Die TIWAG-Vorstandsmitglieder Bruno Wallnöfer und Alfred Fraidl schildern im Gespräch mit Report(+)PLUS, wie sie das Unternehmen nach der Wirtschafts- und Finanzkrise in eine kernkraftfreie Stromzukunft steuern wollen. (+) plus: Die Reaktorkatastrophe in Fukushima hat in Europa die Diskussion über die Energiewende beschleunigt. Ist die TIWAG für den Umbau des Stromwirtschaftssystems gerüstet?Alfred Fraidl: Unsere Energiestrategie 2010 hat sich vollinhaltlich bestätigt, ist die TIWAG doch die treibende Kraft für den ökologischen Wandel der Energiewirtschaft in Tirol. (+) plus: Welches Konzept verfolgt die TIWAG für Tirol?Bruno Wallnöfer: Die Rahmenbedingungen, insbesondere für die Stromerzeugung aus Kernkraft, werden weltweit immer unsicherer. Daher wollen wir auf Wunsch des Landes Tirol das Energiewirtschaftssystem zügig umbauen. Die Energieversorgung soll sich noch stärker auf heimische, erneuerbare Energieressourcen stützen. Das Ziel lautet: die Annäherung an eine solide Energieautonomie.(+) plus: Was bedeutet das konkret?Fraidl: Dies bedeutet den beschleunigten Ausbau der heimischen Wasserkraft und anderer erneuerbarer Stromerzeugungsformen. Ganz wichtig ist auch die umfassende Verbesserung der Energieeffizienz. Wir kommen mit unseren Projekten zum Ausbau der Wasserkraft gut voran. Dafür finden wir auch zunehmend Verständnis und Unterstützung.(+) plus: Wie ist der aktuelle Stand beim Kraftwerksausbau?Wallnöfer: Die geplante Erweiterung des Kraftwerkes Kühtai steht mitten im UVP-Verfahren. Für den Ausbau des Kaunertalkraftwerkes zu einer Kraftwerksgruppe haben wir im Platzertal einen gut geeigneten Standort für einen Oberstufenspeicher gefunden. Ein ausgewogener Projektvorschlag wurde schon im Februar in den betroffenen Gemeinden vorgestellt. Auch die Projektierungsarbeiten für ein Ausleitungskraftwerk am Osttiroler Tauernbach kommen gut voran. Dort nehmen wir auf den nahegelegenen Nationalpark besondere Rücksicht.(+) plus: Wie steht es mit der Nachrüstung bestehender Kraftwerke?Fraidl: Damit sind wir laufend beschäftigt. Von der Steigerung des Wirkungsgrades älterer Kraftwerksanlagen – »Repowering« – erwarten wir uns einen ökologisch sanften Erzeugungszuwachs, der immerhin spürbar ist.(+) plus: Welche anderen erneuerbaren Energiequellen forciert die TIWAG neben der Wasserkraft?Wallnöfer: Auch der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik ist von großer Bedeutung. Beide Erzeugungsformen sind jedoch stark standortabhängig. Windkraftanlagen scheinen für ein Bergland wenig geeignet zu sein. Auch die Photovoltaik bleibt hierzulande vorerst wohl eher auf Kleinanlagen begrenzt. Die TIWAG überlegt daher, sich an der Errichtung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Ausland zu beteiligen. (+) plus: Wenn ich 100 Prozent Strom aus Kleinwasserkraft bezahle, welcher Erzeugungsmix, Stichwort Atomstrom, kommt dann aus der Steckdose?Fraidl: Aus aktuellem Anlass stellen wir den Erzeugungsmix für die Versorgung der Tiroler Endverbraucher grundlegend um. Durch Verzicht auf die Beimischung von »Graustrom« garantieren wir ab sofort eine atomstromfreie Energiekennzeichnung. Dies geschieht durch Zukauf von Herkunftszertifikaten. Damit wird ein gesellschaftspolitischer und ökonomischer Lenkungseffekt bewirkt – auch wenn sich elektrophysikalisch an der Steckdose noch nichts ändert. (+) plus: Geht Tirol den Weg in Richtung der Energieautarkie oder der Energieautonomie?Wallnöfer: Autarkie wäre in Wahrheit ein großer Schritt zurück. Viel besser ist eine Autonomie, nämlich die Stärkung der eigenen Position in einem solidarischen Gesamtsystem. Denn die jahresdurchgängig sichere, preisgünstige und nachhaltige Versorgung Tirols setzt unsere Einbindung und Mitwirkung im gesamteuropäischen Energieverbundsystem voraus. (+) plus: Welche Rolle spielen dabei die doch immer wieder umstrittenen Pumpspeicherkraftwerke?Wallnöfer: Die Bürger Europas erwarten den massiven Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren, CO2-armen Erzeugungsformen: mehr Windkraft, insbesondere in den Küstenregionen Nord- und Westeuropas, Ausbau der Sonnenstromerzeugung, insbesondere in Südeuropa, und Ausbau der Pumpspeicherwasserkraft, insbesondere im Alpenbogen. (+) plus: Wie passen diese drei Erzeugungsformen zusammen?Fraidl: Die je nach Wetter stark schwankenden Erzeugungsbeiträge von Wind und Sonnenkraft erfordern zusätzliche Speicherkapazitäten und blitzschnell verfügbare Regelenergie zur Stabilisierung der Stromnetze. Diese Funktionen können derzeit – und noch auf lange Sicht – am besten von Pumpspeicherwasserkraftwerken erfüllt werden. Diese sind die grünen Batterien in Europa und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Systemstabilisierung.Pumpspeicherwasserkraftwerke sind daher für den weiteren Ausbau der Wind- und Sonnenkraft und deren Integration in das Gesamtsystem unabdingbar. Damit ist klar, dass dem Ausbau der Pumpspeicherwasserkraft auch im Rahmen einer zukunftsorientierten Tiroler Energiepolitik entscheidende Bedeutung zukommt. Pumpspeicherwasserkraftwerke sind die Geschwister der Wind- und Sonnenkraft geworden.