40 Prozent der Energie- und Materialflüsse stehen in Österreich in direktem Zusammenhang mit der Bauwirtschaft. Der Bau & Immobilien Report zeigt, welche Rolle die Ökologie am heimischen Bau spielt. Von Karin LegatIn der Ausbildung und Forschung hat sich Umweltschutz am Bau bereits emanzipiert. In der Baupraxis entwickelt er sich langsam, aber beständig. »Umweltschutz wird in naher Zukunft ein großes Thema darstellen. Für jeden muss es ein Anliegen sein, mit Ressourcen sorgfältig umzugehen. Das bedeutet, bei Planung und Abwicklung muss mit Respekt an die Sache herangegangen werden. Nachhaltigen, schadstofffreien Produkten ist der Vorzug zu geben«, ist Baumeisterin Renate Scheidenberger überzeugt. Für Thomas Belazzi, Geschäftsführer der bauXund forschung und beratung GmbH, sind die Verankerung ökologischer Kriterien in der Ausschreibung, die baubegleitende Produktprüfung und laufende Qualitätssicherung sowie Messungen entscheidend.Ökofaktor Restmassen»Wer die Ausführung einer Bau- oder Abbruchtätigkeit im Rahmen eines Bauvorhabens veranlasst, hat aus den dabei anfallenden Materialien folgende Stoffgruppen zu trennen, sofern die nachstehend angeführten Mengenschwellen je Stoffgruppe überschritten werden: Bodenaushub 20 t, Betonabbruch 20 t, Asphaltaufbruch 5 t, Holzabfälle 5 t, Metallabfälle 2 t, Kunststoffabfälle 2 t, Baustellenabfälle 10 t, mineralischer Bauschutt 40 t.« So einfach liest sich Recycling in der Bundesverordnung. In der Praxis zeigt sich ein anderes Bild. Die globale Bauwirtschaft verantwortet 40 % des Energie- und Ressourcenverbrauchs und verursacht 40 % des Abfallaufkommens und CO2-Ausstoßes. 60 % aller landesweiten Abfallströme sind dem Bau zuzurechnen. »Im vergangenen Jahr verzeichneten wir in Österreich 50 Mio. Tonnen Abfälle. 30 Mio Tonnen davon bilden mineralische Baurestmassen und Bodenaushub. Von den mineralischen Baurestmassen wären 90 % recycelbar, aber es fehlt der Absatzmarkt«, bedauert Martin Car, Geschäftsführer des österreichischen Güteschutzverbandes Recycling-Baustoffe. Bernd Brantner, Geschäftsführer der Firma Brantner Entsorgung.Facility Services, erklärt die Vermarktungsprobleme von Recyclingmaterial mit dem niedrigen Preis z.B. von Rohschotter. »In den letzten Jahren wurden Energiefragen in den Vordergrund gerückt und Baumaterialien vernachlässigt«, ergänzt Günter Gretzmacher, Präsident des BRV, Geschäftsführer des Entsorgungs- und Umwelttechnikbüros Ökotechna und Umweltbeauftragter der Alpine Bau GmbH kritisch. »Für Private sind Recyclingprodukte bereits alltäglich. Sekundärbaustoffe müssen auch für Bauunternehmer zur Selbstverständlichkeit werden. Das Ziel muss heißen: Kreislaufwirtschaft mit maximaler Energieeffizienz«, drängt Car und entschärft Bedenken, Recyclingbaustoffe hätten nicht dieselben Baueigenschaften wie Naturstoffe. »Es gibt Richtlinien und ÖNORMen. Diese unterscheiden nicht zwischen Primär- und Sekundärbaustoffen. Beide Materialien werden von Sachverständigen geprüft und entsprechen dem Stand der Technik.