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Bunte Vielfalt

Gegensätze ergänzen einander. Bunt gemischte Teams gelten als besonders kreativ und konstruktiv: Alte und Junge, Männer und Frauen, mit unterschiedlicher Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder einem Handikap sollen einander inspirieren und zu Höchstleistungen anregen. Aber funktioniert Diversity Management wirklich?

Teamarbeit wird heute groß geschrieben. Kaum ein Unternehmen, das die Mitarbeiter einsam vor sich hin werkeln lässt. Ziehen mehrere Leute an einem Strang, steigt die Produktivität deutlich an. Ist das Team möglichst heterogen zusammengesetzt, sprudelt die Kreativität geradezu, sagen Soziologen. Denn jeder bringt eine unterschiedliche Sichtweise und seine individuelle Persönlichkeit ein und inspiriert dadurch die anderen. Das führt mitunter zu Kontroversen, erzeugt aber auch ein fruchtbares Arbeitsklima.

Monokulturen
Diversity Management ist die bewusste Wahrnehmung und Nutzung von Unterschieden bzw. Vielfalt. Das Konzept stammt ursprünglich aus den USA, das amerikanische Rechtssystem zwang bereits in den 1970er Jahren die Unternehmen zur Einhaltung strenger Gleichbehandlungsgesetze und verbot jegliche Diskriminierung im Erwerbsleben. Auch in der EU ist die Gleichbehandlung von Beschäftigten ungeachtet ihrer Unterschiede im Vertrag von Amsterdam 1997, in der Grundrechtcharta 2000 und der Antirassismusrichtlinie inzwischen festgeschrieben. Zur bunten Durchmischung in den Unternehmen hat dies freilich kaum geführt. Besonders die Führungsetagen sind fast durchwegs mit Männern ähnlicher Herkunft und nahezu identischen Lebensläufen besetzt. Nicht einmal Frauen finden leicht Zugang, auch wenn sie gleiche oder bessere Qualifikationen mitbringen.

Susanne Gruber, Partnerin der Personalberatung Homan & Statzer, wurde in ihrer langjährigen Tätigkeit »von Kundenseite noch nie darauf angesprochen«, entsprechende Kriterien zu berücksichtigen. Die Kanzlei deckt von KMU, die über keine eigene Personalabteilung verfügen, bis zu Headhunting für große Unternehmen ein breites Feld quer durch alle Branchen ab. Dennoch war Diversity höchstens unbewusst ein Thema, an erster Stelle stehen immer die Qualifikation und die Persönlichkeit der Bewerber. »Wenn alles passt, präsentieren wir aber gerne jemand anderen. Es muss nicht jeder ein Schwarzenegger sein«, meint Gruber. Kleine körperliche Handikaps, beispielsweise ein Augenfehler, sind für viele Tätigkeiten ohne Belang. Ältere Arbeitnehmer können durch viel Erfahrung punkten, hier setzt auch seitens der Unternehmen allmählich ein Umdenken ein: »Im letzten Jahr konnte ich einige Leute über 50 besetzen«, so Gruber. Liegt – selten genug – einmal eine Frau für eine Führungsposition in der engeren Wahl, merkt die Personalberaterin in ihrem Bericht bewusst an, dass eine weibliche Ergänzung für das reine Männerteam von Vorteil wäre.

Zufriedene Mitarbeiter
In internationalen Konzernen wie IBM, IKEA, McDonalds oder Nestlé ist Diversity Management jedoch wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur. Laut einer Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung ist ein vorurteilsfreier, respektvoller Umgang in 92 Prozent der anglo-amerikanischen und 75 Prozent der europäischen Unternehmen oberstes Gebot, aber nur in 44 Prozent der deutschen Firmen.

Neben der moralischen Komponente, dem Gebot der Fairness folgend allen Menschen die gleichen Chancen zu bieten, gibt es aber auch handfeste ökonomische Gründe, Diversity Management zu praktizieren. Betriebe, die auf Gleichbehandlung Wert legen, setzen auch in anderen Bereichen der Maßnahmen, die die Zufriedenheit und Motivation ihrer Mitarbeiter heben. Diese Unternehmen scheinen regelmäßig in den Rankings der »besten Arbeitgeber« auf und ziehen deshalb auch die besten Arbeitskräfte an. Im Auftrag der OECD hat das Centre for Strategy & Evaluation Services die ökonomischen Effekte der Förderung minorisierter Gruppen in Unternehmen untersucht und mögliche Messinstrumente zur Analyse in Kosten-Nutzen-Berechnungen entwickelt. Direkte Auswirkungen auf die Wertschöpfung der Betriebe sind allerdings schwer nachweisbar. Nach einer Studie der US-Zeitschrift »Diversity Inc.« erzielten 2004 die 50 US-Unternehmen mit der höchsten Mitarbeitervielfalt im Schnitt eine um 12,8 Prozent höhere Rendite als der US-Börsenindex S&P.

Tatsache ist aber, dass die Unternehmen das Potenzial auf dem Arbeitsmarkt, vor allem bei Migranten, nur ungenügend ausschöpfen. Laut OECD sind 21,1 Prozent der Zuwanderer in Österreich für ihren Job zu hoch qualifiziert – der Diplomphysiker als Taxifahrer, die Zahntechnikerin als Putzfrau sind nicht nur Klischees. 2007 hatten von 217 Aufsichtsräten der ATX-Unternehmen lediglich 19 ausländische Wurzeln, fast alle stammten jedoch aus »westlichen« Ländern. Boris Nemsic und Attila Dogudan sind in den Führungsetagen absolute Ausnahmen. Auch der ORF gibt sich nach außen bis auf die Nischensendung »Heimat, fremde Heimat« rein österreichisch: Die einzige dunkelhäutige Moderatorin, Arabella Kiesbauer, ist keine Migrantin.

Gesunde Mischung
Gerade im Zuge der zunehmenden Internationalisierung haben multikulturell aufgestellte Unternehmen die Nase vorn. Kleine und mittlere Betriebe können Exportgeschäfte aufgrund von Kommunikationsbarrieren – fehlende Sprachkenntnisse, unzureichendes Wissen über sozio-kulturelle Besonderheiten – oft nicht wahrnehmen.

Auch das Akquirieren von Kunden oder Marketing für neue Produkte funktioniert mit Mitarbeitern, die mit Sprache und Gepflogenheiten der Zielgruppe vertraut sind, deutlich besser. Volkswagen und Daimler beschäftigen beispielsweise höchst erfolgreich türkische Kundenberater. Auch die Abwicklung mit den Zulieferbetrieben im Ausland verläuft reibungsloser, seit Mitarbeiter entsprechender Herkunft an den Schlüsselstellen eingesetzt werden.

UPC Austria beschäftigt im technischen Support viele Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, Sprachbarrieren zu Kunden gehören seither der Vergangenheit an. Auf ethisches, vorurteilsfreies Handeln wird im gesamten Konzern großen Wert gelegt: Ein »Code of Business Conduct« ist Teil des UPC-Unternehmensleitbildes; jeder Mitarbeiter muss diesbezüglich ein Training absolvieren, das Verhalten wird auch im jährlichen Mitarbeitergespräch thematisiert. »Wir versuchen, alle Gruppen gleich zu behandeln«, sagt Gerhard Feimer, Director Human Resources, spricht sich aber gegen Quoten aus. »Teams funktionieren deshalb nicht besser.« In der techniklastigen Branche sind Frauen noch immer in der Unterzahl: »Wenn sich einmal eine Netzwerktechnikerin bewirbt, ist das die absolute Ausnahme«, meint Feimer.

Peter Truzla, Personalchef von Henkel CEE, kennt die Geschlechterproblematik von der anderen Seite: »Im Marketing, vor allem bei den Produktgruppen Waschmittel und Kosmetik, aber auch in den Human-Resources-Abteilungen haben wir einen starken Frauenüberhang. Wenn Qualifikation und Persönlichkeit stimmen, versuchen wir im Recruiting-Prozess einen Ausgleich zu schaffen.« Wien als internationaler Konzernzentrale für den osteuropäischen Raum kommt dabei eine Vorbildfunktion zu, die Prinzipien Diversity & Inclusion werden soeben in Arbeitsgruppen für alle Mitarbeiter verbindlich ausformuliert. In die Personalpolitik eingeflossen sind die Richtlinien schon lange, vor allem für Wiedereinsteigerinnen gibt es flexible Arbeitszeitmodelle, auch für Führungskräfte.

Dream Team oder Flohzirkus
Die These, dass heterogene Teams erfolgreicher arbeiten, ist durchaus umstritten. Denn selbst in Werbeagenturen, deren Lebenselixier die Kreativität ist, sind meist zwar unkonventionelle Typen, aber doch im gleichen Alter und mit ähnlichen Interessen, anzutreffen. Sie besuchen dieselben Lokale, teilen denselben Musikgeschmack und haben den gleichen Humor. Alle sind miteinander befreundet, von Vielfalt keine Spur.
Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen werden Personalentscheidungen häufig noch »aus dem Bauch heraus« getroffen, also aufgrund von Sympathie. Und dieselbe Wellenlänge spürt man eben eher bei Gleichgesinnten. Frischen Wind ins Team bringt das aber kaum.
Mann oder Frau, Buddhistin oder Katholik, Ägypter oder Belgierin, 25 oder 50, schwul, lesbisch, hetero oder überhaupt asexuell? Wesentlicher für die Zusammenarbeit ist die Frage der Persönlichkeit und des Arbeitsstils. Eloquenter Dampfplauderer, Mädchen für alles, einsamer Tüftler, Ideengenie, Chaotin und Sorgentante – im Idealfall ergänzen sich diese unterschiedlichen Charaktere zu einem schlagkräftigen Team. Im Worst Case dagegen reden die Mitarbeiter ständig aneinander vorbei oder verbringen ihre Arbeitszeit mit gegenseitigen Vorwürfen und Grabenkämpfen.

