Die US-Arbeitsmarktdaten für September sind überraschend schwach ausgefallen. Die Anzahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze (non-farm) kam mit 142.000 deutlich unter den Erwartungen bei 203.000 herein. Der Wert für August wurde von 173.000 auf 136.000 revidiert. Noch deutlicher fiel die Enttäuschung bei den neuen Jobs im privaten Sektor aus: Erwartet wurden 195.000, geschaffen wurden 118.000. Der Wert für August wurde von 140.000 auf 100.000 korrigiert.
Die Aktienkurse gingen nach Veröffentlichung zunächst auf Tauchstation, Euro/Dollar stieg deutlich an, Gold gewann deutlich an Wert. Im späteren Handelsverlauf drehte sich das Bild, der S&P 500 schloss mit einem Tagesgewinn von 1,4% bei gut 1951. Ausschlagebend waren wohl Hoffnungen auf eine deutliche Verschiebung der Zinswende. Lag am Vortag die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts im Dezember nach Fed-Funds-Futures noch bei 42%, so liegt sie jetzt bei 33%. Vor einem Monat lag der Wert bei 36%.
Der jährliche Zuwachs der neu geschaffenen Stellen im non-farm-Bereich liegt per September noch bei knapp 2%, der höchste Wert seit 2008 wurde im Februar mit +2,34% erreicht. Das dürfte vermutlich das zyklische Topp sein. Die Trendabschwächung seitdem ist zwar noch gering, aber eindeutig. Schaut man sich die Struktur der neu geschaffenen Arbeitsplätze an, so ergibt sich, dass im privaten Sektor 69.000 unter und 49.000 über dem Medianwert des durchschnittlichen Stundenlohns entstanden sind (Chartquelle).
Dieses Bild ist nicht neu, es charakterisiert die Erholung des Arbeitsmarkts seit einigen Jahren und zeigt, dass die Mittelklasse als DER Träger wirtschaftlicher Prosperität zerrieben wird.
Arbeitsmarktdaten sind nachlaufende Indikatoren. Ein deutliches Warnzeichen kommt von der US-Industrieproduktion. Sie zeigt schon seit Jahresbeginn Schwäche, ihr Jahreszuwachs hat sich seitdem von 4,5% auf 0,9% reduziert.
Ein weiteres ernst zu nehmendes Zeichen liefert der ISM-Index der US-Fertigungsindustrie. Er ist im September von 51,1 auf 50,2 abgerutscht und liegt damit knapp über der bei 50 verlaufenden Scheidelinie zwischen Expansion und Kontraktion. Vor einem Jahr hatte der Index noch bei 58 notiert.
Das Bild bei den wichtigsten Komponenten dieses Stimmungs-Indexes macht es nicht besser. Der Auftragseingang kommt mit 50,1 auf dem tiefsten Stand seit August 2012 herein, der Auftragsbestand erreicht magere 41,5, der Beschäftigungsindex ist von 51,2 auf 50,5 zurückgefallen. Auch wenn das verarbeitende Gewerbe in den USA nur ein Fünftel der Wirtschaft ausmacht, so gilt dieser Sektor doch als führender Indikator für die Gesamtwirtschaft. Nicht auf jedes Abtauchen des ISM-Index unter 50 folgt eine Rezession, aber es gibt umgekehrt keine, wo er nicht im Kontraktionsmode war.
Der Index der Industrieproduktion zeigte in 2013 über weite Strecken schwache Zuwächse im Jahresvergleich, der ISM-Index bewegte sich zwischen August 2012 und März 2013 an der Grenze zu Kontraktion. Der aus der Preisentwicklung verschiedener Finanzmarkt-Assets gewonnene „Macro-Markets Risk Index“ (MMRI – näheres siehe hier!) zeigte zwischen September 2012 und März 2013 eine leicht erhöhte Rezessionswahrscheinlichkeit.
Aktuell zeigen alle drei Zeitreihen zugleich ein eingetrübtes Bild, das kam in der gesamten Zeit seit Herbst 2009 nur im Frühjahr 2013 vor. Deutlich erschwerend kommt hinzu, dass auch von Bonds und Zinsen mittlerweile nachhaltig ungünstige Signale ausgesendet werden.
Es ist somit das Zusammentreffen einer ganzen Reihe von einzelnen Warnzeichen, die die aktuelle Situation auszeichnet. In diesem Zusammenhang kommt dem TED-Spread eine besondere Bedeutung zu. Er zeichnet die Differenz zwischen dem drei-Monats-Libor in Doller und der Rendite der 13-wöchigen TBills (IRX) nach und notiert mittlerweile deutlich über dem Stand vom Frühjahr 2013 etwa so hoch wie Mitte 2012. Damals war der Trend abwärts, jetzt ist er aufwärts gerichtet, was zunehmendes „Misstrauen“ der Banken untereinander anzeigt.
Der IRX ist auch alleine punktuell interessant etwa im Vergleich mit der Entwicklung des S&P 500. Zwischen Mitte Juli und Mitte August stieg der IRX deutlich an und indizierte damit, dass Liquidität vom kurzfrist-Parkplatz verschoben wurde. Wohin? Da in diese Zeit eine volatile, schon leicht abwärts gerichtete Phase unter dem Rekordhoch des S&P 500 fiel, liegt die Vermutung nahe, dass Kursstütze betrieben wurde. Mit dem Einbruch bei Aktien fiel auch der IRX zurück – Liquidität wanderte zum Parkplatz zurück. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der gestrige Kurssprung zum Handelsende beim S&P 500 zusammenfiel mit einem weiter sinkenden IRX. Dies ist nicht unbedingt ein Zeichen besonderen Vertrauens der großen Akteure.
In der nächsten Woche startet die Saison der Quartalsberichte. Die Unternehmensgewinne werden für das dritte Quartal mit –4,2% im Jahresvergleich sinkend erwartet. Das wäre ein sechs-Jahres-Tief. Wenn die wirtschaftliche Lage schon ausgeprägt schlecht wäre, könnte man erwarten, dass eine Anzahl von Akteuren auf eine künftige Verbesserung der Gewinnentwicklung wettet. Da dies aber nicht so ist, sondern eine Wachstumsverlangsamung erst begonnen hat, fehlt es da etwas an Phantasie, selbst wenn die Schrumpfung der Gewinne am Ende geringer ausfallen sollte als jetzt erwartet. Außerdem kann die Bewertung von Aktien keineswegs als günstig gelten, zumal sie mit allerlei Tricks wie Aktienrückkäufen, häufig auch noch auf Pump, frisiert worden ist.
Die wirtschaftliche Entwicklung verliert (auch) in den USA zunehmend an Schwung. Die aktuelle Situation zeichnet sich dadurch aus, dass eine ganze Reihe von einzelnen Warnzeichen aus unterschiedlichen Ecken der Wirtschaft zusammenkommen. Zudem wird eine deutliche Schrumpfung der Unternehmensgewinne im dritten Quartal erwartet.
Ergänzung:
Über die jüngsten vier Monate ist die Arbeitslosenquote zwar von 5,3% auf 5,1% gesunken, die Zahl der Beschäftigten aber ist insgesamt nur um 5.000 angestiegen. Der folgende Chart zeigt auf Basis der Unterlagen des “Bureau of Labour Statistics” (BLS), dass die Zahl der Beschäftigten in den USA im September gegenüber August um 236.000 zurückgegangen ist, die Arbeitslosenquote ist hingegen unverändert geblieben (Chartquelle). Der Berechnung liegt ein anderer Ansatz zugrunde, daraus ergeben sich Unterschiede zu den oben gezeigten Zahlen.