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„Warme Semmeln, rechtzeitig vom Bäcker“

Der globale Hardwarehändler Dell konnte zwei Jahrzehnte lang mit seinem Geschäftsmodell des Direktvertriebs stärker wachsen als seine Mitbewerber. Neue Profitabilität soll nun durch die Konzentration auf das eigentliche Kerngeschäft, den Business-Sektor, realisiert werden.

Report: Herr Hillebrand, noch nicht jede Firma interessiert sich für IT. Welche Branchen haben hier Aufholbedarf?
Thomas Hillebrand: Ich sehen eine Schwachstelle bei den kleineren Unternehmen. Diese Firmen haben zwar irgendwo schon einen PC stehen, haben aber in der Vorgehensweise, wie effizient die Geräte eingesetzt werden, noch Aufholbedarf. Auch ist es bei diesen Unternehmen essenziell, mobil erreichbar zu sein. Ein möglicher Kunde ruft vielleicht zwei mal bei einem Unternehmen an - erreicht er dann noch immer niemanden, weil es etwa kein Sekretariat im Back-Office gibt, oder der Unternehmer für eine Mailantwort länger als einen Tag benötigt, geht dieser Kunde an den Mitbewerb verloren. Heute wird von den Mitarbeitern erwartet, dass sie sofort auf Anrufe und E-Mails reagieren. Eine Lösung aus diesem Dilemma bieten nun mobile Datenkarten oder Smartphones.
Doch auch bei den größeren Unternehmen gibt es noch Aufholbedarf. Auch dort kann die Effizienz des Außendienstes verbessert werden. Es gibt etwa noch viele Außendienstmitarbeiter, die ohne Notebook arbeiten. Prozesse dort benötigen dann zeitintensive und fehleranfällige Zwischenschritte, um Geschäftsdaten verwalten zu können: Beim Kunden wird die gleiche Information auf einen Zettel geschrieben, die das Back-Office dann noch einmal abtippt. Dagegen ermöglicht ein durchgängiges, auf einer mobilen Datenkarte basierendes System, die Bestellung direkt beim Kunden aufzuzeichnen und dort direkt ins System einzugeben. Mit einer Datenkarte wäre der Mitarbeiter jederzeit online und kann von unterwegs ebenso arbeiten, wie wenn er im Büro sitzen würde.

Aktuellen Einschätzungen von Arthur D. Little und Ericsson zufolge können derzeit rund zehn Prozent der Mitarbeiter in Unternehmen in österreich auf eine Mobilitätslösung zurückgreifen. Nur ein Prozent der Mitarbeiter haben aber eine Lösung, die mehr als nur aus einem Firmenhandy besteht. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?
Oft haben die Mitarbeiter ein Notebook und ein businessfähiges Handy - ob alle Funktionen dann aber auch genutzt und im Unternehmen unterstützt werden, ist eine andere Geschichte. Das ist schade, denn mit klugen Office- und Mobillösungen könnten sich diese Firmen sehr viel Zeit und sehr viel Geld ersparen. Die skandinavischen Länder sind hier ein gutes Beispiel. Dort ist man uns mit mobilen Officelösungen drei Schritte voraus. Dennoch gibt es auch in österreich bereits Projekte, die in diese Richtung gehen. Im Vorjahr hat Wüstenrot seine Versicherungsberater im Außendienst mit dem Dell-Organizer Axim ausgestattet. Die Versicherungsbranche ist in diesem Bereich schon relativ weit. Dort ist man sich um die gute Chance eines Vertragsabschlusses bewusst, wenn der Kunden gleich vor Ort alle Berechnungen einsehen und auch unterschreiben kann.

Man muss den Kunden mittlerweile dort abholen, wo man auf ihn trifft.
Als Unternehmen gebe ich sonst dem Mitbewerb Zeit, den Kunden zu umwerben. Wenn ich anfangs jemanden überzeugt habe, dass mein Produkt oder Service das richtige ist, würde ich ihm andernfalls die Chance geben, bei der Konkurrenz Angebote einzuholen und generell wieder Verunsicherung aufkommen lassen.

