Die Türkei gilt als Geheimtipp mit enormem Potenzial. Während Mittel- und Osteuropa noch immer an den Folgen der Krise laborieren, legte die türkische Wirtschaft 2010 um 8,9 Prozent zu. Es muss nicht immer China sein: Die Türkei gilt unter Investoren als Geheimtipp und risikoarme Alternative zu Asien.Vom Urlaubsland zum Wirtschaftswunderland: Während die meisten europäischen Staaten noch an den Folgen der Wirtschaftskrise laborierten, machte die Türkei weitgehend unbemerkt einen beachtlichen Sprung nach vorne. Das Wirtschaftswachstum – schon zwischen 2002 und 2008 konstant bei plus 6 Prozent – legte nach einem kleinen Absacker im Krisenjahr 2009 im Vorjahr um 8,9 Prozent zu. Damit verzeichnete die Türkei hinter China das zweitstärkste BIP-Wachstum aller G20-Staaten und den stärksten Wirtschaftsaufschwung in Europa. Kein Wunder, dass der vormals arme Staat am Bosporus nun in einem Atemzug mit den BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China genannt wird.Unter Experten gilt das Land an der Schnittstelle zwischen Orient und Okzident schon länger als Geheimtipp mit großem Entwicklungspotenzial. Mit 73 Millionen Einwohnern weckt der ewige EU-Anwärter Hoffnungen quer durch alle Branchen. Vor allem der Hunger nach westlichen Konsumgütern ist nahezu unstillbar – die türkische Mittelschicht ist erwacht. Denn mit dem Wachstum stieg auch der Wohlstand: In den letzten zehn Jahren hat sich das BIP pro Kopf auf 9.400 Euro verdreifacht. Österreich profitiert von dieser Entwicklung enorm: 2010 importierte die Türkei Waren im Wert von mehr als einer Milliarde Euro aus der Alpenrepublik. Im Gegensatz zu Osteuropa reicht es aber nicht, bloß am Markt präsent zu sein: Türkische Kunden sind jung – das Durchschnittsalter beträgt 28 Jahre. Sie wollen umworben und überzeugt werden.75 Prozent der Bevölkerung leben in Städten mit hohen Einwohnerzahlen. In den Ballungszentren schießen Einkaufszentren wie Schwammerl aus dem Boden. Allein in Istanbul wurden vier von sieben Shopping Center neu eröffnet, hier wie auch in Ankara ist bereits eine Sättigung von 210 Quadratmetern vermietbare Fläche pro 1000 Einwohner erreicht. Trotzdem ist der Bau-Boom noch nicht am Ende. »Es gibt in der Türkei nach wie vor Städte mit Hunderttausenden Einwohnern, welche über kein oder nur ein sehr eingeschränktes Angebot an modernen Shoppingflächen verfügen«, erklärt Alexander Budasch, Geschäftsführer der Immobilienrating GmbH. >> Starke Präsenz > Aufholbedarf Diplomatische Verstimmungen Business-Knigge:Jedes Land hat seine kulturellen Besonderheiten. In der Türkei ist die Pflege persönlicher Beziehungen der Schlüssel zum Erfolg, meint Unternehmensberater Caglayan Caliskan:> Die Investition in persönliche Beziehungen ist wahrscheinlich in keinem bürokratischen System wichtiger als im türkischen. Manchmal kann ein kurzes Telefonat eines höheren Amtsträgers mit dem zuständigen Beamten schon ein kleines Wunder bewirken und die bis dahin unlösbar erscheinende Angelegenheit wird innerhalb von Minuten erledigt. Bei den ersten behördlichen Kontakten in der Türkei ist die Einschaltung lokal tätiger Dienstleister allein aus diesem Grund besonders empfehlenswert. > In der türkischen Businesswelt ist es besonders wichtig, bei geschäftlichen Anlässen eine ausgesprochen gepflegte Erscheinung an den Tag zu legen. Eine zu legere Kleidung wird manchmal als fehlende Wertschätzung gegenüber dem Gesprächspartner interpretiert und baut unnötige Hürden auf. Als verlässliche Orientierungshilfe gilt die Devise »im Zweifel lieber overdressed«.> Wenn Sie eingeladen sind, versuchen Sie nicht , die Restaurantrechnung zu übernehmen, dies wird Ihr Gastgeber nicht zulassen. Auf jeden Fall wird es als beleidigend aufgefasst, wenn Sie Ihren eigenen Teil der Rechnung begleichen wollen – dies ist in der Türkei unter dem abfälligen Namen »alman usulü« (= nach deutscher Art) bekannt und gilt als ziemlich unschicklich.> Anstatt wie in Europa üblich gleich auf den Punkt zu kommen und die zu erledigende Sache anzusprechen, ist es ratsam, sich in der Kommunikation mit Türken deutlich länger mit Beziehungsaufbau aufzuhalten und über die Person selbst mehr zu erfahren. Das geht natürlich nicht nur einseitig, auch Ihre türkischen Ansprechpartner wollen von Ihnen Persönliches erfahren. Denn die persönliche Beziehung ist den Türken wichtiger als die Sache selbst.> Verhandeln wie im Basar entspricht heute nicht mehr der Businessetikette in der Türkei, jedoch sind dessen Spuren bei jeder Begegnung deutlich erkennbar. Vor allem wollen türkische Verhandlungspartner wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Die Distanz zu verringern, ist daher besonders wichtig, bevor die eigentliche Verhandlung beginnt. Das kann mitunter auch etwas länger dauern.>> Buchtipp: Çaglayan Çaliskan: Wirtschaftspartner Türkei, Verlag Redline Wirtschaft, 2007