Die Klimaschutzverhandlung COP 23 findet zwischen 6. und 17. November in Bonn, Deutschland statt. Anlass, einen CO2-Kassasturz zu machen. Wo stehen wir? Was kostet uns der Klimawandel? Was können wir tun?
2015 wurde in Paris das 2 Grad Ziel (COP 21) vereinbart und als Meilenstein und Durchbruch weltweit gefeiert, 23 Jahre nach der ersten Weichenstellung beim Nachhaltigkeitsgipfel in Rio de Janeiro, Brasilien, im Jahr 1992. Dh bis 2050 sollen weltweit umfassende Maßnahmen ergriffen werden, damit die globale Durchschnittstemperatur maximal um 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau steigt.
Wissenschaftler plädieren dafür, alles zu unternehmen, dass die globale Erwärmung nicht mehr als 1,5 Grad Celsius beträgt. Dies bedeutet eine langfristige Reduktion von 80–95 % der Kohlenstoffdioxidemissionen bis zum Jahr 2050. So sieht es auch die EU Roadmap 2050 vor. Oder in anderen Worten bedeutet dies einen weitgehenden Verzicht auf fossile Energieträger.
Fakten
Fakt 1: Bereits heute liegt die mittlere globale Temperatur um mehr als 1 °C über dem vorindustriellen Niveau. Die Jahre 2014, 2015 und 2016 zählen zu den wärmsten Jahren seit den Temperaturaufzeichnungen. 2017 könnte sich hier uU auch einreihen.
Fakt 2: In Österreich ist die Durchschnittstemperatur bereits stärker angestiegen als im globalen Vergleich, nämlich um mehr als das Doppelte. Experten rechnen in Österreich mit einer durchschnittlichen Erwärmung von circa 4 bis 5 Grad bis 2050. Tourismus, Land- und Fortwirtschaft, Infrastruktur, Energie- und Wasserwirtschaft werden unmittelbar die Folgen spüren. In der Land- und Forstwirtschaft sind die Folgen bereits spürbar, die Österreichische Hagelversicherung meldet am 29.09.2017: „Selbstversorgungsgrad Österreichs bei Gemüse und Obst minus 6%, bei Getreide minus 7% (Veränderung 2015 auf 2016).“ Die Schäden in der Landwirtschaft betrugen 2016 über 270 Millionen Euro, heuer liegt die Summe durch Hagel, Frost, Dürre und Überflutung inzwischen bei 250 Mio Euro.
Fakt 3: Die Folgen des Klimawandels treffen ärmere Länder deutlich stärker als Industriestaaten, sodaß ein zusätzlicher Migrationsdruck infolge extremen Wetterereignissen, Stürmen und Überschwemmungen zu erwarten ist.
Bereits über 400 ppm
Fakt 4: Die Kohlenstoffdioxidkonzentration hat im September 2016 erstmals die Marke von 400 ppm (parts per million) überschritten. Der Anstieg der Kohlenstoffdioxidkonzentration hat sich laut aktueller Meldungen weiter beschleunigt und liegt nun über 403 ppm. Vor der industriellen Revolution lag die Konzentration unter 280 ppm und in den letzten 800.000 Jahren lag die Konzentration in den Warmperioden unter 300 ppm, in den Eiszeiten bei circa 185ppm.
Anmerkung: Bei den historischen Warmperioden mit Kohlenstoffdioxidkonzentration in den jetzigen Größenordnungen war bereits ein mittlerer Temperaturanstieg um etwa 4 Grad zu verzeichnen.
Aktueller UNEP-Bericht warnt
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) warnt: Wenn die Staatengemeinschaft so weitermacht wie bisher, wird sie die Ziele des Klimaabkommens von Paris meilenweit verfehlen. Eine Umweltkatastrophe droht. „Es besteht dringend Bedarf, die kurzfristigen Maßnahmen zu beschleunigen und die langfristigen Ziele ehrgeiziger zu gestalten“, heißt es im „Emissions Gap Report“, den das Umweltprogramm in Genf vorgestellt hat. Selbst bei Einhaltung aller bisher vorgelegten Klimaschutzzusagen wird sich die Erdtemperatur laut dem Report um mindestens drei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhöhen. Nach Angaben der Weltwetterorganisation (WMO) ist sie bereits jetzt 1,2 Grad wärmer.
