Michael Steinhardt, einer der erfolgreichsten amerikanischen Investoren aller Zeiten, erklärt, warum Geld allein nicht genug ist. Wir sind eine eigenartige Runde. Tuvia, der Theatermacher und Schriftsteller, Spross einer Rabbiner-Dynastie, der von sich behauptet, nicht religiös zu sein, Michael, der in den vergangenen Jahren 120 Millionen US-Dollar an jüdische Organisationen gespendet hat, aber sich als Atheist bezeichnet, und ich, der österreichische Journalist, der von sich definitiv weiß, weder Jude noch Katholik zu sein. Tuvia hat in seine Wohnung im Zentrum Manhattans eingeladen, die wenige Blocks von dem Hotel entfernt liegt, in dem Dominique Strauss-Kahn sein unkontrollierter Sexualtrieb zum Verhängnis wurde. Wir brechen Brot, es ist Freitagabend und Sabbat hat begonnen, rituell, wie es seit jeher üblich ist.Wenn zwei New Yorker Juden und ein österreichischer Goi miteinander abendessen, kann es nicht lange dauern und der Holocaust wird Thema. »Ich bin Atheist«, sagt Michael, »weil ich nicht glauben kann, dass Gott, wenn es ihn gäbe, den Holocaust zugelassen hätte.« Vor ein paar Jahren sei er in Salzburg gewesen bei den Festspielen, und bei einer Abendgala mit all den Gästen in Dirndln und Trachten habe es ihn wie einen Keulenschlag getroffen. »Es war so eine zivilisierte Gesellschaft, und es wollte nicht in meinen Kopf, dass Vorfahren dieser netten Menschen den industriellen Massenmord erfunden haben.« Tuvia ist mit einer Österreicherin verheiratet und in jedem seiner Theaterstücke ist der Holocaust präsent. Ein Teil seiner Familie ist in KZs umgekommen, und er ist überzeugt, der Herdentrieb war‘s, der all das möglich gemacht hat. Das eigene Gewissen, die eigene Meinung zählte nichts im Vergleich zum Diktat der Obrigkeit. Der Befehl hat das Gewissen ersetzt und da ist dann die Katastrophe passiert.Michael ist in Tuvias Kurzbeschreibung einer, der so reich ist, dass er Banken Geld borgt. In den 60er-Jahren hat er mit bescheidenen Mitteln seine Investmentfirma gegründet und dann, mit viel Geschick, Milliarden gemacht, so viele, dass ihn Medien auf die Liste der 20 größten Investoren aller Zeiten setzen. Wie hat er das geschafft? »Ich war opportunistisch und habe oft das Gegenteil von dem getan, was alle anderen gemacht haben«, erklärt Michael, »aber nur das Gegenteil tun reicht nicht, man muss damit auch recht haben.«Recht zu haben ist ihm offensichtlich oft gelungen, aber Mitte der 90er-Jahre hat es ihm gereicht. Er sperrte die bis dahin rasend erfolgreiche Firma zu. »Ich hatte das Gefühl, ich müsste im Leben mehr tun als nur Geld verdienen. Ich wollte einen bedeutenderen Beitrag leisten.« So wurde aus dem Investor ein Philanthrop, der Lernen, Lesen, Wissen zu seinen Themen machte und mit seinen Mitteln unterstützte.Er allein entschied, wann er genug verdient hatte und es Zeit war, sich etwas Größerem als Geld zu widmen. Sein Gewissen hat ihm gesagt, wann er seinem Leben einen neuen Inhalt geben wollte. Keine gesetzlich normierte Gehaltsobergrenze, keine staatlich verordnete Umverteilung durch Steuerraubrittertum, nur das Gewissen und die freie Entscheidung haben ihn geführt. Aus dem Investor wurde ein Philanthrop, jetzt ist er beides. Er hat vor kurzem wieder einen Fonds eröffnet, der heißt Wisdom-Tree, sprich: Baum der Weisheit. Sehr passend, irgendwie.