Welche sicherheitstechnischen Anforderungen gelten für ein Gebäude aus der Jahrhundertwende? Wer haftet für die Gefahr für Leib und Leben im Zusammenhang eines Bauwerks aus der Sichtweise des Strafrechts und aus der Sichtweise des Zivilrechts? Antworten lieferte eine hochkarätig besetzte Veranstaltung der Archinoa ZT Gmbh Mitte Mai im Palais Coburg. Anhand der Veränderung der Sicherheitsstandards von Stiegenhäusern beginnend von der Bauordnung für die k. k. Reichshaupt bis zur letztgültigen Baurechtsnovellen der Wiener Bauordnung unter Einbeziehung der OIB Richtlinien wurde die Fragestellung nach den derzeit gesetzlich geforderten Sicherheitsstandard von Bestandsgebäuden aufgeworfen. Die rechtlichen und technischen Grundlagen sowie die strafrechtliche und zivilrechtliche Haftung im Zusammenhang mit der Gebäudesicherheit wurden bei einer Nachmittagsveranstaltung der Archinoa ZT Gmbh mit einem Team bestehend aus Richtern und Sachverständigen diskutiert. Aufwendige Vorbereitung Während Thomas Kralik von der Kanzlei DLA Piper die strafrechtliche Seite durchleuchtete, wurde die Sichtweise der ersten und zweiten Gerichtsinstanz von Daniela Tassul, Richterin des Handelsgerichts Wien, vertreten. Michael Bydlinski repräsentierte als Richter des Obersten Gerichtshofs die Sichtweise des Höchstgerichtes. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung war der Dialog zwischen den unterschiedlichen Gerichtsinstanzen mit ausreichend Spannung behaftet und es wurde schnell klar, dass dieses Thema auch für die Gerichtsinstanzen eine gewisse Herausforderung darstellt. In einer dreimonatigen Vorbereitungszeit wurde dieses Thema auf Basis bestehender Judikatur, der gesetzlichen Rahmenbedingungen des ABGB, WEG, Wiener Bauordnung etc. als auch der technischen Vorschriften und der Ö-Normen aufgearbeitet und der Versuch unternommen, die Rechtsunsicherheit für Hauseigentümer und Hausverwalter zu minimieren bzw. einen Weg aus der Haftung aufzuzeigen. Nach der Klärung der deliktischen und den Besonderheiten der vertraglichen Haftungen widmete sich die Diskussionsrunde den verantwortlichen Beteiligten und der Bedeutung der Normen im Blickpunkt der oberstgerichtlichen Judikatur. Frage der Haftung Bei der Erstellung des Bauwerksbuches bzw. der ON B1300 werden im Regelfall vorgegebene Listen abgearbeitet. Dass dies jedoch haftungstechnisch nicht ausreichend ist, ist nicht nur in der Norm festgehalten, sondern ist auch das Ergebnis der Expertenrunde. Weiters wurde klargestellt, dass die rechtliche Notwendigkeit der Objektsicherheitsüberprüfung auch schon vor der Einführung der ON B1300 bestanden hat und somit diese Normierung der notwendigen Maßnahmen lediglich eine Orientierung zur ständigen Judikatur darstellt. Die Notwendigkeit der Nachrüstung von Bestandsgebäuden ließ einen gewissen Interpretationsspielraum offen, jedoch wurden die in Artikel III der Wr. Bauordnung gelisteten Maßnahmen jedenfalls als zwingend erachtet. Darunter subsumieren sich nicht nur die Absturzsicherungen, sondern auch die Bereiche über die Ausbreitung von Feuer und Rauch, die Erfordernisse für Rettung und Löscharbeiten im Brandfall, Abgase von Feuerstätten, Niveau und Höhe der Räume sowie das Thema der Kamine im Zusammenhang unterschiedlicher Gebäudehöhen. Warum der Verweis in Artikel III dabei auf die Verordnung der Techniknovelle vor 2007 abzielt, ist unklar. Hier ist jedenfalls zu hinterfragen, ob die Beseitigung der Erstickungsgefahr durch Kaminabgase nicht dem aktuellen Stand der Technik zu entsprechen hat. Die Folgen wären