Apples iPad und Amazons Kindle haben einiges gemeinsam: Ihre Hersteller bewachen eifersüchtig ihr eng abgestecktes Revier. Das Nachsehen haben die Käufer. Auf den ersten Blick scheint es nicht so, doch Apple und Amazon verbindet etwas Wesentliches. Beide sind Marktführer in einem rasant wachsenden, für viele Mitbewerber noch verdächtigen Bereich: dem Handel mit digitaler Unterhaltung. Apples iTunes hat vorgemacht, was die ihre Kunden mit Vorliebe verklagende Musikindustrie noch immer bekämpft: dass der Handel mit digitaler Musik nicht nur funktioniert, sondern trotz angeblich geschäftszerstörender Gratismentalität höchst rentabel ist. Und Amazon prescht als Anbieter von eBooks auf ein Gebiet vor, dem Verlage, Autoren und Gesetzgebung noch um Jahre hinterherhinken – so schafft man Monopole, die die nächsten Jahre bestimmen werden. Den Preis für die Verteidigung dieser lukrativen ummauerten Gärten und spezialisierten Insellösungen zahlt der Kunde – er bekommt Geräte, die ihm nur bedingt selbst gehören.Am TablettFür die einen, die dem Designkult rund um die Firma mit dem Apfel fanatisch anhängen, ist auch das iPad, die Ende Januar vorgestellte Neuheit von Apple, ein Meilenstein in der Geschichte der Consumer-Elektronik. Für die anderen, die dem oft schon etwas sektenhaft anmutenden Kult um Steve Jobs und seine Lifestyle-Gadgets eher fassungslos gegenüberstehen, ist der mit viel Getöse präsentierte Tablet-PC ein schlechter Witz: kein Multitasking, bescheidene Akkuleistung, fehlende Anschlussmöglichkeiten, kurzum: ein zu groß geratenes iPhone, mit dem man nicht einmal telefonieren kann. Apples Vision ist eine andere: Das Geschäft soll in Zukunft mit Content gemacht werden – das iPad ist nur die Plattform dafür.Apple bietet nur zum Schein mit seinem stylischen Tablet die Light-Version eines Personal Computers, auf dem Entertainment, Textverarbeitung und Web ihren Platz finden sollen. Was noch wichtiger sein wird: Das iPad soll eine Plattform für Verlagen und Zeitungen werden, die seit Jahren nach einem vernünftigen Weg suchen, Zeitungsabomodelle im Netz zu etablieren. Was Apple mit dem iPad außerdem verkauft, ist die Ausweitung des eingemauerten Apple-Gartens auf den Bereich alltäglicher Computernutzung – wer zuhause mal eben seine Mails beantworten, im Web recherchieren oder Musik und Filme konsumieren will, kann sich, so die unterschwellige Botschaft, auf Sicht eigentlich den dicken Desktop-Rechner oder das im Vergleich sperrige Notebook sparen.Verlockende FalleNicht umsonst gilt das Bonmot, dass Apple-Produkte »einfach funktionieren«, als wichtiges Kaufargument, vom Mac bis zum iPhone. Was dabei unter den Tisch fällt, ist der Preis, der für dieses scheinbar mühelose Funktionieren gezahlt wird: Apple ist der ultimative Gatekeeper, der seinen ummauerten Garten voll und ganz im Griff hat. Von iTunes bis hin zum App-Store vermarktet Apple seine überaus profitablen proprietären Insellösungen mit dem Argument des Kundennutzens. Die Entscheidungsfreiheit, die dem Nutzer dabei über sein selbst gekauftes Gerät aus der Hand genommen wird, wird von den wenigsten tatsächlich vermisst. Apples Kritiker sehen deshalb den Vorstoß des iPads ins Personal Computing als düsteren Vorboten einer möglichen Zukunft, in der offene Filesysteme, freie Entwickler und Auswahlmöglichkeiten bei Soft- und Hardware der Vergangenheit angehören und ein Quasi-Monopolist über alles entscheidet, was der Nutzer mit »seinem« PC tatsächlich anstellen darf. Kein Wunder, dass statt dem relativ offenen MacOS