Mängel im Brandschutz bestehen in nahezu jedem Wohngebäude. Um Brandrisken zu minimieren, braucht es effiziente Präventionsmaßnahmen. Für diese kann nicht allein der Hauseigentümer Verantwortung übernehmen. Jeder Hausbewohner trägt Selbstverantwortung. Von Karin Legat.Familie Seiser wohnt in einer mehrgeschoßigen Genossenschaftsanlage und ärgert sich. Immer wieder werden Treppenabsätze und Kellergänge von Hausbewohnern als Abstellplatz für nicht mehr benötigtes Inventar verwendet. Und in ebenso regelmäßigen Intervallen übernimmt eine Entsorgerfirma die Beseitigung von in die Jahre gekommenen Haushaltsgeräten, Stühlen und Kästen. Ausrangierte Wohnungsobjekte bilden nicht nur eine optische Belästigung, sie bedeuten laut der Risikoberatungsfirma Risk Experts Risiko Engineering vor allem einen sicherheitstechnischen Mangel. »Wir sehen bei unseren Objektbesichtigungen immer wieder verstellte Gänge, verkeilte Feuertüren, Ölkanister und Altreifen im Keller, ›vergessene‹ leicht entzündliche Pakete wie Packmaterial, Papier oder Matratzen und fahren in verrauchten Aufzügen«, berichtet Johannes Vogl, Senior Consultant. »Im Notfall wird der Einsatz von brandhemmenden und brandlöschenden Maßnahmen dadurch oft erschwert, wenn nicht sogar verhindert«, zeigt er das Risiko auf. Jedem Hausbewohner müsse klar gemacht werden, dass er mit seinem Verhalten nicht nur andere Personen, sondern auch seine eigene Sicherheit gefährdet. »Das ist im mehrgeschoßigen Wohnhaus, unabhängig von Miet- oder Eigentumsverhältnissen, nicht so einfach«, ergänzt Vogl. In öffentlichen Einrichtungen oder in Hotels sei das leichter, da meist die Zuständigkeiten klar geregelt sind und der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften mehr Beachtung geschenkt wird.Die fehlende Bereitschaft zu effizientem Brandschutz ist mit ein Grund, wieso das zertifizierbare Brandschutzmanagementsystem (BMS) von Risk Experts, das gemeinsam mit dem Brandschutzexperten NORIS und dem TÜV AUSTRIA entwickelt wurde, derzeit vorrangig auf Hotels, Gewerbe und Sozialeinrichtungen ausgerichtet ist. »BMS ist natürlich auch für den mehrgeschoßigen Wohnbau geeignet. Man muss aber erst Bauträger finden, die die nötige Sensibilität aufweisen und auch bereit sind, Geld für den Brandschutz in die Hand nehmen zu nehmen.« Hausherren würden durch BMS mehrfach profitieren, etwa durch eine unabhängige, objektive Bewertung der Immobilie sowie durch einen unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt erstellten Katalog für organisatorische, technische und bauliche Maßnahmen zur Optimierung des Brandschutzes. Eine drei Jahre gültige Zertifizierung belohnt BMS-Nutzer, hilft beim Abwehren von Haftungsansprüchen und ermöglicht eine bessere Verhandlungsbasis bei Versicherungskonditionen.Brandursachen»Brandrisken haben die Eigenschaft, dass diese nicht einer ›Klientel‹, also einer Bauausführung zugeordnet werden können«, stellt Branddirektor Gerhard Greßlehner vom Österreichischen Feuerwehrverband fest. Erfahrungsgemäß kann dennoch eine Zuordnung zu Wohngebäuden getroffen werden. So zählen etwa Blitzschlag, offenes Feuer, Elektrizität, Brandstiftung und Explosion zu den häufigsten Brandursachen im Wohnbau. Im vergangenen Jahr hat die Feuerwehr laut Statistik 21.851 Kleinbrände, 1.962 Mittelbrände und 876 Großbrände gelöscht. 