Status Quo in Österreich
Fakt 5: Das Umweltbundesamt hat den aktuellen Klimaschutzbericht 2017 für Österreich veröffentlicht. „Im Jahr 2015 betrugen die Treibhausgas-Emissionen Österreichs 78,9 Mio. Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalent (CO2-Äquivalent). Die Emissionen lagen damit um 3,2 % bzw. 2,5 Mio. Tonnen über dem Niveau von 2014 und um 0,1 % über dem Wert von 1990“ heißt es in der Zusammenfassung. Nicht mitgerechnet in der Bilanz sind mögliche CO2-Importe und Exporte.
Zusätzliche Anstrengungen bis 2020 nötig?
Die Energieeffizienz-Richtlinie (RL 2012/27/EU) mündete in Österreich in das Energieeffizienzgesetz (EEff-G; BGBl. I Nr. 72/2014), u.a. mit dem Ziel, die Energieeffizienz bis 2020 um 20% zu verbessern.
Das EEff-G sieht auch eine Stabilisierung des Endenergieverbrauchs auf 1.050 PJ (Petajoule) bis 2020 vor.
Fakt 6: Das Umweltbundesamt kommt im aktuellen Klimaschutzbericht zum Schluss: „Im Jahr 2015 lag der energetische Endverbrauch in Österreich bei 1.087 PJ (STATISTIK AUSTRIA 2016a). Vorläufige Daten lassen für 2016 einen Wert um 1.120 PJ erwarten. Aktuelle Projektionen gehen davon aus, dass das Ziel 2020 nur mit zusätzlichen Maßnahmen erfüllt werden kann.“
Deutlich steilerer Reduktionspfad nach 2020 erforderlich
Das Umweltbundesamt schreibt auch, die Europäische Union sei auf dem Weg, die Ziele für das Jahr 2020 einzuhalten; allerdings sei nach 2020 ein deutlich steilerer Reduktionspfad erforderlich, um die langfristige Reduktion von 80–95 % im Jahr 2050 zu erreichen. In Österreich ruht derzeit noch infolge der Neuwahlen die Ausarbeitung der Energiestrategie 2030, das wird sich aber sehr wahrscheinlich mit der Konstituierung der neuen Regierung bald ändern. 2019 wird jedenfalls aufgrund des EEffGs wieder ein Meilenstein, weil dann hier wieder die Energieaudits zu machen sind. Die EU plant, die Treibhausgas-Emissionen bezogen auf das Basisjahr 1990 bis 2030 innerhalb der EU um mindestens 40 % zu senken. Dafür sollen die Emissionen der Sektoren außerhalb des Emissionshandels um 30 % (auf Basis 2005) gesenkt werden. Für den EU-Emissionshandel wurde ein Emissionsreduktionsziel von 43 % bis 2030 (gegenüber 2005) vereinbart. Die jährliche Emissionsobergrenze im Emissionshandel soll ab 2021 jährlich um 2,2 % sinken.
Blick zum deutschen Nachbarn
Am 8. April 2017 meldete die deutsche Tagesschau: „Der selbsternannte Klimaschutz‐Vorreiter bekommt schlechte Noten: Einer Studie zufolge hat Deutschland in den ersten drei Monaten sein gesamtes Jahresbudget an CO2‐Emissionen bereits verbraucht. Auch in den kommenden Jahren ist keine Besserung in Sicht. Deutschland hat in den ersten drei Monaten bereits so viel Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wie es im gesamten Jahr 2017 freisetzen dürfte, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.“ … „Die Bundesregierung hat sich eigentlich dazu bekannt, den CO2‐Ausstoß zwischen 2010 und 2050 auf neun Milliarden Tonnen CO2 zu reduzieren, um die globale Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß von unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Allerdings sagt die Studie auch für die nächsten drei Jahre voraus, dass dieses fiktive CO2‐Budget schon im April des jeweiligen Jahres erschöpft sein wird.“
Risikobewertung der Münchner Rückversicherung
Die Münchner Rückversicherung sieht in der ihrer aktuellen globalen Risikolandkarte 2017 (http://reports.weforum.org/global-risks-2017/global-risks-landscape-2017/#landscape) extreme Wetterereignisse als jenes Risiko mit der größten Wahrscheinlichkeit und einer hohen Auswirkung. Naturkatastrophen, von Menschen verursachte Naturkatastrophen und ein mögliches Versagen den Klimawandel zu mildern und Anpassungsstrategien zu finden, finden sich in der Risikobewertung hinsichtlich Wahrscheinlichkeit und Auswirkungen auf einem mäßig hohen bzw. hohen Niveau. Das Risiko „Verlust der Biodiversität und der mögliche Kollaps von Ökosystemen“ wird noch als mäßig hoch in der Wahrscheinlichkeit und hoch in der Auswirkung bewertet. Damit zählen umweltspezifische Risiken in Wahrscheinlichkeit und Auswirkung zu den wichtigsten. Migration und Wasserkrisen könnten auch Folgen des Klimawandels sein.