« Der Einsatzbereich von Recyclingbaustoffen ist vielseitig und reicht von Zuschlagstoffen über Schüttmaterial bis zu Tragschichten und Wegebau. Kostenersparnis ergänzt den Positivfaktor Recycling. »Die Deponierung und Weiterverwendung von sortenreinem Abfall, z.B. von reinem Beton, erfordert 5 bis 15 Euro pro Tonne. Entsprechend verunreinigter Bauschutt kann deutlich über 100 Euro pro Tonne kosten«, berichtet Professor Rainer Stempkowski, wissenschaftlicher Leiter des Lehrganges Life Cycle Management an der Donau-Universität Krems, FH Professor an der FH Joanneum und Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens für Baumanagement. Im Neubau ist der Anteil an Restmassen deutlich geringer. »Außer beim Baugrubenaushub fallen meist keine erheblichen Baurestmassen an. Diese Materialien können vor Ort geshreddert und als Schütt- oder Füllmaterial eingesetzt werden. Beim Altbau werden Ziegel aus Abbruch für Vermauerungen verwendet. Im Neubau kommt das in der Praxis nicht vor«, so Scheidenberger.Ökofaktor Corporate Social ResponsibilityWesentliche Bedeutung im ökologischen Bauen kommt der Sensibilisierung der Mitarbeiter zu. »CSR muss zum Thema gemacht werden. Einige Unternehmen haben dieses Konzept bereits stark in ihrer Strategie verankert, Mitarbeiter werden zu Eigeninitiative motiviert«, berichtet Stempkowski. Alpine trägt durch Schulungen, die ständige Verbesserung der Prozessabläufe und verstärkte interne Kommunikation zur Bewusstseinsbildung bei. Mit umweltgerechten und nachhaltigen Bürogebäuden wird ein positives Beispiel vorgelebt. Für diese hohen Umweltstandards wurde das Unternehmen 2010 im Rahmen des ÖkoBusinessPlans der Stadt Wien neuerlich ausgezeichnet. »Gerade bei jungen Baufachleuten ist Aufbruchstimmung zu bemerken. Sie wundern sich teilweise, wie wenig das Thema Umwelt in der Praxis derzeit berücksichtigt wird«, begrüßt er diesen erfreulichen Trend. »Umweltschutz am Bau darf nicht allein der Politik zugeschoben werden. Ihre Aufgabe ist die Schaffung von Rahmenbedingungen. Es gilt aber, Nutzer und Investoren zu mobilisieren. Wenn alle drei Parteien zusammenarbeiten, funktionieren Änderungen rasch.« Baumeisterin Scheidenberger führt dazu ein Beispiel an. »Zu Beginn meiner Bautätigkeit war fast nur Mischabfall das Schlagwort. Baurestmassen wurden erst auf den Lagerplätzen grob getrennt. Mittlerweile wird Restmassentrennung und Recycling ernst genommen und kontrolliert. Hier hat ein großer Bewusstseinswandel stattgefunden.« Und das, obwohl oft keine Verpflichtung dazu besteht. »Ökologische Maßnahmen für Planung und Bau sind teilweise durch die Wohnbauförderungen verpflichtend, manchmal gibt es Vorgaben öffentlicher Bauherren. Sonst hängt es vom engagierten Bauherrn sowie dem Planer ab, wie mit Umweltschutz am Bau umgegangen wird«, zeichnet Belazzi ein Bild aus der Praxis.Öko-BeginnUmweltschutz begann vor etwa 20 Jahren Einfluss auf das Bauwesen zu nehmen. »1990 trat das erste Abfallwirtschaftsgesetz in Kraft. Damit wurden Nachhaltigkeit und Recycling Themen. Große Konzerne haben eigene Umweltabteilungen eingerichtet«, erinnert sich Gretzmacher an seine Starttage bei Alpine. »Ökotechna war zuerst die firmeninterne Umweltabteilung, die Vorbildarbeit geleistet hat. Schrittweise wurden in der Folge das Qualitätsmanagement und das Umweltmanagementsystem ISO 14001 eingeführt, danach Audits organisiert«, erzählt er und stellt einen Vergleich an: »Heute informiert das elektronische Datenmanagement österreichweit transparent über alle Abfallbewegungen.«Öko-KritikKritisch stehen die Baufachleute trotz positiver Energiebilanz Verbundstoffen gegenüber. »Viele moderne Bauweisen arbeiten mit großen Mengen an Verbundbaustoffen. Wärmedämmungen werden in Beton eingegossen., Styroporsteine werden angeboten, die mit Beton verfüllt werden und wie Schalungen funktionieren. Es entsteht eine Verbundwirkung, die beim Abbruch in 30, 50 oder 70 Jahren nicht mehr getrennt werden kann, und trotzdem wird sie als ökologisch wertvoll verkauft«, kritisiert Stempkowski. Einen Ausweg bildet die getrennte Aufbringung bzw. die punktuelle Verklebung. Großes Forschungspotenzial besteht beim Thema Energie. »Die Haustechnik stellt mit über 30 % den größten Kostenblock in Gebäuden dar. Hier muss man ansetzen.