Heterogene »Dream Teams« funktionieren nur mit klaren Regeln und fähigen Teamleitern, die es schaffen, den Flohzirkus unter Kontrolle zu halten. Innerhalb der Gruppe sind kleine Synergien möglich, daneben muss es aber auch komplementäre Paarungen geben. So war das deutsche Fußballteam bei der WM 2006 mit dem Jungstars Schweinsteiger und Podolski höchst effizient. Am Erfolg wirkten aber auch andere Spieler mit ihrem jeweiligen Stil entscheidend mit.
Auf die Wirtschaft übertragen, braucht es in jedem starken Team Kreative, Strategen und Verkäufer – und einen Teamchef a la Jürgen Klinsmann, der für die nötige Motivation sorgt.

 

 

Best Practice:
>>IBM:
1899 nahm der IT-Konzern den ersten schwarzen Mitarbeiter sowie erstmals weibliche Beschäftigte auf, 20 Jahre bevor Frauen in den USA das Wahlrecht erlangten. 1942 wurde der erste behinderte Mitarbeiter eingestellt. 1943 stand erstmals eine Frau als Vizepräsidentin an der Spitze des Unternehmens, 1971 wurde eine schwarze Frau Mitglied des Aufsichtsrates. 1984 bezog IBM als einer der ersten Konzerne sexuelle Orientierung in seine Antidiskriminierungsrichtlinien ein.
»In meinen vielen verschiedenen Verantwortungsbereichen bei IBM habe ich die Erfahrung gemacht, dass jene Teams mit der größten Vielfalt – also Menschen unterschiedlichster Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung oder Religion – die innovativsten Erfolge bringen«, sagt Johann Hainzl, Human-Resources-Manager von IBM Austria. IBM beschäftigt eine eigene Diversity-Beauftragte, die Aktivitäten der einzelnen Interessensgruppen koordiniert, neue Ideen einbringt und auch als Ansprechpartnerin für Gleichbehandlungsfragen fungiert. Für sein Engagement, auch hinsichtlich Work-Life-Balance, wurde das Unternehmen vielfach ausgezeichnet.

>> ISS Facility Services: Der dänische Dienstleistungskonzern beschäftigt weltweit 330.000 MitarbeiterInnen, in Österreich mehr als 9.000 Angestellte aus über 60 Nationen mit 25 verschiedenen Muttersprachen. Eine Sozialpädagogin organisiert als Integrationsbeauftragte Deutschkurse für die MitarbeiterInnen sowie das Theaterprojekt »MaDiCu« (Managing Diversity through Culture), das die Kommunikation und Akzeptanz der unterschiedlichen Kulturen verbessern soll. Auch für die Integration von benachteiligten Jugendlichen oder Behinderten werden eigene Sozialprojekte entwickelt.

>> TNT Express: Als einer der weltweit führenden Express Services transportiert das Unternehmen täglich Millionen Pakete, Dokumente und Frachtstücke in über 200 Länder. TNT Express beschäftigt mehr als 160.000 Mitarbeiter in 63 Ländern. »Wir haben eine sehr vielfältige Kundenschicht und um sie bestmöglich zufrieden zu stellen, müssen wir diese Vielfalt in unserem Unternehmen widerspiegeln«, sagt Chat Baker, CEO von TNT Express.
Schon zu Beginn der 1990er-Jahre fand Chancengleichheit Eingang in die Personalstrategie. Seit 2004 wirkt eine eigene Stabstelle für Diversity & Inclusion in der Zentrale als Ideenpool für die Initiativen der einzelnen Länder. Das Speisenangebot in der Kantine wurde an die unterschiedlichen Konfessionen angepasst, ein Meetingraum als Andachtsraum für Gläubige adaptiert. TNT Express Austria beschäftigt – für eine Männerdomäne wie die Transportbranche sehr untypisch – außergewöhnlich viele Frauen (46 Prozent), auch im Lager und als Fahrerinnen. Unter den Führungskräften sind mehr als 40 Prozent weiblich. Seit 2003 werden auch gehörlose MitarbeiterInnen beschäftigt, zur Erleichterung der Kommunikation bietet das Unternehmen für KollegInnen und Vorgesetzte Gebärdensprachkurse an.

 

 

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