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Für die älteren Rektoren war es eine Irritation

Eva Blimlinger kämpft als Rektorin der Akademie für bildende Kunst um mehr Geld und Platz. Die streitbare Diskutantin ist der Öffentlichkeit auch aus der Berichterstattung rund um die Rückgabe von Raubkunst bekannt. Was ihre Familiengeschichte damit zu tun hat und warum ihr Verwaltung so viel Spaß macht, erzählt sie im Report(+)PLUS-Interview.

(+) Plus: Was haben Sie sich für die zweite Amtsperiode als Rektorin vorgenommen?

Eva Blimlinger: Ich möchte gemeinsam mit meinen beiden Vizerektorinnen die begonnenen Schwerpunkte fortführen. Das sind die Stärkung der künstlerischen Forschung, die Absicherung der bestehenden Studienrichtungen und der Bereich »third mission«, wo die Akademie mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen Projekte entwickelt. Mit der Caritas haben wir zum Beispiel bei »magdas Hotel«, das gegenüber unseres Bildhauerateliers liegt, kooperiert. Lehrende der Akademie arbeiten dort mit minderjährigen Flüchtlingen, Studierende haben die Zimmer gestaltet. Diesen Bereich wollen wir noch stärker ausbauen. Wir verhandeln im Herbst mit dem Ministerium die Leistungsvereinbarung für die Periode 2016 bis 2018. Von diesen Mitteln hängt es ab, ob wir über den bestehenden Betrieb hinaus weiterhin solche und andere Akzente setzen können.

(+) Plus: Ist die Autonomie der Universitäten unter diesem Aspekt eher Fluch als Segen?

Blimlinger: Wären wir wie früher eine nachgeordnete Dienststelle, wäre es auch nicht anders. Der Geldmangel ist ein notorisches Problem. Die Grundausstattung wird ausgehungert. Die Universitäten sollen jetzt nach der sogenannten »Effizienzklausel« drei Prozent ihrer bisherigen Ausgaben einsparen: Wir bekommen das Geld, jedoch nur, wenn wir Bestehendes beenden und für neue Projekte verwenden. Vieles funktioniert aber gut, da wäre es sogar sinnvoller, mehr zu investieren. Wenn man die Vollkosten von Einzelprojekten durchrechnet, ist das sicher nicht günstiger, als in die Grundstruktur zu investieren.

(+) Plus: Wie unabhängig können Sie tatsächlich agieren? Die Gebäude gehören ja der Bundesimmobiliengesellschaft, das Personal sind Bundesbedienstete.

Blimlinger: Nur mehr ein kleiner Prozentsatz sind Bundesbedienstete, die anderen werden nach Kollektivvertrag bezahlt. Der finanzielle Spielraum ist gering. Aus dem Finanzministerium kommen auf dem Reißbrett entworfene Pläne, die in dieser Weise nicht umsetzbar sind. Der Großteil der universitären Budgets fließt in Personal und Mieten. Der Rest ist so wenig, dass sich drei Prozent Einsparung nicht ausgehen können.

(+) Plus: Lässt sich Kunst »wettbewerbsfähig und zukunftsorientiert« gestalten, wie es im Regierungsprogramm für den Bereich Wissenschaft und Forschung als Ziel formuliert wurde?

Blimlinger: Die Akademie ist international absolut anerkannt. Die Zukunftsorientierung liegt bei uns schon im Gegenstand, weil Kunst sich generell dem Zukünftigen stellt. Das sind Schlagworte, die vielleicht für Unternehmen notwendig sind. Universitäten müssen nicht Gewinne machen, sondern so weit wettbewerbsfähig sein, dass sie angesichts der chronischen Unterdotierung ihre Grundlagen halten können.

(+) Plus: Österreich bezeichnet sich gerne als Kulturnation. Trifft das angesichts der niedrigen Budgets überhaupt zu?

Blimlinger: Das ist Österreich schon noch. Gerade weil Kultur eine der wichtigen Botschaften des Landes ist, würden wir uns aber mehr Unterstützung erhoffen. Auch die Stadt Wien ist den Wiener Universitäten gegenüber nicht sehr spendierfreudig.

