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Energiezukunft für heimische Wirtschaft

(Foto: Energie AG OÖ) Die Summe der Steuern und Abgaben an die Haushalte ist doppelt so hoch wie die Fördersumme, die die Windkraftbetreiber erhalten. (Foto: Energie AG OÖ) Die Summe der Steuern und Abgaben an die Haushalte ist doppelt so hoch wie die Fördersumme, die die Windkraftbetreiber erhalten.

Die Transformation der Stromnetze und der Ausbau der erneuerbaren Energien stellen die Wirtschaft vor große Herausforderungen in den kommenden Jahren. Der Wandel stärkt das gute Gewissen, bringt handfeste Kosteneinsparungen und eröffnet lukrative Geschäftsfelder.

 

Mit Jahresbeginn wurden bei Hofer die Stromschalter umgelegt. Seit heuer werden die 440 Filialen, Bürogebäude und Lager des Diskonters über ein Ökostromangebot von Naturkraft gespeist. Auch wenn Strom streng genommen kein Mascherl hat – das Angebot der Energie-Allianz-Tochter stammt hundertprozentig aus heimischen Kleinwasserkraftwerken, Windkraft, Biomasse- und Photovoltaikanlagen. Mitte Jänner lancierte die auf Öko eingestellte Lebensmittelkette auch ein Ökostromprodukt in ihren Regalen und stieß dabei auf großes Interesse. 1.200 Verträge mit dem Hofer-Partner oekostrom AG waren bereits am ersten Tag zu Mittag verkauft. Bei der oekostrom laufen seitdem die Telefone heiß, haben die Wiener doch auch mit einer Legende aufräumen können. »Grünstrom ist kein Luxus. Wir bieten allen Haushalten saubersten Strom aus Österreich an«, bekräftigt oekostrom-Vorstand Horst Ebner. Laut dem Stromtarif-Kalkulator der E-Control ist der Hofer-Preis exklusive Einmalrabatten der Anbieter auf jeden Fall einen Vergleich wert. Die Aktion ließ den Kalkulator glühen. Über 10.000 informierten sich noch am Wochenende vor Angebotsstart zu Preisen und Wechselmöglichkeiten. Das ist Wasser auf den Mühlen des Regulators: »Wir erwarten durch den Verkauf von Ökostrom über den  Lebensmitteleinzelhandel eine Belebung des Wettbewerbs, was bitter nötig ist«, kommentiert Energieregulator Martin Graf die Kooperation. Österreich hat bei Strom eine der niedrigsten Wechselraten in Europa, reklamiert Graf. Durch die Aktion sei nun eine höhere Aufmerksamkeit für das Produkt Ökostrom geschaffen worden.

>> Aufwind für Windkraft <<
Auftrieb erhält die heimische Szene der alternativen Stromerzeuger auch durch die Verlängerung der Förderregimes für die Abnahme des erzeugten Stromes durch die Netzgesellschaften der großen Energieversorgungsunternehmen (EVU). Im Jahr 2003 war das erste Ökostromgesetz in Kraft getreten, als Basis für einen wirtschaftlich argumentierbaren Ausbau von Ökostromanlagen. Mit dem aktuellen Ökostromgesetz von 2012 ist nach einer kurzen Zeit des Stillstandes nun wieder die Basis für einen weiteren Ausbauschub gegeben. Auch wenn Organisationen wie die Arbeiterkammer gegen den jährlichen Beitrag von heuer durchschnittlich 55 Euro Ökostromzulage pro Haushalt wettern, die Branche ist sich der positiven wirtschaftlichen Auswirkungen für Konsumenten und Steuerzahler bewusst. So fordert Stefan Moidl, Obmann der Interessensgemeinschaft Windkraft, eine breite volkswirtschaftliche Betrachtung ein. Mehr als 100 österreichische Unternehmen sind Lieferanten für Hersteller von Windkraftanlagen am internationalen Markt und sorgen mit einem Exportvolumen von 450 Millionen Euro für eine positive Handelsbilanz. Der sauber erzeugte Windstrom liefert einen Beitrag zum Klimaschutz. Im vergangenen Jahr konnten dadurch in Österreich 1,8 Mio. Tonnen CO² eingesparten werden. Österreich gäbe dagegen jährlich 11 Milliarden Euro für Energieimporte aus, argumentiert man in der Szene. »Allein bei Öl und Gas betrugen insgesamt die Importkosten 2011 bereits mehr als 8 Milliarden Euro. Wir müssen daher alles daran setzen, die Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern möglichst rasch reduzieren zu können«, fordert Josef Plank, Vorstand der Branchenverbands Erneuerbare Energie Österreich. »Die Förderung der Windkraft zahlt sich für den Staat aus«, rechnet auch Moidl vor, »denn die Summe der Steuern- und Abgabenzahlungen an öffentliche Haushalte ist doppelt so hoch wie die Fördersumme, die die Windkraftbetreiber erhalten.« Grundsätzlich würden in Europa Atomenergie und Kohlekraftwerke fünfmal so viel gefördert werden wie der Strom aus Erneuerbaren. Österreichweit sind derzeit 1.378 Megawatt Leistung in Windkraftanlagen verbaut. Sie produzieren Strom für knapp 5 % des heimischen Verbrauchs. 2013 sollen weitere 420 MW hinzukommen und der Anteil im Strommix auf 6,5 % steigen. Der positive Wind, welcher der Branche derzeit entgegenschlägt, bleibt auch auf europäischer Ebene nicht unbemerkt. So findet die jährlich stattfindende Leitmesse EWEA heuer erstmals im Februar in Wien statt.