Was kosten die Klimaschäden?
Die Stern-Studie aus dem Jahr 2006 bewertet global die Klimaschäden ohne Anpassungs-bzw. Mitigationsmaßnahmen auf 5 – 20% des jährlichen BIP. Die Klimaschäden ließen sich mit effektiven Klimaschutzmaßnahmen auf 1% des jährlichen BIP reduzieren. Dh, Klimaschutz lohnt sich!
Das IPPC (Intergovernmental Panel on Climate Change) schätzt 2014 (global) den möglichen Einkommensverlust auf 0,2 bis 2% bei 2°C zusätzlicher Erwärmung.
In Österreich bereits über ein Milliarde pro Jahr Das Umweltbundesamt beziffert die wetter- und klimabedingten Schäden in Österreich bereits auf „rund 1 Mrd. Euro pro Jahr“. Anmerkung: Zum Vergleich: das aktuelle Budget für das Bundesheer beträgt 1,9 Mrd. Euro, für die Asylpolitik 1,8 Mrd. Euro. „Die wetter- und klimabedingten Schäden werden weiter steigen, insbesondere wenn es nicht zu signifikanten Emissionsreduktionen kommen sollte.“ Die Prognosen liegen zunächst für ein „mittleres Klimawandelszenario bis zur Jahrhundertmitte auf durchschnittlich jährlich 4,2–5,2 Mrd. Euro (heutiges Preisniveau). Bei alternativen Klimaszenarien kann sich dieser Wert auf etwa 8,8 Mrd. Euro/Jahr erhöhen“, dh wir reden von einer Vervier- bis Verachtfachung des jährlichen Schadensvolumens.
Was nützen Effizienzprogramme?
Andere Studien wie jene von Bain & Company aus dem Jahr 2013 zeigen, dass sich durch Energieeffizienzprogramme 10 bis 30% an Energie einsparen lässt und die Profitabilität um bis zu 2% gesteigert werden kann.
Managementsysteme wie die ISO 14001, EMAS und/oder die ISO 50001 unterstützen maßgeblich in der gezielten und systematischen Verbesserung der Umweltleistung bzw. der energiebezogenen Leistung. Die Verbesserung der Leistung wird in den aktuellen Normen und begleitenden Leitfäden nochmals verstärkt.
Die ISO 50001 hat überhaupt das erklärte Ziel, die Energieeffizienz zu steigern, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und Kosten zu senken. Damit können sowohl die ISO 14001, die EMAS-Verordnung als auch die ISO 50001 unter anderem als Klimaschutznormen verstanden werden.
Der Kompetenzentwicklung in der eigenen Organisation kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, wie die Fachvorträge beim 4. qualityaustria Umwelt- und Energieforum am 28.9.2017 in Wien gezeigt haben. Die Förderung des internen Know-hows im Unternehmen hat auch zu Innovationen aus dem Energiemanagement geführt, die die Umwelt entlasten und viel Geld einsparen.
Der Anstieg der Kohlendioxidemissionen und der Temperatur kennzeichnen den Umweltzustand im Sinne ISO 14001:2015 4.1. Der Klimawandel trifft alle, der Unterschied liegt im möglichen Ausmaß. Und wie wirken die Organisationen auf diesen Umweltzustand? Welche Chancen und Risiken ergeben sich nun daraus? Welche Maßnahmen werden abgeleitet und umgesetzt?
Es gibt viel zu tun. Packen wir es (endlich) an. Nutzen wir auch die Kraft der Normen, hier einen aktiven Beitrag für eine nachhaltige Gestaltung der Zukunft zu leisten und positive Fakten zu schaffen. Sonst wird es wirklich teuer.
Viel Erfolg!!!
Schauen wir gespannt nach Bonn in den nächsten Tagen.
Axel Dick
Autoren des Beitrages:
DI Axel Dick, MSc, Business Development Umwelt und Energie, CSR
Ing. Wolfgang Hackenauer, MSc, Produktexperte Umwelt und Energie, qualityaustria Auditor und EMAS Umweltgutachter, Netzwerkpartner
Dr. Werner Schöngrundner, qualityaustria Auditor, EMAS-Umweltgutachter, Netzwerkpartner
Mag. Walter Beyer, qualityaustria Auditor und Netzwerkpartner