19 % davon entfallen auf Wohngebäude. Für die Vermeidung entstehender Schäden gibt es genügend brandschutztechnische Einrichtungen am Markt. Je nach Gebäudegröße werden Feuerlöscher angeboten, Brandfrüherkennungsgeräte, automatische Brandmeldeanlagen, Blitzschutzanlagen, Druckknopfmelder, Sprinkleranlagen, Schaum-, Pulver-, Gas-, CO2-Löschanlagen, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Überdruckbelüftungsanlagen, Feuerwehr-Bedienfeld, Schlüsselbox und Schlüsselsafe für Türschlüssel, Steigleitungen sowie Einrichtungen zur automatischen Brandabschnittsbildung.Entscheidend für die Funktionalität sind periodische Überprüfungen. Tragbare Feuerlöscher müssen alle zwei Jahre kontrolliert werden. Jährlich betroffen sind Steigleitungen, Wandhydranten, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Brandmeldeanlagen und Brandfallsteuerungen. Blitzschutzanlagen müssen alle fünf Jahre und nach jedem Blitzschlag gecheckt werden. Notbeleuchtungen sind monatlich auf ihre Funktion zu überprüfen. Generell muss der Eigentümer bzw. die Hausverwaltung der gesetzlichen Verpflichtung zur Instandhaltung der Gebäude nachkommen. In kleineren Gebäuden übernimmt meist der Hausmeister die Überwachung und Umsetzung des Brandschutzes. In Wohngebäuden ohne technische Brandschutzeinrichtungen ist ab 2.000 m² Gesamtwohnfläche, 500 m² je Stiege oder bei mehr als vier zusammenhängenden Stiegen bei einer Gebäudehöhe von mehr als elf Metern ein/e Brandschutzbeauftragte/r einzusetzen. Für Wohngebäude mit technischen Brandschutzeinrichtungen muss zusätzlich ein/e Stellvertreter/in ernannt werden. Stufenbau ist notwendigDie entsprechenden Gesetze, Verordnungen und Normen sind in viele Bereiche aufgegliedert. »Die Rechtslage ist sehr komplex, aber der Stufenbau aus Gesetzen, Verordnungen und dem Stand der Technik notwendig«, erklärt Wolfgang Thoma, Leiter des Referats Bauphysik beim Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) das umfangreiche Brandschutzregelwerk aus Technischen Richtlinien für den vorbeugenden Brandschutz (TRVB), OIB-Richtlinien und Normen. Dazu kommt, dass neben der alten nationalen Klassifizierung nun auch vermehrt die europäische Klassifizierung des Brandverhaltens und des Feuerwiderstandes aus der europäischen Normenserie EN 13501 anzuwenden ist. »Es besteht der Wunsch der Anwender und Politiker nach leicht lesbaren und dünnen Gesetzen.Brandschutz in einer schlanken Richtlinie unterzubringen, ist aber nicht möglich«, erläutert Thoma. »Es bedarf daher der Vielfalt an Regelwerken, um die unterschiedlichen Regelungstiefen abzudecken.« Um parallele Systeme zu vermeiden, steht das OIB bei der Erarbeitung seiner Richtlinien in engem Kontakt mit dem Bundesfeuerwehrverband und den Brandverhütungsstellen als TRVB-Ersteller einerseits und dem Arbeitsinspektorat als für den Brandschutz in Arbeitstätten Verantwortlichen andererseits. In Wien, Vorarlberg, im Burgenland, in der Steiermark und in Tirol sind die OIB-Richtlinien mittlerweile in Gesetzesrang gehoben. Kärnten steht vor der Umsetzung. Oberösterreich, Salzburg und Niederösterreich bilden das Schlusslicht. »Brandschutz ist Ländersache und bedeutet damit neun unterschiedliche Regelungen Wir können aber schon zufrieden sein, früher gab es bis zu 16 Bauordnungen«, erinnert sich Baumeister Friedrich-Werner Oswald. »Die OIB-Richtlinien wurden geschaffen, um eine Harmonisierung in die österreichische Vielfalt der bau- und brandtechnischen Bestimmungen zu bringen. Sie regeln Brandverhalten, Dämmschicht, Eindeckung von