Mehrgeschoßige Gebäude bilden die energieeffizienteste Architektur der Gegenwart. Für Photovoltaik werden sie allerdings erst ansatzweise eingesetzt, es dominieren Ein- und Zweifamilienhäuser. Für eine Trendwende bedarf es laut Experten der Diskussion über ein neues Stadtbild sowie der kreativen Gestaltung der PV-Module. Von Karin Legat Die Entwicklung der ersten Silizium-Solarzelle reicht zurück in die Mitte des letzten Jahrhunderts, Ende der 80er-Jahre wurde die Photovoltaik als Stromquelle für die Energiewirtschaft entdeckt. Seit 2003 findet eine explosive Entwicklung dieses PV-Bereiches am Weltmarkt statt. Lag die globale Jahresproduktionsleistung 1995 bei 100 MWp, betrug sie 2010 bereits über 15.000 Mega-Watt-peak. Prognosen zufolge wird der weltweite Markt für gebäudeintegrierte Photovoltaik (GIPV) von derzeit 1,6 Mrd. Dollar bis 2016 auf 8,7 Mrd. steigen. Seit 2009 ist auch eine Marktverdoppelung in Österreich zu registrieren. Entscheidend für Photovoltaik ist die Globalstrahlung, die in Mitteleuropa etwa aus 40 % direkter (Strahlung trifft ohne Streuung auf die Erdoberfläche) und 60 % diffuser Strahlung (Strahlung wird durch Wolken, Dunst, Nebel oder Schmutzteilchen gebrochen) besteht. In Österreich liegt die Jahres-Globalstrahlung je nach Region zwischen 1.100 und 1.400 kWh/m2 und Jahr (Quelle: ZAMG). Ob das eigene Gebäude für PV geeignet ist, berechnen Fachleute. Es kann aber ebenso Eigeninitiative gesetzt werden, etwa mithilfe eines Solarkatasters oder PV-Rechners. Ob dieses Onlineberechnungstool die eigene Entscheidung unterstützt, kann etwa auf der Seite des Bundesverbandes Photovoltaic Austria oder bei Sonnenkraft getestet werden. »Wenn Beschattungen aus der Nachbarschaft in die Berechnungen einbezogen werden, wird es etwas komplexer«, zeigt Architektin Ursula Schneider von pos architekten auf, die sich seit 1980 schwerpunktmäßig auf solares, ökologisches und energieeffizientes Bauen konzentriert. »Aber auch dafür gibt es Programme.«Zukunft GIPV»Wir sehen einen deutlichen Trend hin zur Produktion von Energie auf der Gebäudehülle«, betont Schneider. »Speziell in Gebieten, in denen Land kostbar ist, bildet gebäudeintegrierte Photovoltaik DIE Energielösung der Zukunft«, ergänzt Hubert Fechner, Leiter des Studiengangs Erneuerbare Urbane Energiesysteme an der FH Technikum Wien. »Das trifft vor allem auf Mitteleuropa zu.« Photovoltaikkraftwerke können in alle baulichen Anlagen und Gegenstände des täglichen Lebens integriert werden. »Jede Dach- und Fassadenfläche lässt sich grundsätzlich durch eine PV-Anlage ersetzen. Im Ertrag dominieren flach geneigte Dachflächen in alle Richtungen jedenfalls gegenüber Fassadenflächen«, sagt Schneider. Südgeneigte Dachflächen sind naturgemäß am ertragreichsten. Österreich verfügt über 140 km2 geeigneter Dachflächen und über 50 km2 ausreichend südorientierte Fassadenfläche. Um 20 % des heimischen Strombedarfs über Photovoltaik zu decken, reichen rund 60 % der geeigneten Dach- und Fassadenflächen. »Sehr energieeffiziente Gebäude mit geringem Strombedarf können auch heute schon 100 % ihres Bedarfes auf ihrer Dachfläche decken. Das gilt auch für mehrgeschoßige Gebäude«, meint Schneider. Über den langfristigen Erfolg von gebäudeintegrierter Photovoltaik entscheidet für Fechner die optische Ausführung der PV-Anlage bei Einhaltung eines möglichst hohen Wirkungsgrades. »Weltweit sind bei Hochhäusern und Industriehallen bereits einige vorbildliche Beispiele kreativer GIPV realisiert, wie z.B. der Willis Tower in Chicago und der Power Tower der Energie AG in Linz. Aber es besteht noch massiver Entwicklungsbedarf.