Nach dem Cargo-Bereich bekommen die ÖBB auch im Personenverkehr private Konkurrenz. Wo die Bahn hinfährt und wo Prellböcke stehen. Manchmal sieht ein Erbe nicht ganz so aus, wie man sich das vorstellt. Auch die Hinterlassenschaft von Ex-Bahnchef Martin Huber hat ein paar kleine Schönheitsfehler. Dass Huber nach einer gütlichen Einigung jetzt Konsulentenverträge und Erfolgsprämien bei Gericht einklagt, ist für die ÖBB nicht nur lästig, sondern auch pikant, weil sich Beobachter fragen, wodurch Hubers Erfolgsprämie eigentlich begründet ist. Wirklich bitter ist für Bahnchef Peter Klugar und seinen Finanzchef Josef Halbmayr jedoch die Hinterlassenschaft von Huber-Intimus Erich Söllinger. Halbmayr gilt als nervenstarker Profi, Eigenschaften, die er jetzt gut brauchen kann. »Er rennt ums Leiberl«, ist intern zu hören. Stolze 438 Millionen wird ÖVP-Mann Halbmayr als Rückstellung für umstrittene Derivatgeschäfte von Parteifreund Söllinger in der Bilanz 2008 verbraten, die Zahlen werden daher blutrot. Am meisten leiden dürfte darunter der Personenverkehr.Dort bleibt nicht nur ein Großteil der Derivat- und Cross-Border-Deals hängen, gleichzeitig stehen auch Investitionen an. Die Verluste bringen Wilhelm Haberzettl in Rage (siehe Hintergrund). »Mit den Verlusten aus dem Spekulationsdesaster hätte man acht Jahre Betrieb, Erhaltung und Instandhaltung finanzieren können«, so der mächtige ÖBB-Gewerkschafter. Bahnchef Peter Klugar erbt aber auch noch ein anderes Defizit: Wie schon Vorgänger Huber ist er ein »Kaiser ohne Land«. Die Erwartungshaltung an eine straffe Steuerung des Konzerns sind hoch, das Aktienrecht degradiert den Holding-Boss freilich zu einem besseren »Frühstücksdirektor«, dessen direkter Einfluss in den Töchtern auf strategische Vorgaben beschränkt ist. Die operative Führung liegt jedoch bei den Bereichsvorständen. Treffen in diesen Strukturen zwei starke Charaktere aufeinander, sind Reibereien beinahe schon vorprogrammiert.Soll und HabenGustav Poschalko ist ein mächtiger Mann. Eigentlich war Poschalko ein politisch akkordiertes Bauernopfer. Aber der »Gupo«, wie der erfolgreiche Manager intern tituliert wird, überlebte alle Junktimierungen und wechselte vom Cargo-Chef in die Holding. Als Vorstand soll er sich dort mit seinem RailCargo-Nachfolger Fritz Macher, ebenfalls ein allseits in der Branche anerkannter und respektierter Logistikprofi, einen Kleinkrieg liefern. Uneinigkeit besteht über die Restrukturierung der Speditionsholding, die nicht nur Poschalkos persönliches »Baby«, sondern auch ein Dickicht mit rund 120 GmbHs ist, das Macher jetzt entschlacken will. Abseits solcher Querelen stehen die Ampeln eigentlich auf Grün. Der Ölpreis liegt aktuell zwar darnieder, wird aber wie das Amen im Gebet wieder steigen. Nicht nur die Weißbücher der EU prophezeien – zumindest langfristig – ein Anwachsen der Bahnanteile am Güterverkehr.Auch LKW-Mauten dürften tendenziell nicht billiger werden, die Nachtfahrverbote nicht weniger, die Trucker-Ruhezeiten werden immer besser kontrolliert. Bereits jetzt profitiert etwa die Cargo-Tochter ÖKOMBI davon. Im Brenner-Verkehr entlastet die »Rollende Landstraße« die transitgeplagten Tiroler um rund 20.000 LKW-Fahrten pro Monat – Tendenz steigend. Aber die private Konkurrenz schläft im Güterverkehr nicht. Gut 30 Private beackern mittlerweile den Markt und fokussieren vor allem den profitablen Ganzzugsverkehr. Beispiele sind etwa die CargoServ aus dem Stall der voestalpine, die »richtig wehtut«, wie ein ÖBB-Manager einmal bekannte. Aber auch im Personenverkehr (PV) positionieren sich neue Konkurrenten. Bau-Tycoon Hans Peter Haselsteiner und Stefan Wehinger werden den ÖBB und ihren neuen Railjets ab 2011 Konkurrenz machen. Die WESTbahn zielt – Nomen est Omen – auf die profitable Strecke Wien-Salzburg ab. ÖBB-PV-Chefin Gabi Lutter will »jeden Konkurrenten ernst nehmen«.Neuer Gegenspieler auf der WestbahnLange hat Stefan Wehinger nicht gefackelt. Bis Ende September stand der Ex-ÖBB-Personenverkehrsvorstand seinem alten Aufsichtsrat noch zum Abschluss laufender Projekte zur Verfügung. Nur Tage später war Wehingers neue Beteiligungsgesellschaft im Firmenbuch eingetragen, rund ein Monat danach die Railholding AG, an der neben Wehingers Gesellschaft die Haselsteiner Familien-Privatstiftung mit 50 Prozent beteiligt ist. Nur drei Tage später wurden auf der Gründungs-Pressekonferenz die Details präsentiert: Die operative Railholding-Tochter WESTbahn Management GmbH wird dem ÖBB-Railjet auf der Strecke Wien–Salzburg Konkurrenz machen. Sieben hochmoderne Doppelstockzüge (siehe Foto) pendeln ab 2011 im Stundentakt und sollen Erste-Klasse-Komfort zum Kampfpreis bieten. Eine Erweiterung der Streckenführung nach München oder Bratislava ist denkbar.Hintergrund: Der "wilde Willi" ist sauerEigentlich ist der mächtige ÖBB-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl ein besonnener Mann. Selbst pechschwarze Aufsichtsräte bescheinigten ihm reihenweise Gesprächsfähigkeit, Konsensbereitschaft, Handschlagqualität und Bahnexpertise der Sonderklasse. »Der Einzige, der sich wirklich auskennt«, sagte einmal ein ÖVP-Grande unter der Hand. Aber wenn Haberzettl – das hat ihm den Kosenamen »wilder Willi« eingebracht – einmal grantig wird, bleibt kein Auge trocken. ÖBB-Strategiesitzungen hält er für »teilweise erschütternd«. So ein »Maß an blanker Ahnungslosigkeit« habe er »bisher selten erlebt«. Wirklich in Rage bringt ihn das »Spekulationsdesaster«. Mit diesen Verlusten hätte man »acht Jahre Betrieb, Erhaltung und Instandhaltung finanzieren können«. Die aktuelle Krise werde auch auf die ÖBB durchschlagen, die Bilanz daher ein »kleines Blutbad«. Holding-Boss Peter Klugar müsse jetzt Flagge zeigen. Vorrangig sei etwa die Zusammenführung der Infrastrukturgesellschaften, wo Haberzettl »höchsten Handlungsbedarf« ortet. Auch die Dienstleistungsgesellschaft (DLG) oder der Immo-Bereich müssten »jetzt schnell strategisch integriert werden«, um die Bahn erfolgreich in die Zukunft zu steuern. Das werde auch durch das Regierungsübereinkommen gedeckt. Und dann blitzt noch einmal der »wilde Willi« auf: Warum DLG-GF Franz Nigl als »Personalverantwortlicher immer noch herumrenne«, sei ihm »eigentlich nicht ganz klar«.