jedenfalls weitreichend, da sämtliche bestehenden Kamine, die sich innerhalb eines Radius von zehn Metern zu Fenstern und Türen befinden, drei Meter über die Sturzoberkante der letzten Wandöffnung zu führen wären. Wenn keine Feuermauern vorhanden wären, würden somit Antennenmasten ähnliche Hochzüge von Rauchfängen die Folge sein. Dies stellt nicht nur einen hohen finanziellen Aufwand dar, sondern bringt auch technische Herausforderungen mit sich. Auch dem Stadtbild wäre eine solche Entwicklung nicht unbedingt zuträglich. Der ständigen Judikatur des Zivilrechts folgend stellt sich die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit während das Strafrecht diesbezüglich wieder eigene Maßstäbe ansetzt. Straf- vs. Zivilrecht Last but not least stellt sich natürlich die Frage, wer in die Haftung genommen wird. Das Strafrecht verfolgt explizit die Person, bei der die Verantwortung liegt, und nimmt in die Betrachtung nur mehr eine eventuelle Verbandsklage oder das strafrechtliche Auswahlverschulden hinzu. Im Zivilrecht wird zwischen der vertraglichen und der deliktischen Haftung unterschieden. Die vertragliche Haftung entsteht aus dem Vertrag selbst und beinhaltet die vertraglichen- und Nebenpflichten sowie Schutz- und Sorgfaltspflichten. Aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wurde die Besonderheit der Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313a ABGB aufgezeigt: »Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes.« Sowie die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB. Die Ö-Norm B1300 regelt die Pflichten Objektsicherheitseinteilung hinsichtlich der technischen Objektsicherheit, Gefahrenvermeidung und Brandschutz, Gesundheits- und Umweltschutz sowie Einbruchschutz und Schutz vor Außengefahren. Dabei wird auf die erhöhte Schutzwürdigkeit von Kindern, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen hingewiesen, was sich auch in der Judikatur widerspiegelt. Neben der Aufzählung der Risiken wird auch noch auf die Vorsorge- und Erhaltungspflichten, die organisatorischen Pflichten sowie Kontroll- und Überwachungspflichten und die Adressaten eingegangen. Wie vom Expertenteam festgehalten, wird die Gerichtsbarkeit die Richtlinien als Stand der Technik in kommenden Verfahren berücksichtigen, jedoch befreit die reine Einhaltung der Ö-Norm B1300 nicht von der Gesamtverantwortung. Es wird daher wesentlich auf die Auswahl des Sachverständigen ankommen, denn die Dokumentation von Abweichungen des Istzustandes gegenüber den derzeit gesetzlichen Anforderungen verschiebt nur das Problem zum Hausverwalter beziehungsweise zum Eigentümer. Die Einschätzung etwa, wie mit einem Stufenverhältnis von 18,5/27 umzugehen ist, muss irgendwann getroffen werden. Während ein bei der Veranstaltung anwesender Sachverständiger die Ansicht vertrat, dass das gesamte Stiegenhaus zu erneuern wäre, wurde dem entgegengehalten, dass erst kürzlich eine Einreichung eines solchen Stufenverhältnisses in einem Bestandsgebäude nach §68 der Wiener Bauordnung bewilligt wurde. Es geht daher weniger um das Aufzeigen von Mängeln, sondern vielmehr um die notwendige Fachkompetenz, Mängel zu qualifizieren und eine den Gesetzen und der Judikatur entsprechende Gebäudesicherheit zu schaffen. Hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen und wer der Meinung ist, sich lediglich die Dokumentation günstig erstellen zu lassen, wird spätestens bei der Umsetzung der Maßnahmen ein Vielfaches dessen bezahlen oder, schlimmer noch, in eine strafrechtliche oder zivilrechtliche Verantwortung kommen.