Standardisierte Arbeitsplätze, sie werden zunehmend wichtig?
Standards sollten für jedes Unternehmen ein großes Thema sein. Aus folgendem Grund: Wenn bei einer Ausschreibung eine IT-Kostensenkung von 20 Prozent gefordert wird, gehen Firmen zu fünf verschiedenen Herstellern um einen besseren Hardwarepreis zu verhandeln. Wenn man aber weiß, dass nur 30 Prozent der IT-Kosten vom Hardwarepreis abhängig sind, 70 Prozent dagegen von Dingen wie Service, Support und nachgelagerten Bestellvorgängen herrühren, wird man diese Kosteneinsparung nicht schaffen - wenn etwa der Hardwarepreis nur um zehn Prozent gedrückt werden kann. Einsparungen funktionieren auf einer anderen Ebene: im Personalbereich. Ich gebe Ihnen ein einfaches Rechenbeispiel: ein Mitarbeiter aus dem IT-Bereich mit allen Lohnneben- und Arbeitsplatzkosten kostet etwa 70.000 Euro im Jahr. Hochgerechnet auf fünf Jahre ergibt das eine Summe von 350.000 Euro. Bei reinen Hardwarekosten von 500 Euro, für die man aktuell einen guten PC mit Monitor bekommt, wären das in diesem Abschreibungszeitraum 700 PCs. Diese 700 PCs könnte ich meiner Firma schenken, wenn sich die IT-Abteilung nur ein wenig effizienter aufstellt. Nötig dazu ist nun die Standardisierung der Arbeitsplätze. Oft benötigen Firmen allein zusätzliche IT-Kräfte, da sie PCs von fünf verschiedenen Herstellern im Einsatz haben. Sie wissen nicht genau, welche Garantien auf diesen Teilen aktiv sind oder welche Hotline für den Support angerufen werden muss. Sie benötigen für ihre Notebooklandschaft fünf verschiedene Images, deren Erstellen alleine einige Tage in Anspruch nimmt. Wenn das zweimal im Jahr mit fünf Gerätekonfigurationen gemacht wird, kommt man fast schon auf den einen Mitarbeiter, der extra dafür abgestellt ist. Bei einem Unternehmen mit einer Größe von dreihundert bis fünfhundert Mitarbeitern ist dies sicherlich ein Problem. Dieser Firma stehen nicht 20 sondern vielleicht nur fünf, sechs IT-Mitarbeiter zur Verfügung. Und diese sind dann auch nicht Spezialisten für jeden Bereich, benötigen also bei außertourlichen Aufgabenstellungen dreimal so lange wie ein Experte. Hier mit den richtigen Leuten und Partnern ranzugehen, ist für Dell eine große Herausforderung.

Welche Entwicklungen kann es noch bei Ihrem Direktvertriebsmodell geben?
Wir verstehen uns mittlerweile nicht mehr nur als Box-Mover sondern auch als Lösungsanbieter. Das sagen zwar unsere Mitbewerber ebenfalls von sich - wir aber wollen den Kunden universell bedienen. Heißt: bei Themen, die nicht unseren Kernfokus betreffen, holen wir uns Partner hinzu. Wenn etwa Außendienstmitarbeiter komplett mobil integriert werden müssen, suchen wir uns den richtigen Partner, dessen Know-how genau auf diesem Gebiet liegt. Trotzdem steht Dell dem Kunden als Single-Point-of-Contact gegenüber: wir sind der einzige Ansprechpartner für ihn. Dells Partner in österreich sind Unisys und Getronics, deren 1200 Servicetechniker für uns jederzeit auf Abruf stehen. Dies ist auch Alleinstellungsmerkmal: Kein anderer Anbieter kann sich auf so viele Techniker berufen. Solche Partnerschaften ermöglichen uns die Konzentration auf Dinge, bei denen wir wirklich gut sind: die Logistik und das Bauen und Zusammenstellen von PCs. Nebenher hat Dell als weltgrößter Hersteller auch einen Vorteil bei Preisverhandlungen mit den Zulieferern. Es könnte also sein, dass wir einen etwas besseren Preis bekommen, als ein Mitbewerber wie etwa Maxdata. Mit unserem direkten Vertriebsmodell ersparen wir uns Preisaufschläge aus dem Zwischenhandel und wir kennen dadurch alle unsere Kunden und ihre Bedürfnisse. Jeder meiner Mitarbeiter hat 20 bis 30 Kundenkontakte pro Tag. Wenn ich dies bei unseren 25 Innendienstmitarbeitern hochrechne, sind dies 500 Kundenkontakte. Ich weiß was draußen los ist, ich weiß was draußen passiert und muss mich nicht auf das Hören und Sagen eines Händlers oder Systemhauses verlassen.

Rentiert sich der Standort in Irland? Immerhin muss Dell von dort aus alle europäischen Länder abdecken.
Ja, er rechnet sich. Wir können dort innerhalb von nur acht Minuten einen Desktop zusammenstellen. Noch beträgt die Lieferzeit zum Kunden acht bis zehn Werktage. Doch wird in Kürze eine zweite Fabrik am Kontinent gebaut - zu diesem Projekt werden gerade die letzten Verhandlungen geführt. Diese Fabrik wird näher an österreich liegen und die Lieferzeit auf gut fünf Tage reduzieren. Dann wird Dell auch die Lücke zu den lokalen Systemhäusern schließen können, die heute bei Bestellungen nur zwei bis drei Tage zum Kunden benötigen. Dann haben unsere Kunden die warmen Semmeln rechzeitig direkt vom Bäcker.