« Fassadenhersteller müssten sich dem Thema GIPV verstärkt widmen. »Fassaden dürfen nicht länger ausschließlich als Elemente gegen Wetter, Schall, Wärme und für Belichtung gesehen werden. Die Integration der Zusatzfunktion Energie entscheidet künftig über eine funktionelle Fassade.«Diskussion Stadtbild neu »Im Neubau ist natürlich wesentlich mehr Gestaltungsfreiheit gegeben«, betont der FH-Experte. Aber auch bei der Sanierung ist PV leicht zu integrieren. »Gerade bei Gründerzeithäusern werden oft Dachgeschoßausbauten vorgenommen. Diese Flächen sind als Neubau anzusehen. Wohnbauten aus der Nachkriegszeit sind wiederum mit wenig genutzten Flachdächern oder leicht geneigten Gebäudeabschlüssen ausgestattet. Hier bieten sich gute Voraussetzungen für Photovoltaik. Bestehende Welleternitplatten können einfach getauscht werden«, schlägt Schneider vor. »Solange Photovoltaik hohe Investitionen erfordert, ist es wichtig, die Module optimal zu orientieren. Wenn der Kostendruck sinkt, ist der Weg frei für die gesamte Gebäudehülle inkl. der Fassade. Dann wird die Kreativität der Architekten, aber auch der Produktentwickler gefordert«, meint Schneider. Wir müssen zudem endlich vom Standpunkt abkehren, dass PV unsichtbar sein soll. GIPV muss besser in das Stadtbild integriert werden. Alte und moderne Architektur bestehen ja auch nebeneinander«, so Fechner und nennt als Beispiele das Haas-Haus in Wien oder die Gasometer. »Dieses Ziel müssen wir uns auch für die GIPV setzen.« Natürlich wird das mit Standardmodulen nicht funktionieren. »Wir brauchen neue adaptierte Zellen, die mit der Gebäudehülle verschmelzen. Das ergibt nicht nur ein optisches Plus, auch Kostenreduktionen sind realisierbar, da andere Materialien verwendet werden können.« Individuelle architektonische Gestaltungsmöglichkeiten gibt es bereits viele am Markt, darunter rahmenlose schwarze PV-Module wie das Eternit Megaslate Solarlaminat und Paneele, die je nach Sonnenstand ihre Struktur ändern, wie das Dachpaneel FX.12 von Prefa. Vergessen darf man auch nicht auf die individuellen Module von Raymann, ATB-Becker, Nikko, Ertex-Solar und PVB. »In diese Richtung muss weitergeforscht werden«, drängt der FH Institutsleiter. »Wir koordinieren die österreichische PV-Technologieplattform, in der alle heimischen PV-Hersteller vertreten sind. Gemeinsam wollen wir ein Forschungsprogramm zum Thema GIPV lancieren«, kündigt Fechner an. PV-ArchitekturIn erster Linie wird Photovoltaik am Dach installiert, wo durch hohe Solareinstrahlung und wenig Verschattung die Sonnenenergie optimal genutzt werden kann. Ihren maximalen Ertrag erreicht PV bei einer Dachneigung von 30 Grad und Südausrichtung. Je steiler die Strahlen auftreffen, umso ergiebiger ist die Energieausbeute. »Bei Fassaden werden durch den geringeren Einfallswinkel lediglich 65 bis 70 % des Dachertrages erreicht«, zeigt Fechner auf. Hinsichtlich Montageart dominiert die Aufdach-Installation mit fast 90 %, danach folgen freistehende Anlagen und dachintegrierte mit etwa 6 % sowie fassadenintegrierte PV mit 1 %. »Das Dach ist der PV-Ort Nummer eins. Es gilt daher, ihn weiter zu optimieren«, fordert Fechner und nennt als Beispiel die PV-Nutzung von Dachschindeln. Diese Lösung wird bereits von Dow Solar und Lumeta angeboten. »Der Ball liegt bei den Dachelementeherstellern«, so Fechner. »Wir sind bereits mit diversen österreichischen Dachfirmen im Gespräch. Das Interesse an diesen Dachelementen ist sehr groß«, berichtet er. Für Schneider geht die Entwicklung von Dachschindeln nicht weit genug. »Das ist wie die Pferdekutsche mit Motor zu Beginn der Automobilherstellung.« Intensive Forschung muss v.a. flach geneigten Dächern gewidmet werden, die normalerweise mit Bahnen oder großflächig gedeckt werden. »Hier gibt es noch keine auch vom Wirkungsgrad interessanten Indach-Lösungen.«>>Zusammenfassung der Projektergebnisse: