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Studie: Auftraggeber vs. Auftragnehmer

Studie: Auftraggeber vs. Auftragnehmer

Das Verhältnis von Auftraggebern und Auftragnehmern bei Bauprojekten ist nicht immer das beste. Nicht selten wird schon während der Projektphase munter gegeneinander gearbeitet und regelmäßig sehen sich die Projektpartner nach Abschluss der Arbeiten vor Gericht wieder. Warum das so ist, und was die Gründe für das Scheitern der Zusammenarbeit sind, hat der Bau & Immobilien Report in einer großen Parallelstudie bei den wichtigsten Auftraggebern und Auftragnehmern des Landes erhoben.

Was Helmut Qualtinger einst Simmering und Kapfenberg zugeschrieben hat, gilt bei Bauprojekten nicht selten auch für das Verhältnis von Auftraggeber und Auftragnehmer: Es grenzt schon oft an Brutalität, wie die beiden Seiten während und nach Abschluss von Projekten miteinander umgehen. Der Bau & Immobilien Report wollte genau wissen, warum das so ist und was die Gründe für dieses, gelinde gesagt, nicht immer ganz friktionsfreie Verhältnis von Auftraggebern und Auftragnehmern sind. Deshalb haben wir zwei Parallelstudien durchgeführt und die wichtigsten Auftraggeber und Auftragnehmer des Landes nach ihren einschlägigen Erfahrungen gefragt. 

Gemeinsam gegeneinander

Die Ergebnisse zeigen durchaus Gemeinsamkeiten, bringen aber auch große Differenzen ans Tageslicht. Während »Vertragstreue«, »Handschlagqualität« oder ein »gutes Gesprächsklima« für beide Seiten wichtige Kriterien für eine gute Zusammenarbeit sind, geht die Beurteilung über die Qualität der tatsächlichen Zusammenarbeit weit auseinander. Auftraggeber bewerten die Zusammenarbeit zu weiten Teilen als »lösungsorientiert« (86,7 %), »partnerschaftlich« und »professionell« (je 66,6 %). Die Auftragnehmer erleben ihren Arbeitsalltag völlig anders. Für jeden Zweiten ist die Zusammenarbeit mit den Auftraggebern von »Misstrauen« (50 %) geprägt, für 38,9 % ist sie »problemorientiert«. Nur ein Drittel der Auftragnehmer empfindet das Miteinander als »professionell«, für 22,2 % aber ist sie »unprofessionell« und für 16,6 % von »Egoismus« dominiert.

Die deutlich positivere Einschätzung der Zusammenarbeit seitens der Auftraggeber spiegelt sich auch in der Bewertung der generellen Qualität österreichischer Auftragnehmer. Für 46,6 % verfügen die Unternehmen über »sehr hohe« Qualität, der Rest attestiert ihnen zumindest eine »hohe« Qualität. Im negativen Spektrum verortet kein Auftraggeber die heimischen Bauunternehmen. »Meistens« werden die Erwartungen der Auftraggeber von den Auftragnehmern auch erfüllt. Geht die Zusammenarbeit dann doch einmal schief, liegt das laut Auftraggebern vor allem an »schlecht qualifiziertem Personal«, »Missverständnissen/schlechter Kommunikation« und »unberechtigten Nachforderungen«.

Nicht immer marschieren Auftraggeber und Aufraggeber bei Bauprojekten in dieselbe Richtung. Die Gründe dafür werden von beiden Seiten sehr unterschiedlich gesehen.

Auch bei dieser Fragestellung zeigt sich die deutlich stärker ausgeprägte Skepsis der Auftragnehmer. Ihre Erwartungen an Auftraggeber werden nur zu 61,1 % »meistens« erfüllt, 38,9 % grämen sich über »selten« erfüllte Erwartungen. Die Gründe sehen auch die Auftragnehmer im menschlichen Bereich. Am häufigsten wurden in einer offenen Fragestellung »mangelndes Fachwissen/Inkompetenz« als Gründe für das Scheitern genannt, gefolgt von »Unprofessionalität« und »Entscheidungsschwäche/bürokratischen Hürden«. Aber auch »fehlendes Bewusstsein für Auftraggeber-Pflichten« und  »mangelhafte Mitwirkung« wurden mehrmals genannt.

Fremd- vs. Selbstwahrnehmung

Interessant ist auch, wie weit voneinander entfernt Selbst- und Fremdbild sein können. Während 93,3 % der Auftraggeber die eigene Zahlungsmoral als »sehr gut« und 6,7 immerhin als »gut« einschätzen, zeichnet die Einschätzung der Auftragnehmer ein völlig anderes Bild. Bei öffentlichen Auftraggeber sehen nur 22,2 % eine »sehr gute« Zahlungsmoral, für 44,4 % ist sie »eher gut«, aber für 22,2 % auch »eher schlecht« und für 11,2 % sogar »schlecht«.Etwas besser fällt das Urteil über private Auftraggeber aus. Ihnen bescheinigen zwar nur 6,2 % eine »sehr gute« Zahlungsmoral, dafür aber 68,8 Prozent zumindest eine »gute«. Für je 12,5 % ist die Zahlungsmoral privater Auftraggeber »eher schlecht« bzw. »sehr schlecht«.   

Exkurs: Bestbieterprinzip

Die Forderung der Sozialpartner nach einem verpflichtenden Bestbieterprinzip war eines der zentralen Themen der letzten Jahre. Die Diskussionen über die tatsächlichen Auswirkungen sind auch nach der Einführung nicht abgeebbt. Deshalb hat der Bau & Immobilien Report im Rahmen der Parallelstudien auch abgefragt, wie die bisherigen Erfahrungen von Auftragnehmer und Auftraggeber mit dem neuen Instrument sind.

Einigkeit herrschaft darüber, dass die Komplexität der Ausschreibungen bzw. der Angebotslegung deutlich gestiegen ist. Nur für 21,4 % der Auftraggeber und 28,8 % der Auftragnehmer ist sie gleich geblieben. Dass die Komplexität gesunken sei, behauptet niemand. Während nur 14,3 % der Auftraggeber finden, dass mit dem Bestbieterprinzip die Transparenz gestiegen ist, sind das bei den Auftragnehmern immerhin 27,8 %. Wenig überraschend hingegen sind die unterschiedlichen Einschätzungen der Preisentwicklungen. Während die Auftragnehmer zu 88,8 % sagen, das Bestbieterprinzip habe keine Auswirkungen auf die Preise, stellen immerhin 50 % der Auftraggeber fest, dass mit der Einführung des Bestbieterprinzips auch die Preise gestiegen sind.

Das Studiendesign

Für die vorliegenden Ergebnisse hat der Bau & Immobilien Report die für die Abwicklung von Bauprojekten zuständigen Personen von 25 der größten Auftragnehmer des Landes, darunter die in der VIBÖ (Vereinigung industrieller Bauunternehmungen Österreichs) organisierten Bauindustrieunternehmen sowie große überregionale Gewerbebetriebe befragt. Für die Parallelstudie wurden die für die Abwicklung von Bauprojekten zuständigen Personen von 20 der größten öffentlichen und privaten Auftraggeber des Landes, darunter Asfinag, ÖBB, BIG, gemeinnützige und gewerbliche Wohnbauträger, Projektentwickler, Energieversorger, Handelsketten und Kommunen befragt. Die Befragung wurde mittels Online-Fragebogen mit gestützten und ungestützten Fragen durchgeführt. Die Rücklaufquote lag bei 76 Prozent (Auftragnehmer) bzw. 80 Prozent (Auftraggeber).

Last modified onMontag, 20 November 2017 14:16
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