Seit 1. März ist Georg Blümel neuer CEO der Synthesa-Gruppe. Wie er die turbulenten ersten Wochen meisterte, mit welchen aktuellen Herausforderungen er sich konfrontiert sieht und wie er Corona zum Trotz wachsen will. Report: Sie haben am 1. März den Vorsitz der Geschäftsführung der Synthesa-Gruppe übernommen. Zu dem Zeitpunkt hat noch kaum jemand die Heftigkeit der kommenden Krise erahnt. Wie haben Sie die ersten Wochen erlebt? Wie sehr wurden alle Ihre Pläne und Vorhaben für Synthesa ab 13. März über den Haufen geworfen? Georg Blümel: Mir ist es gegangen wie jedem anderen auch, der eine neue Aufgabe übernimmt. Man muss das Unternehmen, die Menschen und das Umfeld kennenlernen. Durch Covid-19 habe ich die Kollegen sehr schnell kennengelernt, allerdings in einer völlig anderen Art und Weise als geplant. Das hat dazu geführt, dass die Vertrauensbasis, die man sich in der Regel mühsam erarbeiten muss, relativ rasch vorhanden war, weil man sich aufeinander verlassen musste. Und wir haben in kürzester Zeit bewiesen, dass wir das können und gemeinsam außergewöhnliche Situationen meistern. Das Wichtigste war die Gesundheit der Mitarbeiter. Dabei musste das Unternehmen steuerbar bleiben und wir mussten für unsere Kunden da sein. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Aber wir sind sehr stolz, dass wir keinen einzigen Tag nicht für die Kunden da waren. Report: Gab es einen Krisenplan, nicht speziell für Corona, aber für Krisenfälle, dass Niederlassungen nicht erreichbar sind oder die Produktion ausfällt, oder musste ausschließlich improvisiert werden? Blümel: Auf diese Situation konnte man sich in keiner Weise vorbereiten. Aber als ich an Bord kam, war schon erkennbar, dass in Wuhan etwas außer Kontrolle gerät. Damit war klar, das kann auch uns treffen. Gab es einen Masterplan? Nein! Aber es gibt Vorgaben für einen Krisenmodus. Etwa dass sich die Geschäftsführung ganz eng und häufig abstimmen muss. Oder dass die Führungskräfte nicht alle zur selben Zeit am selben Ort sein dürfen. Oder dass die Produktion zu jeder Zeit aufrecht erhalten bleibt. Darauf konnte man sich vorbereiten. Mehr aber nicht. Für den Ausfall eines Rechenzentrums gibt es einen Masterplan, für einen Brand in der Produktion gibt es einen Masterplan. Aber für Corona gab es keinen Masterplan. Report: Was ist jetzt noch bei Synthesa von der Coronakrise zu spüren? Blümel: Wir waren in Kurzarbeit. Aber nur zwei statt der ursprünglich geplanten drei Monate, weil das Unternehmen sehr schnell wieder Tritt gefasst hat. Das System der Kurzarbeit war und ist sehr sinnvoll, weil die Menschen in Beschäftigung bleiben. Wir sehen aber auch die Kehrseite der Medaille. Wir würden dringend mehr Leute brauchen, bekommen sie aber nicht, weil sie irgendwo in Kurzarbeit stecken. Der Facharbeitermangel ist nach wie vor ein Riesenthema. Es ist aber nicht nur Negatives, was von Corona bleibt. Wir haben gelernt, dass wir vor Corona unglaublich viel Zeit im Auto verbracht haben, um zu Meetings zu fahren, die man auch ganz leicht remote abwickeln kann. Wir werden die Kommunikationssysteme, die wir aufgebaut haben, weiter verwenden. Auch die Notfallmechanismen sind heute ganz anders als vor Corona. Report: Derzeit sind die Bauunternehmen noch gut ausgelastet. Sorgen bereiten der Herbst und vor allem auch das Jahr 2021. Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie? Welches Feedback bekommen Sie vom Markt? Blümel: Was ich vom Markt und von Experten höre, bereiten vor allem die Baugenehmigungen Sorgen. Ohne Vergabeverfahren gibt es keine Baustellenöffnung und dann stehen wir irgendwann vor einem Loch. Die Frage ist, wie groß das Loch sein wird. Der Vorteil ist, dass wir aus einer absoluten Hochphase mit Kapazitätsengpässen kommen. Das hilft uns jetzt. Aber die Bremsspuren werden im Herbst und im ersten Halbjahr 2021 deutlich zu spüren sein. Wir rechnen mit einem Rückgang der Volumina im höheren einstelligen Bereich. Report: Sind die Wiederaufbaumaßnahmen der Regierung aus Ihrer Sicht