By Axel Dick on Donnerstag, 15. Oktober 2015
Category: Qualität und Effizienz

Leere Versprechen, Irreführung und Food Fraud

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) erfasst seit 2012 Beschwerden über Lebensmittel, die nicht das halten, was sie versprechen. Mehr als 400 Beiträge wurden bisher von kritischen Konsumenten eingebracht, rund ein Drittel betrifft dabei die Aufmachung des Produktes. Im Zentrum der Kritik stehen Mogelpackungen, die mit viel Luft anstelle des Inhalts gefüllt sind, aber auch überdimensionale Abbildungen von hochpreisigen Zutaten, die im Produkt nur in geringen Mengen enthalten sind. Die meisten Beschwerden beziehen sich auf Snacks und Süßigkeiten, die falsche Erwartungen wecken. Durch den Lebensmittel-Check des VKI haben Hersteller bei rund 40 Produkten nachgebessert oder die Ware aus dem Sortiment genommen.

Ähnliches Bild in Deutschland - nur die Dimensionen der Beschwerden sind um einen Faktor X deutlich höher: Über www.lebensmittelkarheit.de, die Plattform der Verbraucherzentrale des Bundesverbands, wurden von den Konsumenten bisher 6.500 irreführende Produkte gemeldet. Mehr als 270.000 Beschwerden sind in den vergangenen Jahren über das Portal www.abgespeist.de von foodwatch eingegangen.

Vor dem Hintergrund dieses besorgniserregenden Trends widmete sich das 7. qualityaustria Lebensmittelforum den Themen Lebensmittelsicherheit und -betrug. Food Safety sei nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung zur Vermeidung lebensmittelbedingter Erkrankungen, indem unabsichtliche, zufällige Kontaminationen präventiv erkannt werden. Die neuen Herausforderungen in der Lebensmittelbranche seien aber zunehmend Food Defense und Food Fraud. „Lebensmittelkriminalität ist ein globales Problem!“, so Alfred Greimel von der Quality Austria. In beiden Fällen handle es sich um vorsätzliche Verfälschungen. Hinter Food Defense würden oft ideologische Motive stehen, die darauf ausgerichtet sind, einem Hersteller gezielt zu schaden. Hingegen ziele Food Fraud grundsätzlich darauf ab, einen wirtschaftlichen Vorteil zu lukrieren. Lebensmittel-Qualitätsstandards setzen sich nun mit diesen Herausforderungen auseinander.

Markus Zsivkovits, MScTox, Lebensmittelgutachter der AGES ILMU Wien, klärte in seinem Vortrag „Täuschungsschutz – das Irreführungsverbot im Lebensmittelrecht“ über die Grundlagen des Lebensmittelrechts auf. Die Ziele des Lebensmittelrechts seien der Schutz für das Leben und die Gesundheit, der Verbraucherinteressen und lauterer Handelsgepflogenheiten im Lebensmittelhandel (nach Art. 5 Abs. 1 BasisVo 178/2002). In diesem Zusammenhang definierte Zsivkovits Täuschung als falsche Auffassung eines Sachverhalts, unabhängig davon, ob die Täuschung bewusst durch einen anderen herbeigeführt werde. Zur Vermeidung einer Täuschung bestehe laut Artikel 7 der Lebensmittelverordnung ein Irreführungsverbot, das irreführende Informationen über Lebensmittel untersage. So dürfe Kräutertee auf der Verpackung keine entschlackende Wirkung ausweisen, wenn das Produkt diese Eigenschaft nicht besitze. Des Weiteren umfasse § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) das Irreführungsverbot. Demnach gelte eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt derart zu täuschen, dass dieser dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. „Das Informationsmanagement ist eine Herausforderung der heutigen Zeit. Wenn der Konsument den Angaben des Herstellers glaubt, hängt die Verkaufsentscheidung nicht nur vom Preis ab“, stellte Zsivkovits abschließend fest.

Einen Blick in die Vergangenheit warf Ulrich Nöhle, Krisenmanagement, Medientraining, Wirtschafts- & Behördenmediation Food & Feed, Honorarprofessor Industrielles Qualitätsmanagement TU Braunschweig. Er hob in seinem Vortrag hervor, dass Betrug bereits so lange wie die Menschheit existiere. Generell sei darunter eine vorsätzliche Verletzung der Vorschriften nach Art. 1(1) der V 882/2004 zu verstehen, um einen finanziellen oder wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Nöhle betonte, dass es sich bei Betrug um Einzelfälle handle und erinnerte an große Lebensmittelskandale, wie in Österreich die Zugabe des Frostschutzmittels Glykol in Wein oder in China die Vermischung von Milchpulver mit Melamin, die für Konsumenten gesundheitliche Folgen nach sich zogen. Der Fall China ist noch nicht so lange her und hatte weitreichende gesundheitliche Folgen, Tote und Erkrankte. In China wurden einige Verantwortliche auch zum Tode verurteilt.

Der Pferdefleischskandal sei ein gelenkter Prozess gewesen, der durch Maßnahmen der EU korrigiert wurde. Durch ein koordiniertes Kontrollprogramm konnte die Anzahl der Betrugsfälle von 2013 auf 2014 effektiv verringert werden. Die Maßnahmen zeigen Wirkung.

Aktuell sei auf europäischer Ebene zur Bekämpfung von Lebensmittelbetrug ein Food Fraud Network gegründet worden, das dem Informationsaustausch diene. Die jeweiligen Mitgliedsstaaten würden dafür jeweils einen nationalen Food Fraud Contact Point benennen. Eine weitere Maßnahme sei das EU-Forschungsprojekt „Food Integrity“.

Um Betrugsfällen entgegenzuwirken, so die klare Empfehlung, seien verfahrensbezogene Prozesskontrollen bei Lieferanten und erweiterte Plausibilitätsprüfungen im Einkauf durchzuführen. Auch unangekündigte Kontrollen könnten dabei helfen, die schwarzen Schafe zu identifizieren, auch wenn es heißt, hier Lieferanten im Ausland mal unter die Lupe zu nehmen, selbst wenn diese in Asien sitzen. Oder vielleicht genau deswegen, um auf Nummer sicher zu gehen und den Lieferanten besser kennenzulernen?

Auf Europäischer Ebene gibt es sogar eine Top 10 Liste von Produkten, wo Food Fraud ein Thema ist: Olivenöl, Fisch, Bio-Lebensmittel, Milch, Getreide, Honig und Ahornsirup, Kaffee und Tee, Gewürze, Wein und bestimmte Obstsäfte. Daher ist nun auch ein Kontrollprogramm für Honig und Fisch geplant, das die wahrheitsgemäße Kennzeichnung der Produkte überprüft. Der kritische Leser mag sich bei der Auswahl seinen Reim selber bilden.

Experte Nöhle ist überzeugt, dass einerseits Transparenz zu einem Geschäftsmodell wird, um das Kundenvertrauen zu gewinnen und dass andererseits Betrug früher oder später, aber auf jeden Fall öffentlich wird und in einer Datenbank erfasst wird. Neben den neuen Kontrollprogrammen und Maßnahmen gibt es auch noch die whistleblower, welche Motive auch immer hier eine Rolle spielen.

Viel Erfolg mit Ehrlichkeit, Transparenz und Qualität!

Axel Dick