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Die Staatspleite als Normalität

\"finanzielleGriechenland ist nicht das erste Land, das pleite geht. Es wird auch nicht das letzte sein. Österreich war schon siebenmal zahlungsunfähig, Deutschland achtmal. Auch New York City stand in den 70ern vor dem Abgrund – und wurde gerettet. Mit ganz anderen Maßnahmen, als zur Rettung Griechenlands eingesetzt werden.

Sie schöpfen aus einem unglaublichen Zahlenfundus  und erklären damit die Welt. Das ist der Ruf, der den Wirtschaftsprofessoren der Harvard Universität in Cambridge, Massachusetts, vorauseilt. Professor Kenneth Rogoff ist dem mit seinem Buch »Diesmal ist alles anders« gerecht geworden. Der Untertitel lautet: »Acht Jahrhunderte der finanziellen Narretei«.

Gleich im Vorwort macht er die Illusion zunichte, dass die heutigen Schuldenkrisen fundamental anders seien. Er gesteht, eigentlich einen grob irreführenden Titel verwendet zu haben, denn in Wirklichkeit sei es bloß Illusion zu glauben, dass je ein Zeitpunkt kommen würde, zu dem Schulden  keine Rolle spielen würden. Sie haben es in der gesamten Staatsgeschichte getan und Rogoff weist nach, dass vernünftiges Haushalten eigentlich die Ausnahme ist. Blindes Schuldenmachen und das Erfinden von Ausreden, warum das gut sei, ist hingegen die Regel.

Allein die Liste der seit 1800 eingetretenen Staatspleiten hat es in sich. Österreich liegt mit sieben Staatspleiten im Vorderfeld. Deutschland hat es gar auf acht Pleiten und Spanien als Spitzenreiter auf 13 Pleiten gebracht. Portugal zählt immerhin sechs Insolvenzen, genauso wie die Türkei. Spannend auch , dass Staaten, von denen man gemeinhin annimmt, dass sie besonders marode sind, im historischen Schnitt gar nicht herausragen. Argentinien etwa zählt sieben Staatspleiten, also genau so viele wie ... Österreich! An Griechenland ist interessant, dass es zwar »nur« – die jetzige miteingerechnet – sechs Staatspleiten zu verzeichnen hat, aber seit 1800 insgesamt mehr als 50 Jahre im Zustand der Zahlungsunfähigkeit verbracht hat.  Athen erholt sich also auch historisch gesehen ganz schlecht aus seinen Krisen.

Als wahrer budgetpolitischer Musterknabe erweist sich Italien, das nur ein einziges Mal seine Gläubiger enttäuschen musste. Besser sind nur das Vereinigte Königreich, Kanada und die USA. Alle drei haben bisher immer ihre Schulden bezahlt, was zu dem vorschnellen Urteil verleiten könnte, dass angloamerikanische Kapitalisten einfach besser rechnen können. Aber das Beispiel der Finanzmetropole New York City lässt vorsichtig werden. Die Stadt schrammte in den 70er-Jahren knapp an der Zahlungsunfähigkeit vorbei und nur die Härte des demokratischen Gouverneurs Hugh L. Carey, der im Sommer 2011 im Alter von 92 Jahren verstorben ist, rettete damals die Stadt. Vieles von dem, was er damals sagte, passt auch auf die heutige Situation in Europa. »Die Zeit von Wein und Rosen ist vorbei«, erklärte er, nachdem er sich vom damaligen Präsidenten Gerald Ford eine Abfuhr geholt hatte. Carey bat um eine Milliarde aus Washington und bekam sie nicht. Die Stadt war auf sich allein gestellt. Im Oktober 1975, am Höhepunkt der Krise, als die Müllarbeiter streikten und sich Abfallberge häuften in der Stadt, die niemals schläft, erklärte Ford: »Ich werde jedes Gesetz mit einem Veto belegen, das versucht, New York Citys Schulden zu bezahlen.« Am nächsten Tag titelte die Daily News: »Ford to City: Drop dead«.

Carey, der Gouverneur, stellte die Stadt unter Kuratel, entließ 20.000 Mitarbeiter und kürzte die Ausgaben drastisch. Erst dann erhöhte er Steuern ...

Manchmal ist es so, dass Härte eine Sanierung nicht verhindert, sondern sie überhaupt erst möglich macht.

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