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»Saubere, sichere und bezahlbare Stromversorgung«

\"EvelineEveline Steinberger-­Kern, Sector Cluster Lead Energy Central Eastern Europe, Siemens AG Österreich, über die Abkehr vom Solargeschäft, Chancen für GuD-Kraftwerke und die Energiewende auf der Straße.

 

Report: Wie ist Ihr persönliches Resümee nach knapp einem Jahr an der Spitze von Siemens Energy in Österreich? Wie gut ist das Jahr bislang gelaufen?
Eveline Steinberger-Kern: Ich steuere von Österreich aus das Energiegeschäft für 19 Länder im CEE-Raum, darunter auch Österreich selbst. Es handelt sich dabei um einen sehr heterogenen Wirtschaftsraum mit 19 verschiedenen Energiegesetzen und unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Angesichts dieser Komplexität und des wirtschaftlichen Umfeldes  ist es für uns sehr gut gelaufen. Natürlich spüren wir die Auswirkungen der Finanzkrise in unseren Auftragsbüchern, weil Großprojekte aufgrund von Schwierigkeiten etwa im Finanzierungsbereich verschoben werden. Ausgleichend wirken aber wachsende Märkte wie etwa die Türkei, Rumänien oder Tschechien, die sich auch in dem von Siemens Österreich verantworteten Ländercluster befinden.  

Report: Was bedeutet die strategische Neuausrichtung mit der Abkehr vom Solargeschäft für den heimischen Standort? Was bedeutet dies für die Region CEE?
Steinberger-Kern: Die Entscheidung von Siemens, sich weltweit aus dem Solargeschäft zurückzuziehen, ist noch sehr frisch. Daraus bereits detaillierte Analysen abzuleiten, dafür ist es zu früh. Da Siemens im Bereich Photovoltaik in größeren Anlagendimensionen tätig war, ist Österreich kein vorrangiger Zielmarkt gewesen. Allerdings haben wir in Österreich auch PV-Netzanschlussprojekte realisiert, wie zum Beispiel in Oberzeiring in der Steiermark, dem höchstgelegenen Photovoltaikkraftwerk Europas. Siemens wird jedoch ohne Zweifel weiterhin führend im Geschäft mit erneuerbaren Energien in den Bereichen Wind- und Wasserkraft tätig sein. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird weiter voranschreiten und hocheffiziente Energietechnologien werden forciert werden.

Report: Welche Wachstumsmöglichkeiten sehen Sie bei fossilen Energien in Österreich? Die Nachrüstung konventioneller GuD-Kraftwerke alleine wird keine großen Sprünge bieten – schließlich arbeiten heimische Anlange mit bereits hohen Wirkungsgraden.
Steinberger-Kern: Aus unserer Sicht gehören vor allem auch moderne hocheffiziente Gas- und Dampfturbinenkraftwerke mit Wärmeauskopplung und über 60 Prozent Wirkungsgrad zu den Zukunftstechnologien, genauso wie Lösungen zur Steigerung der Effizienz bestehender Anlagen. Energietechnologien, mithilfe derer durch weniger Energieeinsatz mehr Leistung herausgeholt werden kann und die daher zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz beitragen, sind eine wesentliche Basis für den Erfolg von Siemens. Rund 40 Prozent des Konzernumsatzes entfallen auf grüne Produkte und Lösungen, wozu etwa energiesparende Züge, Gebäudetechniklösungen und hocheffiziente Kraftwerke gehören. Im Juni dieses Jahres haben wir mit dem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Mellach in der Steiermark eines unserer Vorzeigebeispiele in Sachen Effizienztechnologien an den Kunden übergeben. Die Herausbildung neuer Vermarktungsmodelle und bei der Preisbildung nicht die Produktion, sondern auch die Leistung, das Kilowatt, in den Mittelpunkt zu stellen, könnte einen erforderlichen Produktions- und Investitionsanreiz liefern. Wir brauchen jedenfalls einen funktionierenden Marktmechanismus, damit wir nicht vom Weg der Energiewende abkommen.

Report: Stichwort Energiewende - was verstehen Sie darunter und wie geht sie aus Ihrer Sicht voran?
Steinberger-Kern: Ich verstehe die Energiewende als eine Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien, die schon lange vor dem Atomausstieg in Deutschland begonnen hat. In diesem Sinne sind schon viele Fortschritte gemacht worden: Angefangen von den Plänen zur Reduktion klimaschädlicher Treibhausgasemissionen auf EU-Ebene bis hin zur immer stärker werdenden Akzeptanz aufseiten der Konsumenten, begünstigt durch die immer größer werdende Verbreitung etwa von privaten Photovoltaikanlagen und der Elektromobilität, die mit Ökostrom betrieben wird. Das Ziel muss eine saubere, sichere und bezahlbare Stromversorgung sein. Klar ist auch, dass wir erneuerbare Energiequellen noch effizienter und wettbewerbsfähiger machen müssen. Das erreichen wir durch ein breites Commitment von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und einen realistischen Blick auf die zugegebenermaßen völlig neuen und komplexen Herausforderungen. Siemens ist jedenfalls bereit, die Energierevolution, die ihren Kern in der Dezentralisierung der Energieerzeugung hat, wesentlich mitzugestalten. Die Umstellung unseres Energiesystems insgesamt wird neues Wirtschaftswachstum generieren. Innovationen können gerade auch in der Krise als Konjunktur- und Jobmotor dienen.

Report: In welchen Sparten sehen Sie weiteres Wachstumspotenzial für Siemens Energy in Österreich und CEE?
Steinberger-Kern: Die Umstellung unseres Energiesystems auf alternative und klimaschonende Energiegewinnung ist der Schwerpunkt für die nächsten Jahrzehnte. Der Trend zu einer hocheffizienten, dezentralen Energieversorgung ist nicht umkehrbar. Derzeit verdoppelt sich der Anteil erneuerbarer Energie jedes dritte Jahr. Es liegt an uns, die besten Energieeffizienztechnologien voranzutreiben. Aus der Perspektive von Siemens Österreich ist der Raum Central Eastern Europe durch den gegebenen Aufholbedarf ein attraktiver Energiemarkt.

Report: Wie beurteilen Sie die jüngsten Forderungen der Branche nach einer Ausweitung der Förderungen von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen? Wann sind Förderungen für Energietechnologien sinnvoll, wann nicht?
Steinberger-Kern: Innovative Technologien sollten aus meiner Sicht grundsätzlich nur solange unterstützt werden, bis sie es zur Marktreife geschafft haben. Ich bin gegen Dauersubventionen, weil sie verzerrend wirken und zu Marktversagen führen können. Das erleben wir momentan bei der einseitigen Förderung von erneuerbaren Energien. Bei nicht ausreichender Verfügbarkeit erneuerbarer Energien werden derzeit in der »Merit-Order« alte Braunkohlekraftwerke gefahren und nicht hocheffiziente Gaskraftwerke, wie etwa das bereits erwähnte GuD-Kraftwerk in Mellach. Wir brauchen jedenfalls hocheffiziente GuD-Kraftwerke als Rückgrat für eine sichere Versorgung, weil Renewables nur in verhältnismäßig wenigen Stunden Strom erzeugen können.

Report: Elektromobilität war bereits vor Ihrer Aufgabe bei Siemens ein Thema, mit dem Sie sich intensiv beschäftigt haben. Welches Marktwachstum sehen Sie hier in Europa? Wie viele E-Cars könnten in fünf bis zehn Jahren auf den Straßen unterwegs sein?
Steinberger-Kern: Siemens Österreich unternimmt ja gerade mit dem Verbund konkrete Schritte zur realen Umsetzung von Elektromobilität in Österreich. Gemeinsam wurde der E-Mobility Provider auf den Weg gebracht, der am Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur arbeitet und ein Komplettpaket an Elektromobilitätsdienstleistungen anbieten wird. Auf Basis von Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen natürlich, denn nur so macht Elektromobilität wirklich Sinn. Mit dem E-Mobility Provider Austria wollen Siemens und Verbund erreichen, dass bis 2020 rund 200.000 Elektrofahrzeuge auf Österreichs Straßen unterwegs sind.

Report: Was sind die Zukunftstechnologien im Energiebereich und welche Lösungen bietet Siemens?
Steinberger-Kern: »Power to Hydrogen/Gas« ist eine Schlüsseltechnologie der Zukunft, mit der wir die Energiewende erfolgreich vorantreiben können. Dabei wird Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff oder synthetisches Erdgas umgewandelt und im Erdgasnetz gespeichert. Siemens ist hier in vielfältiger Weise aktiv und forscht an Technologien zur Umwandlung von Strom in Gas. Darüber hinaus entwickeln wir auch Turbinen, die in Gas- und Dampfturbinenanlagen mit reinem Wasserstoff betrieben werden können. 2014 sollen die ersten Prototypen vorgestellt werden. Die Speicherthematik ist das »missing link« bei der Energiewende. Siemens bietet Energiespeicherlösungen unter anderem zur Stabilisierung von Verteilnetzen mit einem hohen Anteil an dezentralen erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen an, die Schwankungen bei keinem Wind oder keiner Sonne innerhalb von Millisekunden bereits im Netz abfangen, ohne dass in die Steuerung von Kraftwerken eingegriffen werden muss – denn das hat ja immer Verluste bei der Effizienz oder höhere Kosten zur Folge. Der italienische Energieversorger Enel hat eine Siemens-Speicheranlage auf Lithium-Ionen-Basis mit einem Megawatt Leistung in Betrieb genommen. Enel will damit im Mittelspannungsnetz untersuchen, wie die Spannung stabilisiert werden kann und wie gut sich der Speicher eignet, um ein Stromnetz nach einem kompletten Blackout kontrolliert zu starten. 

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