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Lobbyistenkrise

 

\"DerDer Strasser-Skandal brachte das Fass zum Überlaufen. Lobbyisten schlägt nur mehr kalte Wut und blanke Verachtung ins Gesicht. Aber was leistet die geheimnisumwitterte Branche tatsächlich? Report Plus befragte Lobbyisten, ihre Auftraggeber und Kritiker.

Eigentlich ist das Kapitel Ernst Strasser nur ein weiterer Eintrag in die schon leicht unübersichtliche Skandalchronik der Republik. Nicht einmal ein besonders spektakulärer, zumindest in Relation gesehen. Für die genannten Jahreshonorare dürften einige illustre Lobbykollegen gerade einmal zum Telefonhörer greifen. Das bunte und – Justitia sei Dank – weitgehend folgenlose Treiben hat die Österreicher schon ein bisschen mürbe gemacht. In Deutschland grassiert seit letztem Jahr der »Wutbürger«, hierzulande flüchtet man sich eher in Zynismus, Verachtung oder Resignation. Zumindest ihren schwarzen Humor haben die Österreicher noch nicht aufgegeben. Grasser, Meischberger und Co etablierten sich auch als Kultfiguren in Kabarett und Satire. Aber Strasser dürfte der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Veröffentlichung des Strasser-Videos löste eine Druckwelle öffentlicher Empörung aus. Selbst das Online-Forum der »Presse« platzte innerhalb von Stunden vor Wut und Andrang. Von der dort sonst gepflegten, bildungsbürgerlich noblen Zurückhaltung war kein Hauch mehr zu spüren. Wie im kollektiven Rausch fielen die tendenziell eher konservativen »Presse«-Poster über Strasser, Lobbyismus, Justiz und Verluderung der Politik her. Ausgerechnet die eigene Klientel forderte von der ÖVP nicht nur den Kopf von Strasser – bitte am Silbertablett und pronto – sondern auch einen moralischen Kurswechsel.

Mit einem Furor, den ein »Presse«-Leser mit »Unfassbar und das hier« kommentierte. Strasser wäre nicht einmal dann zu halten gewesen, wenn ihn die Betonfraktion in Niederösterreich eingemauert hätte. Nach einer ziemlich langen »Schrecksekunde« – aber immerhin – zog die ÖVP-Parteizentrale dann die Reißleine. Der politische Gegner SPÖ verhielt sich nur verhalten angriffig. Vielleicht auch aus Eigeninteresse. Das Ansehen von Politik, damit verbandelten Lobbyisten und ohnmächtiger Justiz ist ohnehin schon nahe am Nullpunkt. Für staatstragende Volksparteien wie ÖVP und SPÖ wird es langsam aber sicher desaströs. »Wir tun scheinbar wirklich alles, damit Strache Kanzler wird«, schütteln Funktionäre beider Parteien gegenüber Report Plus unisono den Kopf. Namentlich zitiert will man das freilich lieber nicht sehen. Dem Skandal um Ernst Strasser kann aber auch Positives abgewonnen werden. Seit Wochen tingeln Politiker nicht nur durch Nachrichtensendungen und Diskussionsrunden, sondern setzen – verbal zumindest – schon Taten. Die Regelungen und Rahmenbedingungen für Lobbyismus sind schon in Brüssel etwas unscharf. Verbesserung sollte etwa ein freiwilliges Transparenzregister schaffen, dessen breite Akzeptanz allerdings überschaubar ist.

Parteien in Panik

Schon bei der reinen Kopfzählung scheiden sich die Geister. Selbst ob in der »EU-Hauptstadt« nur 15.000 oder gar 25.000 Lobbyisten tätig sind, ist umstritten. Immerhin unterliegen die Parlamentarier – nach den Skandalen der Vergangenheit – halbwegs klaren Regelungen. Für Ernst Strasser könnte das theoretisch sogar ein juristischer Boomerang werden, falls die heimische Justiz die Causa – schon einmal gehabt – wieder »verjährt«. Strafferen Regeln unterliegen etwa auch deutsche Politiker. Zumindest auf dem Papier. Einigungskanzler Helmut Kohl stand eisern wie ein sizilianischer Dorfpate zu einem »Ehrenwort« gegenüber dubiosen Spendern. Wolfgang Schäuble »vergaß« Geldkoffer aus dem Dunstkreis von Waffenhändlern und ist heute noch Innenminister. Ex-Kanzler Helmut Schröder, der »Genosse der Bosse«, erklärte Vladimir Putin zum »lupenreinen Demokraten« und verdingt sich heute – Zufall oder vertiefte Freundschaft unter ausgeprägten Machos – unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender des deutsch-russischen Pipeline-Konsortiums Nord Stream.

