(+) plus: Sind Sie einer der politischen Banker?Martin Czurda: Nein, ich bin für sämtliche Bankenbeziehungen im Ausland verantwortlich. In österreich halte ich mich tunlichst aus der Politik heraus. Ich weiß, wie da die Ordnung funktioniert. Da mische ich mich nicht ein.(+) plus: Die Frage war auch nicht auf österreich bezogen. Sie sind ja in Ihrer Funktion praktisch einer der Außenminister der Bank.Czurda: Ja, das kann man so sehen. Was früher die Creditanstalt war, das sind heute wir. Wenn es früher wirtschaftliche Themen gab, war die CA die erste Adresse. Das ist heute die RZB. Viele Institute im Osten sehen uns heute als erste Adresse. Wenn eine russische Region - aus Krasnodar oder Jekaterinburg - in Finanzfragen Ansprechpartner sucht, dann kommt sie zu uns und will wissen, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es gibt. Aber die Politik spielt auch etwa im arabischen Raum eine Rolle. Da haben wir in den vergangenen Jahren die Märkte aufgebaut und erhalten mittlerweile politische Ratschläge.(+) plus: Aber Ihr Hauptmarkt ist natürlich Osteuropa.Czurda: Ja, natürlich. Wir haben da eine wichtige Position, weil wir es verstanden haben, auf die lokalen Möglichkeiten und Notwendigkeiten einzugehen. Wir haben nicht die Zugangsweise der Amerikaner oder auch der Deutschen, die vielfach Leute aus der Zentrale in neue Märkte setzen, die dann dort versuchen, das eigene Modell hochzuziehen. Wir haben sehr früh erkannt, dass man mit den Leuten vor Ort arbeiten muss. Unser Konzept ist voll aufgegangen. (+) plus: Da hat Raiffeisen ja lange Tradition mit dem genossenschaftlichen Prinzip der Dezentralität.Czurda: Diese Philosophie hat sicher sehr stark hineingespielt. Dadurch entstand etwas Eigenständiges im Rahmen eines größeren Ganzen. Der nächste Schritt kommt jetzt. Wir stehen vor der Aufgabe, das lokale Netzwerk international zu verbinden. Das ist eine enorme Managementherausforderung, die sich bei Raiffeisen stärker stellt als bei anderen. Die Erste etwa ist sehr erfolgreich, aber sie agiert auf fünf Märkten. Das ist leichter als auf fünfzehn Märkten zu agieren. Die Bank Austria hingegen im Verbund mit HVB und Unicredito ergibt ein neues System. (+) plus: Wie wird dieses System der Bank Austria aussehen? Was erwarten Sie vom Konkurrenten? Czurda: Die Frage ist, was der Verbund von drei starken Heimmärkten - Italien, Deutschland, österreich - mit dem osteuropäischen Raum schafft. Das Experiment kann sehr gut ausgehen, dann müssen wir uns sicherlich etwas überlegen. Aber vielleicht sind wir auch die lachenden Dritten. Das Rezept der Unicredito ist bestimmt, Produktsparten zu zentralisieren und regional zu verkaufen. Vom Konzept her ist das sehr interessant, es hat nur das Problem, österreichische, deutsche, italienische, russische, türkische Mentalität und verschiedene Entwicklungsniveaus unter einen Hut bringen zu müssen. Wir haben die Schaltstelle in Wien und müssen uns nur an die mittel-osteuropäische Mentalität anpassen, was nicht so schwierig ist. (+) plus: Mentalität und kulturelle Differenzen entscheiden über Erfolg oder Misserfolg?Czurda: Ja, dort wo etwas im Aufbau ist und daher noch nicht standardisierbar, entscheidet immer das Verständnis. In Russland geht es oft um sehr einfache Produkte - ein Konto, einen einfachen Kredit über drei Jahre. Diese Dinge kennen wir in Europa seit Jahrzehnten. In den neuen Märkten sind sie noch nicht verankert und da gab es mitunter das Problem, dass Kredite teilweise gesetzlich nicht geregelt waren. Dass Kredite vereinbarungsgemäß zurückgezahlt werden müssen, war keine Selbstverständlichkeit. Das Konzept des Kredites gab es nicht, aber das Konzept der Anständigkeit war sehr wohl verankert. Das hängt auch mit der Religiosität zusammen. (+) plus: Meinen Sie damit, dass religiöse Menschen bessere Kreditnehmer sind? Wenn ja, wie schaut es dann im arabischen Raum aus?Czurda: Dort gibt es ja den Begriff der Zinsen nicht. Deshalb finanzieren wir unter anderem Sharia-Projekte, das heißt, wir finanzieren die Projekte, diese gehen dann in das Eigentum der Bank über und werden uns dann in Raten abgekauft. Wer in diesem Raum den kulturellen Hintergrund nicht versteht, hat keine Chance. (+) plus: Wenn Sie sich alle Märkte anschauen, für die Sie zuständig sind, welcher stellt die größte Herausforderung dar?Czurda: Sicherlich der chinesische Markt. Er ist völlig anders als alles, was wir kennen. Er ist so politisch und so nationalistisch abgeschottet. Der russische Markt ist auch nicht einfach, aber dort gibt der Gesetzgeber ausländischen Anbietern in bestimmten Nischen klar definierte Möglichkeiten. In China ist das nicht der Fall. Bei bestimmten Finanzierungen kommt man überhaupt nicht zum Zug, weil klare politische Motive den Ausschlag geben. China ist eine andere Dimension.(+) plus: Welcher Markt ist der interessanteste?Czurda: Ganz eindeutig der russische Markt mit seiner Einflusssphäre; dazu zählen Ukraine und Zentralasien. Da tut sich sehr viel. In Russland werden ausländische Banken nie den Einfluss bekommen wie in anderen Regionen. Das wird der Kreml nicht zulassen. Das mag man aus demokratiepolitischer Sicht einschätzen wie man mag, Faktum ist, dass die Politik Putins Stabilität bringt. In den Jelzin-Jahren wurde privatisiert und ungeheure Vermögen gingen an clevere Geschäftemacher, die wussten, wie sie sich mit möglichst wenig Geld möglichst viel Einfluss auf Unternehmen sichern konnten. Diese Fehler werden jetzt nicht mehr gemacht. Russland hat es geschafft, dass das Geld im Land bleibt und nicht mehr in die Offshore-Konten fließt. Dr. Martin Czurda ist bei der RZB verantwortlich für die weltweite Zusammenarbeit mit anderen Bankinstituten und mit öffentlichen Einrichtungen.