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- Written by Redaktion_Report
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An der Spitze des Bereichs Enterprise Ressource Planning bei Microsoft steht mit Dorette Dülsner eine erfahrene Spezialistin, die den Markt schon aus ihrer SAP-Zeit gut kennt.
Im Vorjahr hat die ERP-Spezialistin Dorette Dülsner die Leitung des Geschäftsbereichs Microsoft Dynamics übernommen und verantwortet Produktlinien zu Microsoft Dynamics NAV, Microsoft Dynamics AX und Microsoft Dynamics CRM. \"Diese konnten in den letzten Jahren bereits sehr gute Positionen in der heimischen Business-Software-Landschaft erreichen\", sagt sie und ist zuversichtlich auch mit Standardlösungen flexibel genug aufgestellt zu sein.
Report: Microsoft ist angetreten, im Bereich ERP auch dem Branchenprimus SAP Marktanteile wegzunehmen. Wie erfolgreich sind Sie dabei?
Dorette Dülsner: Microsoft hat schon eine ganze Reihe an Projekten bei Kunden gewinnen können. Doch geht es uns nicht immer darum, SAP komplett abzulösen und durch unsere eigenen Lösungen zu ersetzen. Microsoft ist mit seinem Dynamics-Portfolio so weit, mit einer komplementären Strategie bei SAP-Kunden dual agieren zu können. Bei großen Unternehmen besteht dann die SAP-Installation weiterhin als zentraler Hub in der Mitte, während in den Außenstellen Produkte auf Dynamics-Basis laufen. Integriert und verbunden werden die beiden Welten über unsere BizTalk-Technologie.
Report: Ausgehend von der historischen Marktdominanz, die SAP vor allem im deutschsprachigen Raum hat – hier tut sich Microsoft wohl besonders schwer?
Dülsner: Wenn Sie mir diese Frage vor einem Jahr gestellt hätten, hätte ich Ihnen Recht gegeben, da ich SAP sehr gut kenne. Doch ist durch die von SAP einseitig verordnete Erhöhung der Wartungskosten ein großer Vertrauensverlust am Markt passiert. Da hat sich eine Bresche für den Mitbewerb aufgetan.
Report: Gerade die Migration von ERP-Software gilt als zäh, die Kunden sind in Entscheidungen besonders konservativ. Wie deckt sich dies mit den hohen Vorgaben, die manche Softwarehersteller ihren Töchtern in den Ländern geben?
Dülsner: Dies ist ein Punkt, der von außen oft nicht verstanden wird. Geschäftstellenleiter, die den Markt wie ihre Westentasche kennen, werden dann mit Wachstumszielen konfrontiert, die nicht durchführbar sind. Schließlich kann die Branche nicht mehr Software auf den Markt werfen, als dieser vertragen kann. Software ist weniger ein nachfragengesteuertes Produkt als stets Teil einer Gesamtlösung, deren Umsetzung auch eine bestimmte Zeit benötigt. Im ERP-Umfeld ist der Erfolg einer Installation von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Ein wesentlicher Teil betrifft den Kunden selbst, der für eine Projektumsetzung auch genügend Ressourcen bereitstellen muss. Business-Software installiert sich nicht von selbst. Dazu bedarf es eines politischen Willens, Geschäftsprozesse insgesamt zu hinterfragen, und einer professionellen Partnerlandschaft. Microsoft ist in der glücklichen Lage, in Österreich zu 100 Prozent auf seine Partner bauen zu können.
Report: Microsoft wird vor allem für seine Standardlösungen wahrgenommen. Wie flexibel kann eine solche Business-Software überhaupt noch auf Kundenbedürfnisse abgestimmt werden?
Dülsner: Unsere Produkte sind standardisiert und anpassbar. In Kundenprojekten passt diese Standardisierung in der Regel zu 80 Prozent – die Systeme sind aber offen und flexibel gebaut. So können Nutzer ihrer Rolle im Unternehmen und Funktion entsprechend in die Software einsteigen. Hinter dieser Definition der Rollen und Funktionalitäten steht eine jahrzehntelange Industrieerfahrung. Muss dann wirklich noch eine Stelle einer ERP-Software an die Geschäftsprozesse angepasst werden, können dies unsere Partner individuell durchführen. Grundsätzlich können wir mit unseren Produkten jeden Geschäftsprozess abbilden – ebenso wie dies sicherlich auch der Mitbewerb kann. Die Frage dazu ist aber stets, wie leicht und kostengünstig dies umsetzbar ist. Eine Firma sollte beispielsweise hinterfragen, ob Bereiche wie die Finanzbuchhaltung wirklich eigens gebaut werden müssen, oder man nicht gleich auf einen Industriestandard setzt. Dazu kommt, dass mit einem standardisierten Produkt auch standardisierende Prozesse in die Wege geleitet werden können. Da werden ERP-Projekte auch hergenommen, um den Mitarbeitern eine Vereinfachung und Homogenisierung der Geschäftsprozesse zu verkaufen.
Zur Person
Dorette Dülsner begann ihre berufliche Karriere als Projektleiterin bei der Deutschen Bahn. 2001 wechselte die gebürtige Deutsche zu SAP Österreich, 2006 wurde sie SAP Sales Director Public Sector für Südosteuropa und den Mittleren Osten. Ende 2006 kam Dorette Dülsner zu Microsoft. Dülsner ist verheiratet und lebt seit fast zehn Jahren in Wien.