Die Deutschen gelten als gründlich und sauber, aber auch in Berlin ist Justitia manchmal mehr als blind. Die verheerenden Wahlniederlagen der deutschen Regierungsparteien dürften zu einem Gutteil auch mit Verflechtungen zwischen Politik und Lobbyismus zu tun haben. »Die Politik ist von den Lobbys gekauft. Insbesondere von der Atomlobby«, diagnostizierte etwa der Literaturnobelpreisträger Günter Grass. CDU/CSU dezimieren sich selbst in erzkonservativen Stammländern auf Mittelmaß. Die Liberalen – lobbygetrieben bis zur Selbstaufgabe – schafften mit Ach und Krach gerade noch den Einzug in diverse Landesparlamente und würden bei einer Bundeswahl wahrscheinlich mit Bomben und Granaten daran scheitern. Die zuletzt reumütig anmutenden Bekenntnisse und Absichtserklärungen der österreichischen Politkollegen dürften auch der aufmerksamen Beobachtung der deutschen Entwicklung geschuldet sein, bei der den heimischen Mandataren der Schreck in die Knochen gefahren sein dürfte. Immerhin will das Parlament beim Umgang mit Lobbyismus das eigene Regelwerk nachbessern. In Österreich sind die Bestimmungen derartig lax, dass sich etwa Strasser gute Chancen ausrechnen kann, selbst ohne tatkräftige Mitwirkung der Justiz straffrei auszugehen. Wirklich strafbar ist nur der direkte Stimmenkauf. Eine eher theoretische Bestimmung, wie unter anderen auch Ex-Rechnungshofpräsident und Transparency-Beirat Franz Fiedler kritisierte. Die Parteienfinanzierung ist ohnehin ein unrühmliches Kapitel. Im Vergleich mit den EU-27 findet sich kaum ein Land, das sich damit einen ähnlich schlampigen und undurchsichtigen Umgang leistet. Immerhin sind die heimischen Politiker aufgescheucht und übertreffen sich mit Ansagen. Selbst die Justiz will nicht nur mehr bei Tierschützern, sondern auch bei der Aufklärung illustrer Fälle auf das  Gaspedal steigen.

\"DerImage-Offensiven

Unterstützung findet die Politik selbst bei Kritikern. Transparency-Chefin Eva Geiblinger gibt etwa Barbara Prammer Rückendeckung: »Wir begrüßen die Vorschläge der Nationalratspräsidentin, in Österreich vergleichbare Regelungen der Offenlegung der finanziellen Interessen von Abgeordneten wie in Deutschland einzuführen.« Seltenes Lob gibt es auch für die Justizministerin. Geiblinger begrüßt Claudia Bandion-Ortners Ankündigung, das Thema Lobbyismus einer Regelung zuzuführen – und erhofft sich davon eine »wirksame Handhabe zur Sanktionierung korrupter Außenseiter«. Geiblinger dürfte damit selbst in der betroffenen Branche auf Gehör stoßen. Die »korrupten Außenseiter«, wie die Professorin das nennt, vermasseln das Image und Geschäft ehrbarer Lobbyisten ohnehin schon gehörig. Der Ruf ist nicht nur in der »gemeinen« Bevölkerung ein bisschen unten durch. Gebrüder Weiss-Chef Wolfgang Niessner fällt auf Anfrage nur ein: »Lobbyismus? Damit habe ich nie etwas zu tun gehabt.« Sein kurzer Nachsatz: »Gott sei Dank.« Immofinanz-Chef Eduard Zehetner assoziiert auf seine ihm eigene Art: »Es gibt auch gute Lobbyisten?«. Dann folgt kein Nachsatz, aber ein hörbares Lachen.

Auf die bierernste Waagschale sollte man die Äußerungen der beiden Spitzenmanager nicht legen. Bezeichnend für ein Stimmungsbild sind sie allemal. Kein Wunder also, dass neben Politikern auch die Lobbyisten selbst reihenweise ausrücken, um das Bild ihrer Branche ins rechte Licht zu rücken. Per se ist Lobbyismus nicht unmoralisch oder gar korrupt und kriminell, sonder ein durchaus normaler und manchmal sogar segensreicher Bestandteil politischer Entscheidungsfindung. Deutlich artikuliert wurde das am jüngsten ARS-Lobbying-Kongress, bei dem sich Größen aus der Branche, Wirtschaft und Politik die Klinke in die Hand gaben. Lobby-Coach Wolfgang Lusak verwies etwa darauf, dass Lobbyismus zum alles entscheidenden Verbindungsstück zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik werden wird. »Gutes und professionelles Lobbying bedeutet,  mit Hilfe weniger Menschen die Dinge zum Nutzen vieler Menschen zu verändern.« Gleichzeitig warnte Lusak vor dem wachsenden Einfluss von »aggressiven Familien- und Stammesclans«, was durchaus nicht nur auf tribalistische Strukturen in Afrika oder Asien gemünzt war. Orange-Boss Michael Krammer erklärte Lobbying zur »Chefsache«, damit Interne wie Externe »richtig auf Schiene« agieren können. 

