Es gibt sie noch, die letzten Paradiese. Aber für wie lange? Es ist ein majestätisches Schauspiel, wie es nur der Blaue Planet anzubieten hat: Langsam versinkt der glühendrote Ball der Abendsonne in den Wellen des Pazifiks, und eine schwüle, heiße Nacht beginnt an den paradiesischen Stränden des kleinen mittelamerikanischen Landes. Hier, in Panama, zeigt sich das Wunder des Lebens von seiner beeindruckendsten Seite. Die Seevögel verstummen, und der Dschungel hinter dem Strand schreit mit tausend Stimmen in die Nacht. Doch es ist nicht nur der Lärm von Millionen Insekten und der melancholische Paarungsruf des Nasenbrüllaffen, der das sanfte Plätschern des Meeres übertönt. Leise, dann immer lauter hört man es: ein Platschen, ein Klimpern, ein Knistern. Ein vorsichtiges Schnüffeln, das aus dem Ozean ans Land dringt, zuerst nur vereinzelt, dann hundert-, nein: tausendfach. Sie kriechen aus dem Meer, wälzen sich in kleinen Gruppen auf den warmen Strand. Hier liegen sie, verschnaufen. Doch dann geht es an die Arbeit dieser Nacht – und vieler anderer Nächte. Denn auch heute sind es die scheuesten und faszinierendsten Geschöpfe, die hierherkommen, um ihr Wertvollstes im weichen Sand zu vergraben – ihr Geld. Es sind massive Kolosse darunter. Investmentbanker, gewaltig wie Walrosse; Politiker, scheu und aalglatt glänzend im Mondlicht; ganze Rudel von Anwälten in schimmerndem Nadelstreif; Industrielle und Geistliche, erschöpft von der langen Reise. Doch dort! Ein Kampf bricht aus, kurz, aber heftig. Ein mächtiger Aristokrat zankt mit einer Gruppe von Drogenbossen um ein besonders sicher scheinendes Plätzchen im Sand, misstrauisch beäugt von einem Paar afrikanischer Kleptokraten. Oder da: Ein paar vereinzelte Prominente huschen von Palmschatten zu Palmschatten, mühsam gefolgt von fettgefressenen Ölmagnaten, Waffenproduzenten und dem einen oder anderen Senator oder Premierminister. Lautes Schreien, Zetern und Wehklagen auf Russisch, Arabisch, Deutsch, Englisch und in anderen faszinierenden Sprachen erfüllt die Nacht. Keine dieser Kreaturen wird Ruhe finden, bevor das mühsam aus aller Welt herbeigeschleppte Geld tief vergraben im Sand liegt. Erst nach Stunden des mühevollen Suchens, Grabens und mühevollen Verbuddelns sind die Emsigen zufrieden. Müde, aber glücklich wälzen sich die majestätischen Horter langsam zurück ins Meer, um den langen, gefährlichen Heimweg anzutreten. Still liegt der Strand wieder da, während der Sonnenaufgang herandämmert. Nur ein paar Kontoauszüge, zerfledderte Visitenkarten mit den Namen von Briefkastenfirmen und die dunklen Flecken von Angstschweiß auf dem Sand bezeugen das majestätische Naturschauspiel, das sich hier Nacht für Nacht wiederholt. Doch wie lange noch? Unermüdlich schreitet die Zerstörung dieser letzten Paradiese voran. Täglich verschwinden Steueroasen in der Größe von 350 Fußballfeldern, werden fruchtbare Korruptionssümpfe, die vielen Millionen Zuflucht bieten, brutal trockengelegt und für immer vernichtet. Es liegt an uns allen, dieses einzigartige Wunder für unsere Nachfahren zu erhalten. Es ist noch nicht zu spät.