Bereits zum dritten Mal hat der Open-Source-Anbieter Red Hat seine Partner sowie Kunden in Österreich eingeladen, sich über aktuelle technische Entwicklungen zu informieren und auszutauschen. Um dem merkbaren Trend zu Cloud-Software in heimischen Unternehmen gerecht zu werden, wurde im Oktober 2017 eine offizielle Österreich-Niederlassung gegründet. Am Rande des Red Hat Forums hat Report(+)PLUS den Geschäftsführer und ehemaligen Microsoft-Manager Udo Urbantschitsch zum Gespräch gebeten. (+) plus: Erhebungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass mittelständische Unternehmen relativ wenig Bewusstsein für die Digitalisierung haben. Ist das Ihrer Meinung nach immer noch der Fall? Udo Urbantschitsch: Das verändert sich. Das Thema Digitalisierung ist bei unseren Kunden omnipräsent, es gibt einen regen Zustrom. In meiner Rolle bin ich für das gesamte Land verantwortlich und daher drei bis vier Tage beim Kunden, dadurch bekomme ich sehr viel mit. Die meisten Kunden von Red Hat sind Digital Explorers: Sie wissen, dass etwas getan werden muss, bloß nicht so genau, wie. Daher werden wir immer öfter eingeladen, auch unternehmenskulturell zu begleiten und zu beraten. Das trifft auch auf Unternehmen zu, für die diese Richtung vor fünf Jahren überhaupt noch nicht denkbar war. Auch sie sagen heute tendenziell: Das probieren wir aus. Man zögert weniger. (+) plus: Können Sie da konkrete Beispiele nennen? Urbantschitsch: Ein schönes Beispiel ist Porsche Informatik, die ja auch beim diesjährigen Red Hat Forum mit einem Anwenderbeitrag vertreten sind. Im Rahmen eines Strategieprojektes hat man Ende 2016 begonnen,Prozesse zu hinterfragen und sich im Zeichen der Digitalisierung neu aufzustellen, und zwar von der kleinsten Software-Zeile bis hinauf ins Management. Das hätte auch schiefgehen können, war aber sehr erfolgreich. Daran sieht man: Nicht nur internationale Vorzeigeunternehmen in Sachen Digitalisierung können das, Stichwort Uber, Netflix oder AirBnB – nein, auch in Österreich funktioniert das. Generell ist am österreichischen Markt eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber Open Source Software zu spüren. Produkte, die dem Open-Source-Gedanken folgen, haben einen höheren Stellenwert. Früher war eher das Gegenteil der Fall. (+) plus: Ein großer Stolperstein für die Digitalisierung in österreichischen Betrieben war bisher oft das mangelnde Budget. Ist das aus Ihrer Sicht noch immer so? Urbantschitsch: Ab und zu ist das schon noch ein Problem, aber aus meiner Sicht ändert sich die Lage. Früher war Red Hat ein Infrastrukturlieferant, da sollte alles immer möglichst billig sein. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass durch Digitalisierung neue Geschäftsfelder erschlossen werden können, dadurch sind Unternehmen auch gewillt, mehr zu investieren. IT ist zum Wertschöpfungstreiber für Unternehmen geworden. (+) plus: Es ändert sich also die Perspektive? Urbantschitsch: Genau, denn man sitzt als Unternehmen quasi auf einem digitalen Schatz, der oft einfach nicht geborgen wird. Österreich hat da einen schlechten Ruf, von uns wird gesagt, dass wir nicht gerade Early Adopter sind was Digitalisierung angeht. Das ist aber eine Verallgemeinerung. Man nehme zum Beispiel die öffentliche Verwaltung: Die E-Card ist für uns eine Selbstverständlichkeit. In vielen anderen europäischen Ländern ist so eine Art der Verwaltung dagegen noch Zukunftsmusik. Da dürfen wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Bild: Red Hat Forum 2017. (+) plus: Warum sollte ein Unternehmen auf Open Source Software setzen? Wie unterstützen sie die Unternehmen? Urbantschitsch: Die großen technologischen Innovationen der letzten Jahre sind in letzter Konsequenz meistens im Open-Source-Bereich passiert. Für uns ist dies der einzig richtige Weg, um Software zu entwickeln und Innovation voranzutreiben. Als Unternehmen investieren wir einen großen Teil unseres Gewinns in Entwickler, die für die Öffentlichkeit schreiben. Wir sehen uns auch als Katalysator für Open Source und glauben, dass wir damit für unsere Kunden einen großen Vorteil bieten können. Allerdings ist Open Source alleine nicht unbedingt das richtige Betriebsmodell, aber sehr wohl das richtige Entwicklungs- und Innovationsmodell. Über die Open Source Community haben wir die Chance, Innovation zu treiben die wir durch unsere Kraft alleine nie erreichen könnten. (+) plus: Wie sollten Unternehmen die Digitale Transformation angehen, haben Sie da ein paar Tipps? Urbantschitsch: Diese Frage stellen uns heute viele Kunden. Der erste Schritt ist immer, dass ein Entscheidungsträger im Unternehmen den Handlungsbedarf erkennt. Dann muss antizipiert werden, dass die Digitalisierung ein Prozess ist. Meiner Erfahrung nach scheitern die meisten Digitalisierungsprojekte daran, dass alles von heute auf morgen gehen soll. Diese Grätsche ist nicht schaffbar. Mein Tipp daher: Man braucht einen Power Sponsor im Unternehmen, einen Entscheidungsträger. Oft werden auch Innovationskeimzellen gebildet: Einzelne Mitarbeiter aus dem Tagesgeschäft erarbeiten neue Themen. Man muss aber auch den Mut zur Veränderung haben. (+) plus: Man könnte also sagen, die Problematik geht weg von fehlender Hard- und Software und hin zu Fragen der Unternehmensstruktur und -kultur? Urbantschitsch: Absolut. Ein neues Tool allein kann nicht alle Probleme lösen. In einem Digitalisierungswandel, der doch sehr viele Veränderungen beschreibt, muss man sich vorher überlegen, wohin man will und wie das Unternehmen neu strukturiert werden muss. Auf diesem Weg begleiten wir unsere Kunden. Und da reden wir noch nicht von Technologie – die kommt erst später.