Ambitionierte Ziele, verschiedene Wege
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Die europäische Dimension der Versorgungssicherheit stand im Brennpunkt einer Diskussion des Forums der »Verbindungsoffiziere Energieversorgung« des Österreichischen Bundesheeres im Mai.
Von Klaus Fischer
Die Lage in den teils erdöl- und erdgasreichen Staaten Nordafrikas wird voraussichtlich noch längere Zeit gespannt bleiben, warnte der stellvertretende Generalstabschef des Österreichischen Bundesheeres, Generalleutnant Christian Segur-Cabanac, kürzlich beim Forum der »Verbindungsoffiziere Energieversorgung« des Österreichischen Bundesheeres (VeO Energieversorgung) in der Landesverteidigungsakademie in Wien. Segur-Cabanac sagte, die Grenzen der meisten dieser Staaten seien in der Zeit des Kolonialismus ohne Rücksicht auf die heimische Bevölkerung »wie mit dem Lineal gezogen worden. Daher ist es verständlich, dass es zu Erosionsprozessen kommt.« Doch deren Folgen könnten auch nicht immer als besonders vorteilhaft bezeichnet werden. Der Sudan etwa habe sich in den Nord- und in den Südsudan gespalten: »Die Ölreserven liegen weitestgehend im Süden. Wovon der Norden leben soll, weiß man nicht.« Folglich könnten Auseinandersetzungen gewaltsamer Art nicht ausgeschlossen werden. Europa müsse sich auf derartige Entwicklungen sowie ihre potenziellen Auswirkungen vorbereiten und, so weit möglich, unerwünschten Szenarien entgegenwirken. »Eine Festung Europa wird es nicht geben können«, betonte Segur-Cabanac. Folglich müsse Europa dafür sorgen, dass die Menschen in den nordafrikanischen Staaten ein zumindest einigermaßen erträgliches Leben führen könnten.
Allerdings zeigte sich Segur-Cabanac nicht besonders optimistisch, was die längerfristige Entwicklung betrifft. Im Lauf des 21. Jahrhunderts könnten Kriege um die »Lebensressource Wasser« nicht ausgeschlossen werden. »Österreich ist in dieser Hinsicht ein begnadetes Land. Unsere Wasserkraft wird sich noch einmal als ›weißes Gold‹ erweisen«, resümierte Segur-Cabanac.
Gut versorgt
Die europäische Dimension der Versorgungssicherheit im in Hinblick auf Erdgas erörterte der Vorstand der Energie-Control Austria (E-Control), Walter Boltz. Er verwies auf Berechnungen des europäischen Gaswirtschaftsverbandes Eurogas, denen zufolge der Erdgasbedarf der EU von derzeit etwa 493 Milliarden Kubikmeter bis 2030 auf rund 625 Milliarden Kubikmeter anwachsen wird. Der wesentlichste Wachstumstreiber ist die Stromerzeugung. So wird der Gasbedarf für Kraftwerke von etwa 158 Milliarden Kubikmetern auf 239 Milliarden Kubikmeter anwachsen. Noch nicht berücksichtigt sind in diesen Berechnungen die Folgen des Ausstiegs Deutschlands aus der Kernkraft, ergänzte Boltz. Da überdies die Produktion der europäischen Gasfelder zurückgehe, lasse sich eine Versorgungslücke nicht ausschließen. Zumindest aber werde die Abhängigkeit von Gasimporten erheblich anwachsen – laut Eurogas von derzeit rund 48 Prozent auf 74 Prozent im Jahr 2030.
An Möglichkeiten, Gas zu importieren, sollte auf absehbare Zeit allerdings kein Mangel bestehen, betonte Boltz. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die zunehmende Erschließung unkonventioneller Gasvorkommen (Schiefergas), insbesondere in den USA. Auf diese entfällt etwa ein Viertel der auf 666.000 Milliarden Kubikmeter geschätzten weltweiten Reserven. Da die USA seit einigen Jahren den Großteil ihres Gasbedarfs mit deren Hilfe decken, ist zusätzliches Erdgas in erheblichen Mengen verfügbar. In verflüssigter Form (Liquefied Natural Gas, LNG) kann dieses weltweit vermarktet werden. Hauptlieferant ist Qatar, das Gasvorkommen von rund 25.500 Milliarden Kubikmeter sein Eigen nennt. Liegt der Anteil von LNG an der Deckung des europäischen Erdgasbedarfs derzeit bei rund 10 Prozent, könnten es im Jahr 2020 etwa 20 Prozent sei, sagte Boltz unter Berufung auf Zahlen des deutschen Gaskonzerns E.On-Ruhrgas.
Auch stünden neben den »traditionellen« Erdgaslieferanten Europas, Russland und Algerien, künftig auch andere Staaten mit ihren Vorkommen bereit. So könnte etwa LNG aus Nigeria angeliefert werden. Die Erschließung der etwa 11.000 Milliarden Kubikmeter umfassenden Gasreserven des kaspischen Raums ist im Gang. Längerfristig ließe sich auch iranisches und irakisches Gas nutzbar machen. Mit rund 27.000 Milliarden Kubikmetern verfügt der Iran nach Russland mit 43.000 Milliarden Kubikmetern über die zweitgrößten Gasvorkommen der Welt. Die irakischen Vorkommen werden auf etwa 3.200 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Zunehmend werden auf den großen europäischen Gasleitungen auch Möglichkeiten geschaffen, Gas auch gegen die übliche Flussrichtung transportieren zu können (»Reverse Flow«). Dies trägt ebenfalls zur Sicherheit der Gasversorgung bei.
