Kampf um die Talente
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Auch in Zeiten der Krise geht das Tauziehen um die besten Köpfe weiter. Welche unkonventionellen Wege Firmen gehen, um Talent zu holen, und wie sie sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Plus: Exklusive Umfrage: Wer sind Österreichs beliebteste Arbeitgeber? Von Werner Ringhofer.
Sie suchen weltweit über Internetplattformen, ködern Absolventen gleich nach dem Abschluss mit Angeboten und strecken ihre Fühler auf Messen, Fachhochschulen und Universitäten nach neuen Leuten aus. Die Softwareschmiede Beko stellt sogar Anwerbeprämien für ihre eigenen Mitarbeiter in Aussicht, wenn sie neue Leute in die Firma bringen. Der Kampf um die Talente geht weiter. Trotz der Wirtschaftskrise sind Spitzenfachkräfte in Österreich weiterhin heiß begehrt. Und eins ist klar: Der nächste Aufschwung kommt bestimmt – dann sollte man gut vorbereitet und das Team bestens aufgestellt sein.
Lifeball-Karten als Prämie
Die Marktlage hat sich für die Firmen durch die angespannte Wirtschaft sicher verbessert. Mehr Leute sind am Markt, gute Kräfte sind aber schnell wieder weg, sagt man bei Beko. Auch beim Grazer Motorenentwickler AVL hat sich durch die Wirtschaftslage nicht viel verändert. Vom klassischen Maschinenbau hat sich die Qualifikation eindeutig zu den Zukunftstechnologien verlagert: Elektronik, Batterietechnologie und Hybridtechnologie. Da sei der Markt schon immer dünn gewesen, selbst bei einem derzeit größeren Angebot an Arbeitskräften. Der Personalaufbau war allerdings schon in den letzten zwei Jahren äußerst aktiv (bis zu 250 Mitarbeiter pro Jahr), da ist die Suche derzeit etwas weniger intensiv. mobilkom geht mit seinen Top Talent Competitions einen besonders originellen Weg: Jedes Jahr werden spezielle Recruiting Events mit 20 Teilnehmern veranstaltet. Einmal im Rahmen eines Segeltörns in Slowenien, dann wieder beim Ski-Opening in Sölden oder bei der mobilkom-Tochter in Bulgarien. Die Top Talent Competition hat absoluten Eventcharakter: Die Studenten sollen Spaß haben, netzwerken und zeigen, was sie drauf haben. Ihre Kompetenz können sie bei einem exklusiven Projektworkshop unter Beweis stellen. Als Preis winkt ein Traineeprogramm bei mobilkom, das beste Projekt wird immer prämiert, zum Beispiel mit Lifeball-Karten. »Für uns ist das Event ein etwas anderer Recruiting-Kanal, mit dem wir uns am Arbeitsmarkt positionieren«, meint HR-Chef Klaus Mörtl.
Employer und Employee Branding
Die Rekrutierung der besten Köpfe ist die eine Sache, die nächste Stufe ist die Platzierung der Firma mittels Employer Branding als attraktiver Arbeitgeber. Wer auf Employer Branding setzt, hat die Nase vorn: Firmen mit einem guten Standing können sich die besten Talente langfristig sichern. Die Stufe zwei des Erfolgsprinzips heißt Employee Branding. So werden Mitarbeiter zu Botschaftern des Unternehmens. Mit PR, Marketing und Medienarbeit trägt die Firma die Botschaft nach außen. Weitaus effektiver sind aber die Mitarbeiter selbst – denn man vertraut nicht den Marken, sondern Menschen. Arbeitnehmer tauschen sich über ihr Arbeitsleben, über Aufgaben, Tätigkeiten und ihre Motivation aus.
Mitarbeiter, vor allem die Spitzenleute, darf man aber nicht mit leeren Versprechungen abspeisen. Sie wissen genau, was sie wollen, und vor allem, was sie nicht wollen. Wer als Arbeitgeber im Tauziehen um die Talente nicht den Kürzeren ziehen will, muss sich rechzeitig eine Strategie überlegen. Gerade jetzt, denn sich erst dann umzusehen, wenn die Wirtschaft voll anzieht, ist zu spät. Die demografische Entwicklung heizt diesen Trend noch an: Bis 2015 wird es etwa gut ein Viertel weniger verfügbare Arbeitskräfte im Alter zwischen 30 und 45 Jahren geben als 2006. Bereits 2010 werden 58 Prozent aller Beschäftigten über 40 sein.
Die richtigen und vor allem fähigen Leute zu finden und zu binden, ist schon allein eine ökonomische Frage. »Der wichtigste Grundsatz ist, keine Kompromisse bei der Auswahl von zukünftigen Mitarbeitern zu machen. Die Kosten für eine falsche Entscheidung sind um vieles höher als eine erneute Suche«, sagt Birgit Magele, Leiterin der Personalabteilung bei Entsorgungsspezialist Saubermacher. Für einen Angestellten, der nicht ins Gefüge passt, wirft man bis zu 50.000 Euro hinaus.
Was macht einen Arbeitgeber attraktiv?