(+) Plus: Die Uni-Proteste hatten 2009 an der Akademie für bildende Künste ihren Ausgang genommen. Warum konnten kaum Forderungen umgesetzt werden?

Blimlinger: Letztlich hängt sich die Diskussion immer nur am Geld auf, ohne Strukturfragen zu klären. Der österreichische Hochschulplan wird seit langem angekündigt, dazu braucht es eine breite Diskussionsbasis. Weil die nächsten Leistungsvereinbarungen anstehen, werden aber schnell 17 Papiere produziert, deren Sinn nicht erkennbar ist. Im ÖVP-Parteiprogramm steht etwa, dass die Universitäten autonom über Studiengebühren entscheiden sollen. Das wäre ein Verabschieden aus der politischen Verantwortung. In einem so kleinen Land kann ich diese Frage doch nicht den einzelnen Universitäten überlassen. In manchen Studienrichtungen ist schon das Wechseln innerhalb Österreichs schwierig, weil die Studienpläne nicht kompatibel sind. Da reden wir vom europäischen Hochschulraum und man kann nicht einmal von Wien nach Innsbruck wechseln.

(+) Plus: Viele PolitikerInnen waren in ihrer Studienzeit selbst in der Hochschulpolitik aktiv, scheinen das als Regierungsmitglieder aber vergessen zu haben. Fühlen Sie sich im Stich gelassen?

Blimlinger: Mein Verdacht ist, dass sich diese Leute nur deshalb in der Unipolitik engagiert haben, um vorrangig ihre spätere politische Karriere voranzutreiben, weniger wegen der Anliegen der Studierenden oder der Universität.

(+) Plus: Sieben der 21 Universitäten in Österreich werden inzwischen von Frauen geleitet. Sind Sie mit den anderen Rektorinnen vernetzt?

Blimlinger: Es gibt keinen eigenen Frauenclub in der Universitätenkonferenz. Für die älteren Rektoren war es anfangs aber schon eine Irritation. Mittlerweile hat sich der Gewöhnungseffekt eingestellt. Jüngere Männer sind nachgerückt, denen ist die Zusammenarbeit mit Frauen auch selbstverständlich. Ohne Hochschulautonomie gäbe es wahrscheinlich noch immer keine Rektorin. Bis 2002 konnte nur ein Ordinarius der Universität – niemand von außen – Rektor werden. Ich habe keine klassische akademische Karriere, das ist auch gar nicht notwendig. Das Rektorat ist heute eine Managementfunktion. Dafür ist eine Habilitation nicht erforderlich, sondern Kenntnisse in Finanzen, Personal und Verwaltung.

(+) Plus: Sie sind auch stark in der Provenienzforschung engagiert. Gibt es in Österreich inzwischen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass viele Kunstwerke widerrechtlich in Museen und Sammlungen gelandet sind?

Blimlinger: Ja, den gibt es aus meiner Sicht. Natürlich gibt es auch negative Postings, die wird es aber immer geben. Österreich ist das einzige Land mit einem Kunstrückgabegesetz und erhält dafür international große Anerkennung. Unsere ProvenienzforscherInnen sind sehr profiliert und im Ausland als ExpertInnen gefragt.

(+) Plus: In der Öffentlichkeit werden nur die spektakulären Fälle bekannt. Wie viele Stücke konnte die Kommission bereits zurückgeben?

Blimlinger: Insgesamt sind es seit 1998 rund 35.000 Objekte. Da ist von Büchern über Autos bis zum Durchlauferhitzer, ausgestopften Tieren und Bildern alles dabei. Der Durchlauferhitzer war beispielsweise Teil einer Sammlung der Gaswerke. Man hält es ja nicht für möglich: Die Nazis haben tatsächlich in Wohnungen Durchlauferhitzer »arisiert«. In den 90er-Jahren ging die Sammlung ans Technische Museum und wurde dann überprüft. Immer wieder werden Erben nach Wien eingeladen und manche überlassen die Objekte zum Beispiel als Dauerleihgabe den Museen. Da bedarf es einer sehr feinfühligen Kommunikation. Fälle wie der Beethovenfries sind etwas schwieriger, weil schon aufgrund des Wertes die Öffentlichkeit größer ist. Wir entscheiden aber über kleine genauso umsichtig wie über große Fälle und forschen sehr akribisch nach.

