Oskar Obereder, Geschäftsführer des Internetproviders Silver Server, über leicht zu vermeidende Klagen der Filmindustrie. Über das amerikanische Unternehmen Netflix gibt es bis heute keinen Wikipedia-Eintrag auf Deutsch. Angesichts der aktuell vom Verein für Antipiraterie der österreichischen Film- und Videobranche (VAP) erhobenen Musterklage gegen einen Internetanbieter erscheint dies symptomatisch. Auf der Suche nach einer Strategie, wie dem ungebremsten Streaming von Filmen im Internet beizukommen ist, verfängt sich die Filmindustrie leider immer noch im Negieren der technischen Möglichkeiten.Dass deren rapide Entwicklung etablierte Geschäftsmodelle kräftig ins Wanken bringen kann, kennen wir aus dem Musikmarkt. Von diesem lässt sich aber mittlerweile ebenso leicht ableiten, was auch der Filmbranche in unser aller Sinne tunlichst zu raten wäre: möglichst schnell eigene benutzerfreundliche Onlineportale zu etablieren, deren Aktualität, Auswahl und Qualität dem illegaler Anbieter weit voraus ist.Verwackelte Camcorder-Mitschnitte aus den Sitzreihen amerikanischer Multiplexe sollten sich doch mühelos aushebeln lassen. Ebenso wie abbrechende Streams oder ins Leere weisende Links. Die Beliebtheit von Plattformen wie kino.to ist vielmehr nur auf einen simplen Grund zurückzuführen: Den filmbegeisterten Kunden bietet sich noch immer keine legale einfache Alternative dazu. Die Kunden gehen zum Piraten, weil ihr Händler seinen Laden nicht aufsperrt. Selbst wer bereit wäre, für ein gestreamtes Filmvergnügen zu zahlen, kann das nach wie vor nicht. Ein fatales Manko. Das sich mit der eingeklagten Blockade bestimmter Websites durch Internetanbieter schon gar nicht ausgleichen lässt. Dafür müssten Internetprovider wie Silver Server den Informationsfluss auf ihren Leitungen kontrollieren und filtern, was weder gesetzlich erlaubt ist noch den Intentionen der Provider entspricht. Diese stellen doch schließlich lediglich die Verbindung ins Internet her.Nein, um den für die Filmbranche nicht zu gewinnenden Hase-Igel- Wettlauf mit kino.to wirklich und wirkungsvoll auszubremsen, erscheinen andere Wege ratsamer. Wege, die auch Filmfreunde im deutschsprachigen Raum mit ins Boot holen. Wege, wie sie Netflix in den USA und Kanada bereits eingeschlagen hat. Groß geworden durch die Postversand-Fernleihe von DVD und Bluray-Disc, bietet Netflix seinen abonnierten Kunden mittlerweile auch Videostreaming von Filmen über das Internet an. Bei dem „Instant Viewing“ getauften Service stehen den rund 17 Millionen Abonnenten immerhin zehn Prozent der über 200.000 Titel per Stream zur permanenten Verfügung. Gemeinsam mit der nach wie vor kostenlosen Streamingplattform Hulu, auf der die TV-Sender NBC, FOX und ABC Filme und Fernsehshows verfügbar machen, bringt der Erfolg von Netflix die großen Studios dazu, das Internet nicht länger als Bedrohung zu sehen. Hier wird sich in den nächsten Monaten garantiert viel bewegen. Vorausschauend wäre es, wenn sich die Aktivitäten der heimischen Filmbranche auch gleich dahingehend orientieren würden. Der technische Geist des Internets und die geweckten Bedürfnisse der Filmfreunde lassen sich ohnehin in keine Flasche mehr zurückstopfen. Die Filmindustrie wird mit Streamingdiensten leben lernen müssen – und am besten überlässt sie dabei ihr ureigenes Feld nicht länger ausschließlich illegalen Anbietern wie kino.to oder findigen Quereinsteigern wie Netflix.Wie es anders geht, zeigen auch die Zahlen des österreichischen Musikmarkts. 2009 nutzten bereits über 600.000 heimische Kunden bezahlte Musikangebote im Internet. Mit ihren Downloads wurde ein Umsatz von 15,8 Millionen Euro erzielt. Für 2010 wird ein abermaliges Ansteigen dieser Werte prognostiziert. Insofern ist es natürlich für die Filmindustrie und alle dahinter stehenden Kreativen schmerzlich, wenn beispielsweise Michael Hanekes mit einer Goldenen Palme prämierter Film „Das weiße Band“ über 40.000-mal auf kino.to angesehen wurde – allerdings ist mir gerade deshalb umso mehr unverständlich, warum man dieser Entwicklung nicht zeitig mit einer legalen Alternative Einhalt geboten hat? Wenn hier eine Absetzbewegung des Publikums erkannt wird, muss ich doch als Unternehmer aus wirtschaftlichem Interesse raschest darauf reagieren.Die enormen Einbußen der deutschsprachigen Filmindustrie schmerzen – weil sie nicht in dem Ausmaß notwendig wären – daher doppelt.Neben der Musterklage des VAP gegen einen österreichischen Internetanbieter war das Urheberrechtsgesetz in den letzten Wochen auch anderweitig Thema. Seit 1. Oktober 2010 gilt in Österreich nämlich eine Urheberrechtsabgabe für Festplatten. Käuferinnen und Käufer neuer Computer entrichten mit einem Teil des Kaufpreises eine Abgabe an die Austro Mechana – der Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte. Ähnliches galt bislang etwa beim Kauf einer Leerkassette oder einer beschreibbaren CD. Auch das, wie ich finde, ein Beispiel dafür, dass sich alte Modelle der pauschalen Vergütung nicht problemlos fortführen lassen, weil sie ganz einfach der tatsächlichen Verwendung und Möglichkeiten nicht entsprechen. Parallele zum Schluss: Auch für die Austro Mechana gibt es noch keinen Wikipedia-Eintrag.