X das Betriebssystem des iPhones auf dem Tablett zum Einsatz kommt – dass Apple wenig Interesse an unautorisiertem Basteln hat, zeigt sich täglich an der rigorosen Selektion, die im App-Store für das Apple-Telefon für die Massen stattfindet, eine traditionelle Betriebssystemstruktur bietet da allzu viele Einfallschneisen.Die Konkurrenz, die keine istWährend nach Apples Präsentation die eigentliche Konkurrenz – Microsoft und Google einerseits, Hardware-Hersteller wie Acer andererseits – mit abwartender Gelassenheit reagierten, kämpft ein unwahrscheinlich erscheinender Mitbewerber an anderer Front mit Problemen, die nur auf den ersten Blick unterschiedlich aussehen. Amazons Kindle, der schmucklose eBook-Reader im eigentlich dem iPad verwandten Format, trägt den Kampf um seine ebenfalls proprietäre Architektur nämlich nicht nur mit den Nutzern, sondern auch mit den Content-Lieferanten aus. Erst Ende Januar hatte Amazon sämtliche Bücher des großen amerikanischen Verlagshauses Macmillan aus dem Angebot entfernt, da ein Streit zur eBook-Preispolitik eskaliert war. Macmillan triumphierte – und darf die Preise seiner Bücher nun auch in elektronischer Form selbst bestimmen. Während der Handel mit Inhalten – von Musik bis zu Apps – für Apple (momentan) nur das höchst lukrative Nebengeschäft ist, ist es bei Amazon genau umgekehrt: Man sieht sich vor allem als Buchhändler und schafft sich mit seiner Plattform Kindle den Markt für elektronische Bücher einfach selbst. Der Erfolg gibt Amazon Recht: Trotz ähnlicher Unkenrufe wie bei Apples iPad wegen technischer Schwächen ist der Kindle ein Weltbestseller, der weit vor der spärlichen Konkurrenz den entstehenden eBook-Markt dominiert. Die Herausforderungen beider Geräte sind dieselben: Oberste Prämisse ist es nämlich, das Vertriebsmodell zu sichern und die allzu kopierfreudigen Nutzer zum Kaufen zu animieren – und da passt eine offene Struktur nun gar nicht ins Konzept.Kunden in HandschellenDas Resultat ist beim Kindle eine DRM-Struktur (Digital Rights Management), die den Leser in gewisser Weise enteignet: Im Unterschied zu handfesten Büchern aus Papier lassen sich die bei Amazon erworbenen eBooks nicht weiterverleihen oder gar wiederverkaufen, und Amazon behält sich sogar das Recht vor, bereits erworbene Bücher vom Gerät des Nutzers zu löschen – Selbstbestimmung sieht anders aus. De facto kann also von »Kauf« nur bedingt die Rede sein – wie immer öfter bei Software muss also eigentlich von einer sehr eingeschränkten »Nutzungslizenz« für ein einziges Endgerät gesprochen werden. Die Kundenwünsche sind, so scheint’s, nur von sekundärer Bedeutung: Viele Käufer würden sich über ein handliches Lesegerät auf ePaper- oder OLED-Technologiebasis mit langen Akkulaufzeiten freuen, mit dem sie bei Bedarf auch im Internet surfen oder Emails verschicken könnten. Die Logik der eifersüchtigen Rechteinhaber und der auf Profit bedachten Insellösungsverwalter macht diesem frommen Technikwunsch bislang einen Strich durch die Rechnung. Der Kindle ist trotz technischer Voraussetzungen nicht wirklich internetfähig und durch DRM gefesselt und das iPad setzt auf akkufressendes buntes Design und Nutzungseinschränkungen, um Apples iTunes- und Apps-Gärten nicht zu gefährden. Der Überlebenskampf der Rechteinhaber um ihre »angestammten« Pfründe wird also nach wie vor auf dem Rücken des Konsumenten ausgetragen – bis ein cleverer Konkurrent aus Fernost die Kundenwünsche erkennt. Hoffentlich dauert das nicht mehr allzu lange – denn Marktmacht schafft Tatsachen.