Alcatel-Lucent-Boss Harald Himmer warnt, den Faktor Breitband zu unterschätzen. Ob Festnetz oder Mobilfunk – das Wachstum von neuen Diensten passiert künftig im Schulterschluss. (+) plus: Was kann geschehen, wenn mangels regulatorischer Rahmenbedingungen kein Schulterschluss in Österreich im Infrastrukturausbau passiert?Harald Himmer: Die Problematik hier ist schleichend, da ein Wachstum der Breitbandzugänge ohnehin stattfindet. Das Thema Breitband ist nicht mehr aufzuhalten, lediglich die Frage der Geschwindigkeit der Zugänge stellt sich noch. Die Konsequenzen einer verfehlten Politik dazu sind dagegen klar: Auf die Informations- und Kommunikationstechnologie lassen sich mittlerweile 40 Prozent der jährlichen Produktivitätssteigerung in einer Volkswirtschaft zurückführen. 25 Prozent des Wirtschaftswachstums kommen im weitesten Sinne aus IKT-Investitionen. Eine geringere Breitbanddurchdringung ist damit ein Nachteil für jeden Wirtschaftsstandort. Und hier geht es nicht nur um die Haushalte, sondern auch die Möglichkeit für Unternehmen an Leitungskapazitäten zu gelangen.(+) plus: Alcatel-Lucent lieferte in Österreich mit einem Outsourcing-Projekt für einen Mobilfunkbetreiber bereits vor Jahren ein frühes Beispiel, dass das Kerngeschäft eines Mobilfunkers eigentlich nicht der Betrieb einer Infrastruktur, sondern Kundenservices und die Kreation von Produkten ist. Ist dies die Lösung am Ende des Tages: ein gemeinsames Netz für alle?Himmer: Es wird zwischen den technologischen Möglichkeiten und dem, was auf einem regulierten Markt erlaubt ist, immer Anpassungen geben – keine Frage. Anders als noch vor zehn Jahren, als jedes Unternehmen seine eigenen Glasfaserleitungen verlegen musste, stellen sich heute Investitionslust und auch Bedarf angesichts des harten Wettbewerbs in Österreich anders dar. Man hat nun festgestellt, dass Leitungskapazitäten sinnvoll gemeinsam genutzt werden können. Künftig ist zu erwarten, dass es zunehmend Wettbewerb in den Applikationen und Services der Provider geben wird. Doch sehe ich es als notwendig an, auch auf Infrastrukturebene Wettbewerb zu haben. Kooperationen, ja – aber nicht so extrem, dass ein einziges Netz für alle reichen würde. Mit einer einzigen Netzinfrastruktur wären wir doch wieder in einer Situation wie vor der Marktliberalisierung.(+) plus: In Österreich herrscht in dem hart umkämpften Markt eine weltweit einmalige Situation. Welche Chance hat das Festnetz gegenüber dem Shootingstar Mobilfunk?Himmer: Fest- und Mobilnetze werden immer nebeneinander existieren. Während es im Festnetz eine, mit anderen Ländern verglichen, durchschnittliche Breitbanddurchdringung gibt, ist derzeit der Mobilfunk für Wachstum verantwortlich. Mit den erfolgreichen mobilen Breitbandkarten wird natürlich der Wunsch nach Mobilität abgedeckt. Doch es wird auch wieder die Zeit des Festnetzes kommen und dort Wachstum geben. Breitband ist ja mit seinen Leistungsmöglichkeiten jedem mobilen Angebot überlegen. Klarerweise wird dann niemand seinen Mobilfunkanschluss wieder aufgeben. Dieser Abwanderungsstrom passiert stets nur in eine Richtung. Was aber am wichtigsten ist: Fest- und Mobilnetze zusammen erreichen in Österreich eine Breitbandpenetration von rund 80 Prozent. (+) plus: Was bringt dem Markt die Investition in ein Next-Generation-Network in Österreich? Sind die Leitungen nicht bereits schnell und billig genug?Himmer: Das Nutzerverhalten zeigt seit Jahren, dass immer mehr Netzteilnehmer zunehmend mehr Informationen austauschen. Es zeigt sich ein Breitbandbedarf – er verdoppelt sich jedes Jahr –, der abgedeckt werden muss. Im Next-Generation-Network wird es prinzipiell egal sein, auf welche Weise Daten übertragen werden. Das NGN ist ein All-IP-Netzwerk, in dem die Datenströme über jede Infrastruktur einheitlich verwaltet werden können. Fakt ist: An IP geht kein Weg vorbei. Der Siegeszug des Internet-Protocol lässt sich anhand von drei Wellen erklären. Zunächst war IP ein Thema, um PCs und Laptops mit dem Internet zu vernetzen. In einer zweiten Welle ging es um Connectivity und Breitbandbedarf an jeder erdenklichen Stelle - auch mobil und etwa im vernetzten Haushalt. Im „Digital Home“ sind auch Fernseher, Haushaltsgeräte und Alarmanlage über die Datenleitung verbunden. Und nun stehen wir vor der dritten Welle, des Einzugs von IP tief in die Kernnetze, die Backbones der Provider.