ausreichend? Was würden Sie sich zusätzlich wünschen? Blümel: Es ist auch für die Politik eine außergewöhnliche Situation. Nach den ersten, intensiven Monaten merken wir jetzt, dass die Aktivitäten, die Krise zu steuern, etwas nachgelassen haben. Es ist ein zentrales Anliegen, dass wir aus der Kurzarbeit auch wieder raus müssen. Da wird es einen Bereinigungsprozess geben. Wir sind froh, wenn wir diese frei werdenden Ressourcen auffangen können. Ganz wichtig ist auch das Thema der kommunalen Investitionen. Wenn es für die Förderungen eine 50%-Kofinanzierung braucht, stellt das viele Gemeinden vor große Schwierigkeiten. Ein weiterer Schwerpunkt muss die Sanierung des Gebäudebestands sein. Nur so können wir unsere Klimaschutzziele erreichen. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Regierung hier Maßnahmen setzt. Auch der Fokus auf nachwachsende Rohstoffe ist begrüßenswert. Wir als Synthesa setzen bereits seit vielen Jahren auf dieses Thema, von Hanf bis zur speziellen Innenfarbe. Report: Welche konkreten Pläne und Ziele verfolgen Sie? Blümel: Mein Vorteil ist, dass ich ein Unternehmen führen darf, das über eine lange Tradition verfügt und ganz hervorragend dasteht. Es gibt keinen Grund, Grundlegendes zu verändern. Aber natürlich stehen auch wir vor Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Ich denke an die Produktpalette, die noch stärker auf Ökologie und Nachhaltigkeit ausgerichtet werden muss, oder die Digitalisierung. Da geht es auch darum, den Kunden den Mehrwert dieser Transformation aufzuzeigen, etwa mit Just-in-time-Lieferungen. Und schließlich wollen wir als Vollsortimenter in Zukunft den Markt noch stärker aus einer Hand bedienen. Report: Werden die verschiedenen Marken als eigenständige Einheiten bestehen bleiben? Blümel: Derzeit gibt es keine Pläne, dahingehend irgendetwas zu ändern. Die Marken sind seit Jahren am Markt gut eingeführt. Da haben wir aktuell keinen Handlungsbedarf. Report: In der Pressemitteilung zu Ihrer Bestellung werden Sie mit den Worten zitiert: »Als Marktführer muss man den Markt führen.« In welche Richtung wollen Sie den Markt führen? Blümel: Blicken wir zurück auf die ersten Monate der Coronakrise. Da haben wir den Markt definitiv geführt. Wir waren jeden Tag in jeder Niederlassung für alle Kunden erreichbar. Damit haben wir Standards gesetzt. Wir wollen den Markt aber auch hinsichtlich Innovation, Verfügbarkeit, Service und Verlässlichkeit führen. Das war schon immer eine der großen Stärken der Synthesa. Report: Synthesa sieht sich nicht nur als Markt-, sondern auch als Innovationsführer. Mit welchen Innovationen dürfen Ihre Kunden in Zukunft rechnen? Blümel: Innovation zeigt sich in unserer Branche in Kleinigkeiten. Es geht darum, die Produkte für die Kunden anwendbarer zu machen. Etwa durch den Magic Clean-Effekt, der verhindert, dass Farbe am Eimerdeckel kleben bleibt. Der Kundenvorteil liegt in einem sauberen, bröselfreien Anstrichmaterial. Diese Veränderungen haben wir laufend im Blick. Auch im Bereich Konservierungsmittel werden wir laufend Innovationen präsentieren, ebenso im Bereich nachhaltiger Rohstoffe. Cradle-to-cradle wird immer wichtiger. Diesen Weg hat die Synthesa schon vor vielen Jahren eingeschlagen und den wollen wir konsequent weitergehen. Report: Wenn wir uns im März 2021 wiedersehen: Was muss passiert sein, damit Sie von einem erfolgreichen ersten Jahr sprechen? Blümel: Wenn ich auf die letzten Monate zurückblicke und sehe, wie sehr es unsere Kunden wertgeschätzt haben, dass wir für sie da waren. Auch dann, wenn kein anderer da war. Dann bin ich überzeugt, dass Synthesa auch im März 2021 so stabil und stark dastehen wird, wie das jetzt der Fall ist. Wir werden sicher mit einem schrumpfenden Markt konfrontiert sein. Unser Ziel ist es aber, den Umsatz zumindest stabil zu halten, ebenso den Beschäftigtenstand. Mein persönlicher Erfolg wäre, wenn es uns in diesem Umfeld gelingen würde, Wachstum zu generieren. Und ich bin auch überzeugt, dass uns das gelingen wird.