>> Vision: 24 Stunden Sonne <<
Was der Wind für die Windmüller ist, bedeutet die Sonne für die Photovoltaikbranche: eine unbegrenzte Energiequelle. Die Vision einer sauberen Zukunft, in der erneuerbare Energien automatisierte Gebäude, smarte Städte und den Individualverkehr speisen, haben nicht nur Birkenstockträger und Grünwähler. Rund um die Energiewende entstehen lukrative Wirtschaftszweige. Auch manches etablierte Unternehmen sieht nun die richtige Zeit für seine Produkte kommen. Martin Hackl ist Leiter der Sparte Solarelektronik bei Fronius. Das oberösterreichische Unternehmen beschäftigt sich seit 1945 mit Technologien für die Umwandlung elektrischer Energie. Heute ist man Marktführer bei Batterieladesystemen und Wechselrichtern. »Wir glauben, dass es möglich ist, dass Europa seine elektrische Energie zu 100 % selbst erzeugt«, meint Hackl und erklärt sein Ziel anhand einer Schautafel im Foyer der neu errichteten Vertriebszentrale in Wels. »Sonne, Wind und Wasser werden die wesentlichen Säulen der Energieversorgung sein. In einer dezentralen Energieerzeugung werden die Stromnetze in einem Smart Grid stärker miteinander kommunizieren«, führt er aus. Elektromobilität im innerstädtischen Verkehr, Brennstoffzellen und Wasserstoffantriebe für längere Wegstrecken – der Speicherung von elektrischer Energie bekommt in diesem Kreislauf eine bedeutende Rolle, die derzeit technisch noch ungelöst ist. Die Zahl der Pumpspeicherkraftwerke ist auch in Österreich begrenzt, und herkömmliche Batterien bieten noch nicht jene Effizienz, die für verlustarme Speicherungen nötig ist. Doch auch daran arbeiten die Österreicher.

>> Speichermöglichkeit von Energie <<
Mit der OÖ. Ferngas eröffnete Fronius Ende 2012 eine Forschungsanlage in Haid. Sie speist aus Sonnenenergie gewonnenen Wasserstoff in das Erdgasnetz ein. Über ein Power-to-gas-Verfahren wird erneuerbare Energie transportfähig und speicherbar gemacht. Dabei wird mittels Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespaltet. Bei der anschließenden Methanisierung wird der Wasserstoff mit Kohlenstoffdioxid zusammengeführt. Aus dieser Reaktion entsteht Methan: künstlich hergestelltes Erdgas. Das Verfahren gelingt auch im Kleinen, wie Fronius mit einer Energiezelle, die für Einfamilienhäuser ausgelegt ist, zeigt. Herrscht gerade kein Bedarf an Strom aus den Solarmodulen am Dach, wird über die Elektrolysefunktion der Energiezelle Wasser in Sauer- und Wasserstoff zerlegt. Der Wasserstoff wird in herkömmlichen Gasflaschen gespeichert – und bei neuerlichem Bedarf über eine Brennstoffzelle wieder in Strom rückgewandelt.