Sicherheit für die Gasversorgung Europas bringen aber auch EU-interne Maßnahmen. So legt die Versorgungssicherheits-Richtlinie erstmals Standards insbesondere für die Versorgung von Haushalts- und Gewerbekunden (»geschützte Kunden«) fest. Selbst bei Ausfall der Hauptversorgungsquelle muss die Belieferung dieser Kunden mit Erdgas für mindestens 30 Tage gesichert sein. Dies kann etwa durch Einspeichern entsprechender Mengen erfolgen. Österreich wird mit Ablauf des heurigen Jahres über Gasspeicher mit einem Gesamtvolumen von etwa 6,6 Milliarden Kubikmetern verfügen und ist damit bei einem Jahresbedarf von etwa 8,5 Milliarden Kubikmetern nicht eben schlecht gerüstet.
Schwer zu ersetzen
Zu beachten ist dabei allerdings, dass rund 30 Prozent des Volumens eines Speichers stets mit Gas gefüllt bleiben müssen, betonte Johann Grünberger, Vorstandsdirektor der Oberösterreichischen Ferngas (OÖFG). Andernfalls dringt Wasser in die Poren des Speichers und zerstört diesen.
Einigermaßen schwierig wäre es übrigens, den Erdgasbedarf Österreichs mit anderen Energieträgern zu decken. Allein in Oberösterreich werden pro Jahr rund zwei Milliarden Kubikmeter Gas benötigt. »Wenn wir das mit Buchenholz ersetzen würden, bräuchten wir 270.000 LKWs mit je 34 Schüttraummetern Ladung. Damit könnten wir eine vierspurige Autobahn von Linz nach Paris komplett zuparken«, erläuterte Grünberger.
Bedachtsam vorgehen
Zu bedachtsamem Vorgehen beim Ökostromausbau riet Ministerialrat Otto Zach von der Energiesektion des Wirtschaftsministeriums. Zach argumentierte, erneuerbare Energien wie Wind und Photovoltaik hätten beträchtlichen Flächenbedarf. Als vergleichsweise kleines Land könne Österreich jedoch nur begrenzte Flächen zur Verfügung stellen. Überdies empfehle es sich, beim Ausbau der »Erneuerbaren« auf die Kosten zu achten. Die eine oder andere Korrektur bei den Unterstützungen sei durchaus angebracht. Und bei der Stromerzeugung mithilfe von Wasserkraft als der derzeit einzig marktreifen Technologie im Rahmen der erneuerbaren Energien befinde sich Österreich ohnedies unter den weltweit führenden Ländern.
Heftige Kritik übte Zach an den Vorschlägen der EU-Kommission, die CO2-Emissionen Europas bis 2050 um etwa 80 bis 95 Prozent zu senken. Dies könne nur als »völlig unrealistisch« bezeichnet werden. Die Emissionen im Bereich der Energieerzeugung müssten dazu fast auf Null gefahren werden, was schwerlich darstellbar erscheine. Schon der Entwurf zur österreichischen Energiestrategie, den Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Umweltminister Niki Berlakovich im Frühjahr 2010 vorlegten, enthält laut Zach »sehr ambitionierte« Zielvorstellungen. Bekanntlich skizziert der Entwurf Maßnahmen, die dazu dienen, die österreichischen Verpflichtungen aus dem Klima- und Energiepaket der EU zu erfüllen. Diesen zufolge muss die Republik den Anteil der erneuerbaren Energien an der Deckung des Brutto-Endenergiebedarfs von derzeit rund 28 Prozent bis 2020 auf 34 Prozent steigern, die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöhen und die CO2-Emissionen in jenen Sektoren, die nicht dem EU-internen Emissionshandel (EU-ETS) unterliegen, um 16 Prozent senken. Ohne die im Strategie-Entwurf vorgesehene Stabilisierung des Brutto-Endenergiebedarfs auf dem Niveau von 2005, das bei 1.100 Petajoule (PJ) lag, »ist das kaum zu schaffen«, warnte Zach.
>> Das Forum VEO Energieversorgung:
Das Forum Verbindungsoffiziere (VeO) Energieversorgung wurde im Jahr 2008 gegründet und ist weit über das Österreichische Bundesheer hinaus anerkannt. Das Forum bietet eine interdisziplinäre Plattform für Diskussionen über Fragen der Energieversorgung, wobei der besondere Schwerpunkt auf der Versorgungssicherheit liegt. Die Verbindungsoffiziere Energieversorgung sind in ihren Zivilberufen unter anderem in bedeutenden Unternehmen der österreichischen Energiewirtschaft sowie in für Fragen der Energieversorgung zuständigen Behörden tätig. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Energie- und Sicherheitspolitik und stärken das Netzwerk der Verbindungsoffiziere des Bundesheeres.
Im Auftrag des stellvertretenden Generalstabschefs und Leiters der Sektion IV-Einsatz im Bundesministerium für Landesverteidigung, Generalleutnant Christian Segur-Cabanac, sind Brigadier Rudolf Thurner sowie Oberst des höheren militärtechnischen Dienstes Gernot Hatzenbichler von der Austrian Power Grid (APG) für die Organisation des Forums verantwortlich.