Selbstschuss-Anlage: eine Tathergangsschilderung
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In unsicheren Zeiten wie diesen ist Selbstverteidigung das höchste Gebot.
Für mich ist ja Sicherheit das Allerwichtigste, Herr Doktor. Also für mich, die Irmi und den Junior. Und wenn man da so die Zeitung liest in den letzten Wochen, also, ich mein, da wird einem schon angst und bang, nicht? Oder eher: Das, was man in den Zeitungen nicht liest! Weiß doch jeder, dass die da schon lange die Wahrheit nicht schreiben dürfen! Wie neulich, mit diesen breit angelegten Plünderungen – also, der Bruder der Friseurin meines Arbeitskollegen hat da neulich auf Facebook Fakten gepostet, da wird’s einem ganz schlecht! Und weil die Irmi deshalb schon seit Wochen so schlecht schlafen kann mit all den feindlichen Invasoren, die da ungehindert durch Österreichs Kleingartensiedlungen marodieren, hab ich halt beschlossen, mich und meine Familie jetzt selbst zu schützen.
Ich mein, das war ja früher schon extrem gefährlich in diesem Land, frage nicht. Die Rumänenbanden! Die gewaltbereiten Afrikaner! Überall diese terroristischen Schläfermullahs! Oder der Problembär! Aber jetzt, wo da diese Völkerwanderung über uns hereinschwappt – Irmi, hab ich gesagt, wenn schon das Abendland kampflos untergeht, bei unserer Thujenhecke ist Schluss, das ist der Rubicon, bittesehr, bis hierher und nicht weiter! Gut, das war halt schon eine Investition, nicht, allein der Graben, das Flutlicht, und dann der dreifache Stacheldraht, man glaubt ja nicht, wie teuer das Zeug ist. Und der Strom! Gut, die Nachbarn haben sich auch aufgeregt, dabei hab ich extra gesagt, Hubert, pass auf, dass deine Katze da nicht zu nah hingeht! Ich hab eh überall Schilder aufgestellt, nicht, auf Deutsch, Persisch, Arabisch, Farsi, Paschtu, Englisch, Tschetschenisch, Russisch, in Piktogrammen und auch auf Chinesisch. Bitte? Wieso Chinesisch? Naja, sicher ist sicher.
Das Gute ist, dass so eine Krise, wo dauernde Lebensgefahr droht, die Familie auch zusammenschweißt. Beim Schießtraining mit dem Junior haben wir schon so schöne Sachen erlebt! Gut, die Magnum ist ihm noch zu schwer, da hat er sich schon fast das Handgelenk gebrochen beim ersten Mal, aber mit der kleinen Glock – ein Naturtalent, sag ich Ihnen! Und das mit vier Jahren! Oder neulich, bei der zweiten Wachablöse um drei Uhr früh, der dankbare Blick von der Irmi, wie wir das neue Nachtsichtgerät ausprobiert haben – da weiß man wieder, warum man das alles macht.
Drum ist das jetzt auch alles halb so wild, Herr Doktor, weil, eh klar, ich bin halt schon auch ein bisserl selbst schuld. Ich mein, welchen Sinn hat denn so ein fix ausgemachtes Klopfsignal an der Schlafzimmertür, wenn man ganz tramhappert ist und sich damit vertut? Wie bitte? Anzeige erstatten? Unfug! Die Irmi hat sich ja selber auch geschreckt! Sie trifft da keine Schuld – im Gegenteil, ich bin stolz, dass meine Gattin ganz kaltblütig genauso reagiert hat, wie wir das vorher gedrillt haben! Und ja, jetzt bin ich schon ganz froh, dass sie nicht öfter mit am Schießstand war – und dass der Mensch eine zweite Niere hat, ist ja auch kein Nachteil.
Sicherheit geht eben vor, da muss man schon auch Opfer bringen. Jetzt würd ich aber gern wieder nach Hause, weil es dämmert schon. Wie? Das ist nur ein Nebeneffekt vom Morphium? Ach so. Na dann. Aua.