>> Energieautarke Firmengebäude <<
Sobald emissionsfreie Energie dauerhaft und praktikabel nutzbar wird, ist der Weg auch für eine eigenständige Versorgung von Gebäuden mit Strom und Wärme frei. Zunehmend beginnen sich auch in Österreich Unternehmen mit dem Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens zu beschäftigen. Sei es aus Kostengründen, aufgrund eines Imagegewinns oder aus tatsächlicher Überzeugung – letztlich sind die Motive für eine neue Energiewirtschaft unerheblich. Was zählt, ist die Umsetzung. Fronius demonstriert seine visionäre Geschäftsstrategie im Selbstversuch und eröffnete im Herbst 2012 mit dem neuen Standort in Wels ein architektonisches Vorzeigeprojekt. Der Active Energy Tower wird dank Aktiv-Energiebauweise, Photovoltaik und Geothermie gänzlich CO2-neutral beheizt und gekühlt. Die Fassade des Turms dient gleichzeitig der Beschattung und thermischen Isolierung des Gebäudes. Und sie erzeugt gleichzeitig Energie: Glasfassadenelemente der Amstettner ertex solar liefern eine Leistung von 38,3 kW. Am Dach produziert eine Photovoltaikanlage des Kärntner Herstellers Kioto zusätzlich 12,6 kW. Der Produktions- und Logistikstandort in Sattledt wird gar durch eine 615 kW PV-Anlage unterstützt. Ein Biomasseheizwerk deckt 80 Prozent des Wärmebedarfs. »Wenn sicherlich auch noch lange nicht Fabriken autark mit erneuerbarer Energie betrieben werden können, bei Firmengebäuden lässt sich das bereits heute realisieren«, ist Martin Hackl überzeugt.

>> Weitere Netzinvestitionen <<
Auch Siemens forscht an Technologien zur Umwandlung von Strom in Gas. Darüber hinaus entwickelt der Konzern Turbinen, die in Gas- und Dampfturbinenanlagen mit reinem Wasserstoff betrieben werden können. 2014 sollen die ersten Prototypen vorgestellt werden. »Die Speicherthematik ist der missing link bei der Energiewende. Siemens bietet Energiespeicherlösungen unter anderem zur Stabilisierung von Verteilnetzen mit einem hohen Anteil an dezentralen erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen an, die Schwankungen bei keinem Wind oder keiner Sonne innerhalb von Millisekunden bereits im Netz abfangen«, erklärt Eveline Steinberger-Kern, Leiterin des Bereichs Energy für Zentral- und Osteuropa bei Siemens. »Und zwar ohne in die Steuerung von Kraftwerken einzugreifen – denn das hat ja immer Verluste bei der Effizienz oder höhere Kosten zur Folge.« Steinberger-Kern sieht hinsichtlich der Energiewende bereits viele Fortschritte in Europa gesetzt. Klar sei aber, dass erneuerbare Energiequellen effizienter und wettbewerbsfähiger gemacht werden müssen, »durch ein breites Commitment von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft«.

Dass gerade in den Verteilnetzen der heimischen E-Wirtschaft gewaltige Investitionen nötig sind, zeigt alleine der Investbedarf bei dem Energieversorger Salzburg AG. 50 Millionen Euro sind heuer für die Netzinfrastruktur inklusive der Modernisierung von Umspannwerken, Mittel- und Niederspannungsleitungen veranschlagt. Das ist mehr, als die Salzburger in die Erzeugung stecken: Knapp 47 Mio. fließen 2013 in den Ausbau und die Modernisierung von Kraftwerken.
Gesamt kostet den Österreichern die Förderung von Ökostrom 350 bis 400 Millionen Euro jährlich. Hinzu kommen Investitionen der EVU in die Verteilnetze und konventionelle Kraftwerke, die bei Netzschwankungen in Reserve betrieben werden. Für oekostrom-Geschäftsführer Horst Ebner ist es dennoch zu spät für Kompromisse: »Wir müssen jetzt handeln und die Nutzung von Sonne, Wind und Wasser massiv ausbauen. Es kann nicht sein, dass wir die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder riskieren, weil wir zu faul sind, alte Gewohnheiten abzulegen.«

Last modified onDienstag, 29 Januar 2013 15:18
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