« Intelligente Architektur muss für Stempkowski auch mit einfachen Systemen funktionieren. »Vor zehn Jahren war der Trend, anspruchsvolle Architektur oft ohne echten Bezug zum Betrieb und den Betriebskosten umzusetzen. Die Haustechnikanlagen wurden teurer und teurer, aber nicht nur die Investition, sondern auch der Betrieb und vor allem die Instandhaltung der Anlagen. Die Kühlenergie in hohen Glaspalästen ist in unseren Breiten oft schon höher als die Wärmeenergie. Solche Gebäude sind ganz einfach schlecht geplant.« Als zukunftsweisende Konzepte nennt er solare Architektur mit einfachem, aber funktionalem Sonnenschutz, Tageslichtlenkung, die Nutzung von Speichermassen, den Einsatz neuer Materialien wie ETFE (Ethylen-Tetrafluorethylen), natürliche Lüftung sowie ökonomisch und ökologisch optimierte Energiekonzepte. »Kreative Lösungen müssen gefunden werden, intelligente Architektur ist gefragt.«Ökothema LebenszyklusMit 43 % des Gesamtressourceneinsatzes ist der Verbrauch für Bautätigkeiten hoch. »Recyclingbaustoffe bedeuten natürlich einen Weg der Nachhaltigkeit am Bau. Doch es fehlt die ganzheitliche Herangehensweise«, urteilt Stempkowski. »Der Planungsprozess für nachhaltige Projekte muss in Schleifen ablaufen. Die Erfahrung aus späteren Planungsphasen muss in frühere eingebracht werden. Das klingt schwierig, ist aber durch integrale Planungsteams leicht realisierbar«, erklärt er und verweist auf die Kooperation von Architekten, Haustechnikern, Facility Managern, Statikern, Energietechnikern sowie Fachplanern aus der Fassadentechnik, der Bauphysik, der Akustik und Experten aus bauausführenden Unternehmen. Zudem müsse der Lebenszyklus-Planung ein höherer Stellenwert zukommen. »Eine um 5 % höhere Erstinvestition bringt höhere Flexibilität und kann die Kosten bei einem Umbau 20 Jahre später um ein Vielfaches reduzieren.« Auch der Bereich Re-Use muss mehr Bedeutung erfahren. »Baumaterial muss wiederverwendet werden. Eine Fassade kann ich abmontieren und weiterverwenden. Gleiches gilt beim Innenausbau. Weiterverwendung von Materialien ist die ökologisch effektivste Maßnahme im Sinne der Minimierung des Ressourcenverbrauchs und der grauen Energie, die in jedem Baustoff steckt. Besonders in diese Richtung müssen neue Konzepte entwickelt werden.«Öko-Forschung»Nachhaltigkeit ist heute in der Bauingenieurausbildung so selbstverständlich wie der Betonbau«, berichtet der Uni-Professor. »Zu meiner Zeit haben wir bloß Umweltrecht im Curriculum gehabt.« Heute wird in der Ausbildung an Lösungen für die Praxis geforscht. »Die bauökologische Forschung konzentriert sich meiner Wahrnehmung nach neben dem brisanten Thema der Energieeffizienz von Gebäuden auf die Themenfelder Lebenszyklusbetrachtung, Ökobilanz von Gebäuden und Baustoffen sowie Raumluft und Behaglichkeit«, schildert Hildegund Mötzl, Vizepräsidentin des Österreichischen Instituts für Baubiologie und Bauökologie, IBO. In Gesetze und Normen fließen Forschungsergebnisse erst über längere Zeiträume. »Umweltschutz am Bau ist dagegen ein Thema der Umsetzung und findet sich in Gesetzen, Pilotprojekten und z.B. Maßnahmen gegen Feinstaub.