ich nehme diese Aussagen zur Kenntnis, aber glauben kann ich sie nicht. Dennoch ist die Landesrätekonferenz als sehr positiv zu bewerten. Denn damit ist es gelungen, eine Plattform zu schaffen, die einen direkten Austausch zwischen Wirtschaft und Politik ermöglicht. Die Gespräche haben in einem sehr angenehmen Klima stattgefunden. Unsere Sorgen und Bedürfnisse wurden gehört und wie ich glaube auch verstanden und ernst genommen. Wir werden aber nicht aufhören, auf die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung zu pochen.(+) plus: Anfang Februar wird es auch erstmals eine Parlamentsenquete der Bausozialpartner mit den Parlamentsklubs der Regierungsparteien geben.Frömmel: Auch das ist ein großer Erfolg. Erstmalig werden Vertreter der Bauwirtschaft die Möglichkeit haben, vor Ministern und Parlamentariern ihre Sorgen kundzutun und auf die notwendigen Investitionen der öffentlichen Hand hinzuweisen. (+) plus: Was erwarten Sie von der Enquete?Frömmel: Allzu viel darf man nicht erwarten. Das Budget bis 2013 ist beschlossen. Wir werden also nicht mit einer Fülle an Neuaufträgen aus den Gesprächen kommen. Aber ich erwarte, dass man uns anhört. Und ich hoffe, dass man versteht, welche wichtige gesellschaftspolitische Rolle die Bauwirtschaft spielen kann. Vom leistbaren Wohnen über die Infrastruktur von Bildungseinrichtungen bis zur Kaufkraft der 260.000 in der Bauwirtschaft beschäftigten Menschen. Der Bau kann eine zentrale Rolle als Konjunkturlokomotive spielen. Wenn die Politik das versteht, haben wir ein wichtiges Ziel erreicht. Vielleicht gelingt es uns auch, diese Enquete zu einer fixen Veranstaltung zu machen, die einmal jährlich stattfindet. (+) plus: Nach einem Jahr Pause kommt 2011 die Bundesförderung zur thermischen Sanierung wieder. Mit welchen Auswirkungen auf die Bauwirtschaft?Frömmel: Das ist sicher erfreulich, sollte aber nicht überbewertet werden. Über einen Zeitraum von vier Jahren bringt der Sanierscheck 400 Millionen Euro, gleichzeitig werden uns durch die Reduktionen im Siedlungswasserbau, die Aufhebung der Zweckbindung der Altlastensanierungsbeiträge und die Investitionsrücknahmen bei ÖBB und Asfinag sechs Milliarden Euro weggenommen. In Relation dazu muten die Millionen aus dem Sanierscheck gering an. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass wir in schwierigen Zeiten leben und der Staat sparen muss. Ich denke aber, dass gerade in unserem Bereich deutlich über das Ziel hinausgeschossen wurde. (+) plus: Tatsache ist aber auch, dass etwa die ÖBB heute immer noch deutlich mehr in die Bahnhofs- und Schieneninfrastruktur investieren als etwa vor zehn Jahren.Frömmel: Das ist richtig und auch absolut lobenswert. Im Rahmen der Konjunkturpakete wurden aber Zusatzinvestitionen versprochen, die jetzt zum Teil wieder zurückgenommen werden. Und zusätzlich werden jetzt auch lange geplante Investitionen gestrichen. Ich bin auch dafür, dass Projekte auf ihre Sinnhaftigkeit hin evaluiert werden. Aber dieses Geld, das eingespart wird, könnte man auch in andere Projekte investieren. Und das ist leider nicht der Fall. (+) plus: Was sind Ihre Erwartungen an das Jahr 2011?Frömmel: Es ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass 2011 noch deutlich schwieriger wird als 2010. Die nächsten drei Jahre werden für die österreichische Baubranche sicher die schwierigsten der letzten Jahrzehnte. Die Öffnung des Arbeitsmarktes mit 1. Mai 2011 wird die Gesamtsituation auch nicht vereinfachen. Die Gefahr, dass Billigfirmen aus den neuen Mitgliedsstaaten nach Österreich drängen und die Preise, die ohnehin schon am Boden sind, weiter drücken, ist gegeben. (+) plus: 2010 hat für die Bauwirtschaft eine deutliche Reduktion der Unternehmenspleiten gebracht. Ist 2011 wieder mit einem Anstieg zu rechnen?Frömmel: Ich hoffe nicht, aber die Gefahr besteht natürlich. Vor allem die fast schon deflationäre Preisgestaltung wird viele Unternehmen an den Rand des Ruins treiben. Der Rückgang der Unternehmenspleiten 2010 ist nicht auf ein gutes wirtschaftliches Umfeld zurückzuführen, sondern liegt zu einem großen Teil daran, dass wir mit dem Auftraggeberhaftungsgesetz das Problem der Scheinfirmen weitgehend unter Kontrolle gebracht haben. (+) plus: In der Krise haben sich die Banken aus Sicht der Bauwirtschaft nicht sehr kooperativ verhalten. Durch hohe Risikozuschläge und die geforderten Eigenkapitalquoten ist das Projektgeschäft fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Hat sich das Verhalten der Banken 2010 geändert?Frömmel: Die Banken versichern, dass es keine Probleme mit der Finanzierung gibt. Unsere Mitglieder erzählen etwas anderes. Früher sind die Banken als Partner aufgetreten und haben zumindest ein abgesichertes Risiko mitgetragen. Heute sichern sie sich doppelt und dreifach ab. Das erschwert vor allem das Projektgeschäft enorm. Ich weiß auch aus eigener Erfahrung, wie schwierig es heute ist, von den Banken Geld für Projekte zu bekommen. Die Bank ist zu 110 Prozent abgesichert, und der Investor trägt das Gesamtrisiko. Da stellt man sich schon die Frage, ob das den Aufwand überhaupt noch wert ist. (+) plus: Was fordern Sie von Banken konkret?Frömmel: Es müsste bei den Banken zu einem radikalen Umdenken kommen. Die Banken sind mitverantwortlich für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes. Die Banken verfügen über einen Schutzschirm des Staates, und den sollen sie auch nutzen, indem sie den Unternehmen bei Investitionen unter die Arme greifen und zumindest ein gewisses Risiko mittragen. (+) plus: Beim internationalen Berufswettbewerb EuroSkills in Lissabon war Österreich sehr erfolgreich. Was bedeuten diese Auszeichnungen?Frömmel: Das ist die Antwort von Gewerbe und Handwerk auf Pisa. Österreich hat insgesamt zwölf Goldmedaillen errungen. Darauf können wir zu Recht stolz sein. Wir freuen uns auch sehr, dass wir mit Michael Krauskopf den besten Maurer Europas stellen, und hoffen, dass dieser Erfolg auch ein Anreiz für die Jugend ist, diesen Beruf zu ergreifen. Eines ist klar: Ein gut ausgebildeter Handwerker wird auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten immer einen Job finden.