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Eine Branche kehrt zurück

Darüber sind sich alle einig: Der Werkzeug- und Formenbau ist als Schnittstelle zwischen Entwicklung und Produktion ein wichtiges Glied in der industriellen Wertschöpfung. Dennoch ist die Branche in den letzten Jahren etwas außer Tritt geraten. Die Globalisierung hat auch hier ihre Spuren hinterlassen. Der Werkzeug- und Formenbau ist speziell in Europa und Nordamerika einem immensen Preisdruck ausgesetzt. Ausgehend von Asien dreht sich die Preisspirale immer weiter nach unten. \"Die Globalisierung und der daraus resultierende Preisdruck führen auch dazu, dass am heimischen Markt große Kunden wie Philips oder Grundig weg brechen“, beklagt Matthias Fennes, kaufmännischer Geschäftsführer von Horitschoner Werkzeugbau HWB. Damit nicht genug, agieren die Einkäufer großer Unternehmen immer globaler. Vor allem in der Automobilindustrie scheint das Primat des Preises über sämtliche andere Aspekte eines Produkts mühelos zu siegen. \"Hier muss man sich als Unternehmen die Frage stellen, ob man dem Druck standhalten kann“, sagt Fennes. Wenn nicht, müsse man es eben bleiben lassen.

Raus aus der Spirale
Diesen Trend gilt es umzukehren. Europäische Werkzeug- und Formenbauer haben nur dann eine überlebenschance, wenn es ihnen gelingt, aus der Preisspirale auszubrechen. \"Der Lohnkostenanteil im Low-Tech-Bereich ist mit rund 50 Prozent sehr hoch. Hier wird es kaum möglich sein, kostendeckend in Westeuropa zu produzieren. Auch in Osteuropa wird dies in fünf bis zehn Jahren nicht mehr möglich sein“ ist Michael Gampfer von Carbo Tech Composites GmbH überzeugt. Für den Formenbau sieht Gampfer in der Serienproduktion hierzulande kaum Entwicklungschancen. Die stark wachsende Nachfrage nach High-Tech-Anwendungen lässt Gampfer aber positiv in die Zukunft blicken.
Positiv stimmt auch die Tatsache, dass viele Kunden, die der Preisversuchung erlegen sind, über Qualitätsmängel bei Billigwerkzeugen aus Asien klagen. \"Vor allem bei komplexen Formen ist eine Rückkehrtendenz der Kunden bereits spürbar“, weiß Fennes. Für diese Kunden hat der heimische Markt eine überraschung parat. Schließlich war die Branche in den letzten Jahren nicht untätig, sondern hat sich - nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Konkurrenz aus Asien - weiterentwickelt. Alte Geschäftsmodelle wurden über Bord geworfen oder deutlich erweitert. Europäische Werkzeugbauer treten verstärkt als Partner ihrer Kunden in Erscheinung. Service und Dienstleistungen treten in den Vordergrund. \"Wir engagieren uns bereits in der Produktentwicklung und arbeiten eng mit dem Kunden zusammen“, erklärt Fennes die neue Philosophie. Mit speziellen Simulationstools kann bereits in der Entwicklungsphase die Funktionsweise eines Werkzeugs aufgezeigt werden. Auch Martin Bock vom Aachener Werkzeug- und Formenbau, einem gemeinsamen Geschäftsfeld der Technischen Hochschule Aachen und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT, ist überzeugt, dass sich \"die Unternehmen der Branche in Zukunft nur als integrierte Dienstleister mit dem kompletten Angebot der gesamten Wertschöpfungskette etablieren können“. Von der Entwicklung des Werkzeugs über die Fertigung bis hin zur Instandhaltung müsste der Werkzeugbau alle Dienstleistungen aus einer Hand anbieten.