»Die inneren Werte, die auch nach außen hin kommuniziert werden, sind entscheidend. Viele Firmen wissen derzeit aber nicht, wo sie stehen«, sagt Staffan Ruhedorfer, Spezialist für Employer Branding bei Universum Communications. »Für mich war bei meiner Jobwahl das Klima wichtig, meine Weiterentwicklung und die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen«, sagt Julia Haselhofer, Service Project Manager bei mobilkom, »das Gehalt ist für mich nicht vorrangig.« Zu den obersten Prioritäten zählt mit 93 Prozent ein gutes Arbeitsklima, gefolgt von herausfordernden Aufgaben, guten Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, einem Weiterbildungsangebot, der Zukunftsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens und der Balance zwischen Berufs- und Privatleben, hat auch die Leipzig Graduate School of Management in Zusammenarbeit mit TNS Infratest im Rahmen der »Employer Branding Studie 2007« ermittelt.
Um als attraktiver Arbeitgeber zu gelten, sind auch die Benefits ein wichtiges Kriterium bei der Jobwahl. Das hat eine Studie von Watson Wyatt Heissmann ergeben: Fast 90 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass Nebenleistungen den Ausschlag dafür geben, sich für einen Arbeitgeber zu entscheiden. Benefits seien einfach ein Zeichen von Interesse und Wertschätzung. Weiterbildungsangebote, flexible Arbeitszeiten, Mitarbeitergespräche und eine betriebliche Altersversorgung stehen hoch im Kurs. Beko bietet Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der BEKO-Akademie, Sozialleistungen und attraktive überdurchschnittliche Entlohnung. Saubermacher versüßt die Arbeit unter anderem mit Weiterbildungen, Betriebsfeiern und Geburtstagsgeschenken.
Was sollte man vermeiden?
Glaubwürdigkeit ist das oberste Prinzip – vor allem, wo starke Nerven gefordert sind und es keine 8-Stunden-Jobs gibt. Floskeln und leere Versprechungen werden von den Arbeitnehmern in unsicheren Zeiten vielleicht zähneknirschend hingenommen, sie werden aber so bald wie möglich Jobalternativen suchen. Linientreue und Ehrlichkeit sind vom Arbeitgeber gerade in der Krise verlangt. Wenn die Firma zu ihren Mitarbeitern steht, bauen sie das beste Kapital für die Zeit danach auf.
Exklusiv:
Österreichs beliebteste Arbeitgeber
Interview: Staffan Ruhedorfer, Experte in Sachen Employer Branding und für Universum Communications in Österreich tätig.
(+) plus: Wie holen österreichische Firmen die besten Kräfte an Bord?
Staffan Ruhedorfer: Viele arbeiten mit Headhuntern, auch Empfehlungen zwischen den Geschäftsführern sind wichtig, nur manche organisieren Event Recruitings, was aber ein wichtiges Instrument für die Kommunikation nach außen ist. Aber das passiert meistens sehr kurzfristig.
(+) plus: Was tut man in Österreich für den Auftritt nach außen?
Ruhedorfer: In Österreich ist man noch etwas konservativ. Die Kultur des Employer Brandings ist in anderen Ländern wie Deutschland oder in den USA stärker ausgeprägt. Wenn was passiert, dann meist punktuell. Mehr Nachhaltigkeit wäre wichtig.
(+) plus: Wie sollte man die Attraktivität seiner Firma optimieren?
Ruhedorfer: Das Wichtigste ist die Analyse. Wofür stehen wir, welche Werte haben wir? Und dann sollte man diese auch leben und intern kommunizieren. Motivierte Mitarbeiter sind die besten Botschafter nach außen. Auch der Kontakt zu Medien sollte geknüpft werden, auch Kooperationen mit Universitäten sind wichtig, so kommt man mit den zukünftigen Talenten in Kontakt.
(+) plus: Einige Firmen sparen in der Krise ...
Ruhedorfer: Zwei Dinge sind entscheidend: Gerade in stürmischen Zeiten sollte man zu seinen Mitarbeitern stehen, dann bleiben sie auch nachher, wenn der Arbeitsmarkt wieder besser ist. Zweitens: Gerade jetzt sollten die Firmen vorausdenken, dann hat man denen gegenüber, die nichts getan haben, einen Startvorteil, wenn die Krise vorbei ist.
(+) plus: Wie ist derzeit die Marktlage? Wie leicht bekommt man gute Kräfte?
Ruhedorfer: Derzeit ist es sicher leichter, gute Leute zu bekommen. Aber die gehen nur zu Firmen, wo die Werte passen.
(+) plus: Welche Werte sind den Mitarbeitern wichtig?
Ruhedorfer: Die Work-Life-Balance, die Chance auf Führungspositionen und flache Hierarchien. Auch was die Firma für das Allgemeinwohl tut, ist ein Faktor. Das Problem nur: Viele Firmen wissen derzeit nicht, wo sie stehen, welche Werte sie haben.
(+) plus: Genügt Employer Branding als Imagekampagne?
Ruhedorfer: Alles steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit. Man muss seine Werte definieren und ein Versprechen abgeben: Das bin ich und diese Werte lebe ich. Werte zu positionieren, die nicht der Wirklichkeit entsprechen, wären ein großer Fehler, was zur Abwanderung der Mitarbeiter führt.