Branche auf Selbstfindung

Heidi Glück, frühere Pressesprecherin von Wolfgang Schüssel und heute selbst Lobbyistin, forderte, dass Politiker sich nicht nur als Ziel von Lobbyisten sehen, sondern selber »aktiv Lobbying« betreiben sollten, um künftig mehrheitsfähige Projekte auf die Beine zu stellen. Da und dort herrschten bei den am ARS-Kongress anwesenden Lobbyisten leichte Meinungsdivergenzen. Weitgehend einig war man sich darüber, dass die Branche weiter professionalisiert werden müsse, wie es sich etwa Politikberater Feri Thierry via ORF auch schon wünschte. Dieses Anliegen dürfte auch in Lobbyistenkreisen mehrheitsfähig sein. Alleine schon aus Abgrenzungsgründen. Österreichs erste Lobbyvereinigung „Austrian Lobbying & Public Affairs Council“, kurz ALPAC, nimmt Mitglieder nur auf Empfehlung auf und auch nur dann, wenn sie dem selbst auferlegten Verhaltenskodex ausdrücklich zustimmen. Daneben ist die ALPAC noch Partner von knapp einem halben Dutzend assoziierter Gesellschaften zwischen Brüssel, Berlin oder Zürich.

Sonderlich zahlreich sind die Mitglieder von ALPAC noch nicht. Das ist vielleicht auch dem eigenen elitären Anspruch geschuldet. Aber immerhin finden sich auf der Mitgliederliste prominente Namen wie Peter Köppl, Karl Krammer oder Feri Thierry. »Branchenvertreter« wie Walter Meischberger, Gernot Rumpold oder Waffengrafen hätten wohl keine Chancen auf Aufnahme. Aber Rumpold beispielsweise nimmt sich ohnehin selbst aus dem Spiel. »Mich gibt‘s nicht mehr«, sagt FP-Mann. Und annihiliert sich damit quasi selbst. Zu Lobbyismus will Rumpold lieber nichts sagen. Heute würde er sich am ehesten als Unternehmer im Bereich Immobilieninvestment bezeichnen. Jenseits aller juristischen und sonstigen Malversationen hat sich Meischbergers Sager „Wo woar mei Leistung?“ einen Spitzenplatz in der Rubrik Kult erobert.

Ähnlich formulierte es der Lobbyist Dietmar Ecker übrigens schon vor rund zehn Jahren, freilich in einem völlig anderen Sinn als Meischberger. Ecker wurde vom Mobilfunker Connect/One damals beauftragt, seine Kontakte zum SP-Umfeld spielen zu lassen. So sollte etwa die Gesprächsbasis mit Gitti Ederer ausgebaut werden. Doch anders als geplant erwies sich die Mithilfe des Lobbyisten in der Folge als weitgehend obsolet. Wo die Leistung war, fragte sich Ecker nicht nur selbst, sondern auch One. Und schlug zur Verblüffung des Kunden vor, den Auftrag zurückzugeben und auf das Honorar zu verzichten. An das Gschichtl erinnern sich Beteiligte immer noch gerne. Geschmunzelt wird auch: »Ob er das immer noch machen würde? Heute muss Ecker einen Porsche und eine große Firma erhalten.«

 

>> Unschärferelation:

Die Wahrheit soll ja eine Tochter der Zeit sein. Um im Bild zu bleiben, dürfte Lobbyismus so etwas wie der Schwager von Politik und Korruption sein. Sinngemäß äußerte sich jüngst auch Ex-Rechnungshofpräsident und Transparency-Beirat Franz Fiedler. Trennlinien seien nicht immer klar erkennbar. Fiedler zieht die Grenzen weit und spricht gar von »institutionellem Lobbyismus«, unter dem etwa das Parlament leide. Die Branche selbst geht nach den jüngsten Skandalen in die Offensive und bemüht sich um Transparenz, Normalität und Abgrenzung gegenüber Fehlentwicklungen. Lobbyist Feri Thierry wünscht sich etwa mehr Professionalisierung, Lobby-Coach Wolfgang Lusak sieht das Geschäft als »Verbindungsstück« zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Lobbypapst Wolfgang Rosam fordert ein »neues, klares Regelwerk«. Ein Schritt, den die ALPAC, die erste heimische Lobby-Plattform, mit einem selbst auferlegten Kodex für ihre Mitglieder schon gesetzt hat. Die saubere Trennung von ehrbarem Gewerbe und schwarzen Schafen wäre wahrscheinlich schnell vollzogen, wenn Justiz und Finanz endlich ihre Beißhemmung ablegen würden.

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