Netzwerke und Cluster
Ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Rückkehr in die Erfolgsspur ist der Zusammenschluss der heimischen Unternehmen zu Netzwerken und Clustern. Der internationale Druck hat dafür gesorgt, dass sich in österreich in dieser Hinsicht einiges getan hat. Vor allem in Oberösterreich und der Steiermark haben die Verantwortlichen relativ früh erkannt, dass die Schlagkraft der Unternehmen durch Vernetzung deutlich gesteigert werden kann. Fennes geht sogar noch einen Schritt weiter. Er wünscht sich die Möglichkeit der gemeinsamen Ressourcennutzung. \"Unsere Branche ist zum Teil sehr von einzelnen Projekten abhängig, die Auslastung der Maschinen dementsprechend unterschiedlich.“ Die gemeinsame Ressourcennutzung konnte helfen, Leerläufe zu vermeiden und Produktionsspitzen zu bewerkstelligen. Ein Wunsch, der nicht überall auf Gegenliebe stößt. \"Die richtigen Kontakte und gut funktionierende Netzwerke sind ein wichtiger Faktor, um international konkurrenzfähig zu bleiben“, sagt Michael Gampfer von Carbo Tech Composites GmbH. Kooperationen mit anderen Unternehmen seien aber aufgrund der angespannten Konkurrenzsituation in der Branche eher mühsam. Auch Fennes räumt ein, dass die Gefahr der Kundenabwerbung durch allzu enge Kooperationen durchaus gegeben ist.
Was bleibt, ist die Tatsache, dass sich für die heimischen Werkzeug- und Formenbauer aktuell eine große Chance eröffnet. Die Chance durch komplexe Werkzeuge und die verstärkte Konzentration auf Service und Dienstleistungen nach Asien abgewanderte Kunden zurück zu gewinnen und bestehende Kunden langfristig zu binden.

Ein Blick über die Grenze:
Im Interview: Martin Bock, Aachener Werkzeug- und Formenbau

Report: In den letzten Jahren hatte der Werkzeug- und Formenbau in Westeuropa mit viel Gegenwind zu kämpfen. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?
Martin Bock:Derzeit sind die Auftragsbücher, anders als etwa im vergangenen Jahr, branchenweit wieder stärker gefüllt. Dennoch steht unsere Branche unter einem sehr großen Preisdruck. Daran wird sich in Zukunft auch nichts ändern. Die Auswirkungen des Wettbewerbs auf den Endkundenmärkten machen vor der Branche des Werkzeug- und Formenbaus nicht halt. Verkürzte Fertigungszeiten für Werkzeuge und Formen und der Wettbewerb mit Anbietern aus Niedriglohnländern stellen den mittelständisch geprägten Werkzeugbau vor große Herausforderungen.

Report:Wie ist die \"Bedrohung China“ aus heutiger Sicht einzustufen?
Martin Bock:Die Angebote chinesischer Werkzeug- und Formenbauer werden auch in Zukunft eine ernstzunehmende Konkurrenz für Unternehmen in sog. Hochlohnstandorten darstellen. Waren die Unternehmen in Asien und Osteuropa bisher in der Lage nur einfachste Werkzeuge zu fertigen, werden deren technologische Fähigkeiten weiter wachsen. Das Lohnniveau wird im Vergleich zu Europa relativ niedrig bleiben. Diese Situation haben wir in unserer Studie »China-Chance oder Bedrohung?« aufgezeigt.

Report:Welche Trends können Sie für die nächsten Jahre erkennen?
Martin Bock: Die Unternehmen der Branche werden sich in Zukunft nur als integrierte Dienstleister mit dem kompletten Angebot der gesamten Wertschöpfungskette etablieren können. Der Werkzeugbau muss dann alle Dienstleistungen von der Entwicklung des Werkzeugs über die Fertigung bis hin zur Instandhaltung aus einer Hand anbieten. Letztendlich kann er diesen Herausforderungen nur begegnen, indem er neben der stringenten strategischen Ausrichtung die technologische Leistungsfähigkeit immer stärker in den Fokus der Unternehmensführung rückt.

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