Die in der Branche dominierende Marketingstrategie richtet sich nicht immer an die Bedürfnisse der Kunden, die Geräte scheinen in ihren Spezifikationen oft nur einem Selbstzweck nachzukommen. Wie sehen Sie diese Branche?
Bei uns bekommt der Kunde haargenau das, was er braucht. Er kommt nicht in die Verlegenheit etwas kaufen zu müssen, das zufällig von einem Hersteller gerade abverkauft wird. Unsere Aufgabenstellung ist auch nicht, etwas erfinden zu müssen, was dann unbedingt beim Kunden angebracht werden muss. Bei Sony funktionierte dies bislang, man schaffte sich damit neue Märkte. Diese Vorgehensweise ist aber zunehmend schwierig geworden. Ein Hersteller hat heute nicht mehr die Zeit, seinen Vorsprung bei neuen Produkten genügend auszubauen zu können. Früher hatten Hersteller noch ein bis zwei Jahre Zeit, bis ein Mitbewerber mit dem gleichen Produkt nachgekommen war. Mittlerweile hat sich dieser Vorsprung auf ein halbes Jahr reduziert. Für die Branche hat das weit reichende Folgen: Wenn ein Produkt nicht innerhalb eines halben Jahres am Markt positioniert ist, hat sein Hersteller ein Problem. Auch aus diesem Grund machen wir es umgekehrt: wir gehen zum Kunden und fragen ihn, was er mit seiner IT machen möchte. Der Computer ist schließlich nur ein Hilfsmittel, damit ein Unternehmen irgendwo schneller, besser, effizienter und kostengünstiger wird.

Gerade aber im Consumerbereich wird es dementsprechend schwieriger sein, mit Produkten die nicht im Geschäft stehen, den Kunden zu erreichen.
Wir haben in österreich ein Umsatzverhältnis von etwa 90 Prozent Business- und zehn Prozent Consumergeschäft. Mit der Alienware-Akquise, die wir vor kurzem gemacht haben, ist wieder ein Consumeranteil hinzugekommen. Wir konzentrieren uns hierzulande aber nicht auf das Consumergeschäft. Es wächst zwar zunehmend, da die Menschen immer mehr über Internet und Telefon bestellen. Sicher ist es aber so, dass man hier noch ein Produkt, das 1000 bis 2000 Euro kostet, vorher mindestens einmal in der Hand gehabt haben will. In diesem Bereich tun wir uns momentan etwas schwer. Gesamteuropäisch ist dies anders: in England ist Dell die Nummer eins auch im Consumerbereich, auch in den skandinavischen Ländern sind wir überall vorne mit dabei. In weniger internetaffinen Ländern wie österreich oder Italien ist dieser Markt noch wesentlich kleiner. Die österreicher stehen dem Einkauf aus dem Internet noch misstrauisch gegenüber. Bücher und CDs werden schon mal bei Amazon bestellt, aber ein PC? In den USA werden bereits Autos übers Internet gekauft, dort ist dies ein normaler Geschäftsvorgang. Durch die Generation, die heute mit der IT aufwächst, wird sich diese Angst aber von selbst erledigen. Meine Kinder sind sechs, fünf und drei Jahre alt - die haben keine Scheu vor dem PC, wissen wie sie mit der Maus arbeiten, Geräte einschalten und die CD wechseln.
Im Consumerbereich sind wir bei Leuten gut, die sich auskennen und die genau wissen, was sie haben wollen. Diese können sich bei Dell die Geräte selbst konfigurieren - etwa, was bei einem MediaMarkt oder anderen nicht so einfach möglich ist. Wenn Sie sich in einen Elektronikmarkt zu einem Notebook-Kauf informieren wollen, werden Sie ja zuerst einmal gefragt, was es kosten soll. Die Frage dort ist nicht, zu welchem Nutzen das Gerät angeschafft werden soll. Es gibt viertausend verschiedene Varianten, einen Desktop-PC zu bauen. Wenn ich genau weiß, welche ich brauche, bin ich bei Dell richtig.

Zur Person
Thomas Hillebrand, 38, wurde Ende 2003 zum Managing Director der österreichischen Niederlassung Dells ernannt. Davor war er als Maxdata-Geschäftsführer für den Aufbau in österreich verantwortlich. Vor dem Wechsel zu Dell war fungierte er als General Manager der Information Technology Group bei Sony Austria. Hillebrand ist verheiratet und hat drei, mit eigenen Notebooks ausgestattete Töchter im Alter von sechs, fünf und drei Jahren.
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