Steildächern, Abdichtung von Flachdächern, Feuerwiderstand, Ausbreitung von Feuer und Rauch innerhalb eines Bauwerks sowie auf andere Bauwerke, Flucht- und Rettungswege sowie die Brandbekämpfung. In der Praxis scheitert die Umsetzung leider oft daran, dass Landeshauptleute nicht gern Kompetenzen aus der Hand geben«, erklärt Oswald, der in 13 ÖNORM-Ausschüssen die Interessen der Bundesinnung Bau und der Bauindustrie Österreich vertritt. >> Baustoffe im Feuertest: Beton und Holz- Beton, Stahlbeton, Gipskartonplatten, Schaumglas und z.B. Silikatplatten haben laut Bauexperten beste brandtechnische Eigenschaften. Beton ist unbrennbar, Stahlbeton unterliegt sehr hohen Schmelztemperaturen. Im großvolumigen Wohnbau zählt laut Baumeister Friedrich-Werner Oswald der Kosten-Nutzen-Faktor. Die Entscheidung fällt daher in den meisten Fällen für den kostengünstigeren Beton mit Wärmedämmmaßnahmen. Beton kann unter besten Voraussetzungen für Fundamente, Wände, Stützen, Balken und Decken eingesetzt werden. Mit den neuen europäischen Richtlinien ergeben sich für Beton neue Forschungsarbeiten.- Für Holz gibt es laut Martin Teibinger von Holzforschung Austria definierte Abbrandgeschwindigkeiten. Diese liegen je nach Rohdichte des Holzes zwischen 0,5 und 0,65 mm/min. Das Brandverhalten alleine sei aber nicht maßgebend, die Gesamtkonstruktion entscheidet über einen guten Brandschutz. »Hoher Feuerwiderstand eines Bauteiles ist bei nicht abgeschotteten Durchdringungen oder mangelhaften Einbauten nutzlos. Auch bei hinterlüfteten Fassaden konnte nachgewiesen werden, dass richtig gesetzte konstruktive Maßnahmen wichtiger sind als eine alleinige Betrachtung der Brennbarkeit der Bekleidung.« Zum Brandverhalten von Holz gibt es seit Jahren intensive Forschungsarbeit. 2010 wurde etwa das EU-Projekt FireInTimber rund um Brandschutz von Holzkonstruktionen erfolgreich abgeschlossen. Die Ergebnisse sind in der europäischen Guideline »Fire safety in timber buildings« nachzulesen. 2004 wurden im Rahmen eines Projektes unter österreichischer Beteiligung in Deutschland Naturbrandversuche von Holzfassaden durchgeführt. An der Technischen Universität Wien wurde vor kurzem in einer Dissertation der Feuerwiderstand von Stahlholz-Verbundelementen analysiert. 2007 hat die Stadt Wien eine Machbarkeitsstudie zum mehrgeschoßigen Holzwohnbau in Auftrag gegeben. Aktuell werden in einem Projekt der Holzforschung Austria Untersuchungen zu Einbauten von Abschottungssystemen, Lüftungsklappen und Rohr- sowie Elektrodurchführungen in Holzkonstruktionen durchgeführt. Die Ergebnisse werden Anfang 2012 in einem Planungshandbuch publiziert. »Unser Institut betreibt angewandte Forschung«, charakterisiert Teibinger.>> Risikofaktor Brandüberschlag:Aufgrund von Öffnungen in der Gebäudehülle besteht bei einem Vollbrand die Gefahr eines Brandüberschlages auf darüber liegende Geschoße. Bei zerstörten Verglasungen können die Flammenspitzen unabhängig von der Bauweise bis zum übernächsten Geschoß reichen. »Diese Tatsache unterstreicht die Wichtigkeit der Feuerwehren bzw. von Sprinkleranlagen in Hochhäusern«, zeigt Martin Teibinger von Holzforschung Austria auf. »In Philadelphia war die Feuerwehr 1991 bei einem Brand in einem Hochhaus mit 38 Stockwerken machtlos. Erst eine Sprinkleranlage konnte den Brand nach acht Geschoßen beenden. Dabei sind Sprinkleranlagen nur für die Eindämmung, nicht aber für das Löschen von Vollbränden ausgelegt.«