« Als Vorreiter gilt das EU-Life-Umweltprogramm RUMBA, Richtlinien für die umweltfreundliche Baustellenabwicklung hinsichtlich Verkehr, Baustellenabfall, Reduktion der Staubemissionen, die zuletzt am Wiener Hauptbahnhof und in der Seestadt Aspern Anwendung fanden. »Für eine wirklich effektive Verbesserung bedarf es verbindlicher Vorgaben.Wären die Mindestanforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden in den vergangenen zehn Jahren nicht verbindlich verschärft worden, würden manche Bauherren bis heute noch schlecht bauen«, zeigt die Physikerin auf. »Der Trend geht in die richtige Richtung. Leider, wie immer, zu langsam.« Derzeit arbeitet das IBO u.a. an der Einrichtung einer umweltverträglichen Baustelle (gugler! build & print triple zero). Bauunternehmen wie Alpine forschen an effizienterem Recycling, am Einsatz noch umweltschonenderer Materialien und an Möglichkeiten der Verringerung und Vermeidung von Lärm und Staubentwicklung. In der Verwirklichung von gesunden Raumverhältnissen und zeitgemäßer Energieeffizienz sieht bauXund seine Aufgabe und arbeitet an bauökologischen Kriterien, an der Integration erneuerbarer Energiesysteme in die Gebäudehülle mehrgeschoßiger Wohnbauten und am nachhaltigen Bauen im großvolumigen Bau.Fertiggestellt ist das Programm Green Concrete, ein dreijähriges EU-gefördertes Forschungsprojekt, das die Wiederverwendung von Baustoff-Recyclingmaterialien im Straßenbau vorsieht. Schotterrasen erlaubt die flächenhafte Versickerung von Niederschlägen und trägt damit zum passiven Hochwasserschutz, zur Entlastung des Kanalsystems und zur Grundwassererneuerung bei. Entscheidend für den erfolgreichen Einsatz ist eine ausgewogene Mischung aus Belastungs- und Regenerationsphasen. Fachleute empfehlen den Einsatz von Schotterrasen daher für Firmenparkplätze, Overflow-Standplätze auf Freizeitanlagen und Parkplätze im Wohnbau. »Gerade hier findet der Wechsel der Fahrzeuge selten statt. Dafür ist Schotterrasen hervorragend geeignet«, so Martin Car abschließend.>>Integrales Planerteam: >> Gütesigel:- Gebäudepässe überprüfen Kriterien, die einerseits die Behaglichkeit und andererseits die Ressourceneffizienz des Gebäudes im Lebenszyklus beurteilen. Sie dienen Bauherren als Qualitätssicherungs- und Marketinginstrument. Dem Kunden bieten sie eine objektive Beurteilung der Wohnungs- bzw. Gebäudequalität. Der internationale Trend geht von einer rein energetischen Einstufung eines Gebäudes hin zu einer umfassenden Gebäudebewertung nach ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien. In Österreich gibt es laut IBO vier Gebäudepässe für Wohnbauten.- IBO ÖKOPASS: Der IBO ÖKOPASS ist ein speziell auf Wohnhausanlagen ausgerichteter Gebäudepass. Ziel ist der Nachweis der baubiologischen und bauökologischen Qualität von Wohnhausanlagen und dessen Nutzung als Instrument für Marketing und Qualitätssicherung.- klima:aktiv Bauen und Sanieren: Das Selbstdeklarationssystem »klima:aktiv« des Lebensministeriums legt den Schwerpunkt auf klimaschonende Bauweise. Die Kriterien zielen primär auf eine Senkung des Gesamtenergieverbrauchs und der CO2-Emissionen sowie auf gesundes Wohnen ab.- Passivhauszertifizierung nach Dr. Feist: Bei der Passivhauszertifizierung handelt es sich um eine Beurteilung der Planung ergänzt um das Ergebnis der Luftdichtheitsmessung.- TQB: Das Gütesiegel der ÖGNB bewertet unterschiedliche Nutzungen (Bürogebäude, Schulen, Hotels, Gewerbebauten, Einkaufszentren) und prüft diese auf Nachhaltigkeit.>>> Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: Alles über Urban Mining