Das Gatestone Institute. Ein amerikanischer Thinktank kommt nach Europa und hat ein großes Ziel: die Aufklärung zu retten. Die Monsteraufgabe wird finanziert von einer ganzen Reihe amerikanischer Milliardäre, angeführt von Nina Rosenwald –
und der Autor fragt sich: Warum?
Von Alfons Flatscher, New York
»Die Wiege der Zivilisation ist in Gefahr, und ich will mir nicht vorwerfen müssen, nichts getan zu haben«, sagt Nina Rosenwald, die amerikanische Philanthropin, die ich in Berlin im Hotel Adlon treffe, weil ich verstehen will, warum sie sich ausgerechnet einem derart titanenhaften Unterfangen stellt.
Wir setzen uns im Wintergarten zusammen, was sich in Anbetracht der wild wuchernden Pflanzen als schlechte Idee herausstellt. Das Blatt eines Gummibaums ist hartnäckig und hat es auf Ninas Ohr abgesehen. Aber die Dame ist souverän und lässt sich durch nichts ablenken, schließlich hat sie Großes vor. »Europa ist an einem sehr gefährlichen Punkt angelangt und was wir erreichen wollen, ist eine breitere, offenere, kontroversiellere Debatte der Themen«, sagt Nina. »Denn eines habe ich von meinem Vater gelernt: Die Fakten müssen auf den Tisch, auch wenn sie wehtun.«
Nina ist reich, sehr reich sogar. Ihre Vorfahren haben unter anderem die Kaufhauskette Sears, Western Union International und den Elektronikkonzern Ametek aufgebaut und die Dame mit der völlig unprätentiösen Art setzt einen Teil ihres Erbes ein, um »die Welt zu einem besseren Ort zu machen«. Erben haben schön Blöderes mit ihrem Vermögen gemacht.
Bei manchen Superreichen unterstellt man ja, sie seien Philanthropen, weil sie damit die Methoden reinwaschen wollen, mit denen ihre Vorväter das Kapital angehäuft haben. In Ninas Fall hat das Gutmenschentum Tradition. Ihr Großvater hat nach dem amerikanischen Bürgerkrieg 5.000 Schulen für Schwarze bauen lassen und ihr Vater, William Rosenwald, organisierte 1939 die Flucht jüdischer Familien aus Deutschland und Österreich und half ihnen beim Aufbau einer neuen Existenz in den USA.
Aber ist in der Familie Rosenwald in der Zwischenzeit der Sinn für das Konkrete verlorengegangen? Von Schulen und Fluchthilfen zur Rettung der Aufklärung?
»Es hat miteinander zu tun«, erklärt Nina, »weil es auch heute ums Lernen geht und außerdem: Wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, so haben wir es doch probiert.«
»Das ist ein sehr amerikanischer Ansatz«, sage ich. »Wenn sich in Europa Privatleute um die Themen des Gemeinwohls kümmern, fragt man sich gleich: Welche Absicht verfolgen die? Wollen die ein Amt? Irgendwie hat das immer den Geruch des versteckten Lobbyings, denn was mit Politik im weitesten Sinn zu tun hat, ist die Domäne starker politischer Parteien.«
»Genau deshalb sind die politischen Eliten völlig abgehoben«, meint Nina. »Der Diskurs findet in engen Brüsseler Zirkeln statt, und die Bürger bleiben außen vor. Das kann nicht gutgehen. Was das Gatestone Institute unterstützen will, ist eine offene, kontroversielle Debatte, wie sie in den klassischen Massenmedien nicht stattfindet. Wir suchen den Widerspruch und Leute, die ihn artikulieren können.«
Sie ist das erste Mal in Berlin, ihre Mutter habe auf der Flucht aus dem nachzaristischen Russland kurze Zeit in Berlin gelebt und als Ballerina und Musikerin gearbeitet. Sie hatte eine einzige Bluse, als sie in New York aus dem Schiff stieg, und sie wurde zu einer der reichsten Frauen ihrer Zeit. »Die Verbindung zu Europa ist in meinen Genen. Deshalb ist mir nicht gleichgültig, was hier passiert.«