(+) Plus: Was halten Sie von Vergleichen mit den Erben, wie sie beispielsweise das Leopold Museum für Werke mit problematischer Herkunft verhandelt?

Blimlinger: Nichts. Ich bin sicher, dass man in 30 Jahren wieder dieselbe Debatte hat, ob der Vergleich unfair war. Im Kunstrückgabegesetz ist deshalb keine Vergleichsmöglichkeit vorgesehen. Die Preise des Kunstmarktes unterliegen einer gewissen konjunkturellen Fiktionalität. War die Vergleichssumme zu niedrig angesetzt, wenn ein ähnliches Bild zwei Jahre später einen vielfachen Erlös erzielt? Gibt man das Werk zurück, können die Erben damit machen, was sie wollen. Die Frage ist dann endgültig geklärt.

(+) Plus: Wie viel Arbeit liegt noch vor Ihnen?

Blimlinger: Es gibt Museen, von denen wir in ein, zwei Jahren vorläufige Schlussberichte erwarten. Zum Beispiel im Belvedere wurde bereits systematisch der gesamte Bestand durchgearbeitet und klassifiziert. Im Theatermuseum wird das noch Jahrzehnte dauern. Das ist ein sehr kleinteiliges Museum, quasi jeder Zettel wurde archiviert. Es gibt dort Nachlässe aus den 1990er-Jahren, die aufgrund des fehlenden Personals noch nicht einmal geöffnet wurden.

(+) Plus: Ist Ihr Interesse in Ihrer Familiengeschichte begründet?

Blimlinger: Eigentlich mehr in meiner Schulzeit. Sicher ist mir das Thema auch von zu Hause vertraut, das wurde mir aber erst später bewusst. Der Großvater war im KZ, meine Großmutter und meine Mutter in der Emigration in Zagreb – das war für mich nichts Besonderes. Als Kind glaubt man halt, es ist ganz normal, wenn die Tanten aus New York zu Besuch kommen. Wird man älter, sieht man erst, dass die meisten Familiengeschichten völlig anders verlaufen sind.

(+) Plus: Könnten Sie sich eine politische Karriere wie Ihr Bruder vorstellen?

Blimlinger: Jetzt mach ich einmal das. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Mir macht Verwaltung Spaß. Ich glaube, dass man hier in Verbindung mit Inhalten gute Rahmenbedingungen für KünstlerInnen, WissenschafterInnen und Studierende schaffen kann.


Zur Person:

Eva Blimlinger wurde 1961 als Tochter eines Schrotthändlers und späteren Trafikanten in Wien geboren. Ihr Großvater Josef Gerö hatte die KZs Dachau und Buchenwald überlebt und wurde nach dem Krieg Justizminister. Ihr Bruder Thomas ist seit 2001 grüner Bezirksvorsteher in Wien-Neubau. Blimlinger studierte Geschichte und Germanistik an der Universität Wien und arbeitete zunächst als Gleichbehandlungsbeauftragte der Rektorenkonferenz. Von 1992 bis 1999 leitete sie das Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule für angewandte Kunst. Anschließend war Blimlinger als Forschungskoordinatorin der Historikerkommission tätig, bis sie 2004 als Leiterin der Projektkoordination Kunst- und Forschungsförderung an die »Angewandte« zurückkehrte. 2011 wurde sie Rektorin der Akademie der bildenden Künste und 2014 für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt. Daneben ist Blimlinger wissenschaftliche Koordinatorin der Kommission für Provenienzforschung sowie stellvertretende Vorsitzende des Kunstrückgabebeirats. 2006 erhielt sie den Willy und Helga Verkauf-Verlon-Preis für antifaschistische Publizistik. 

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