Der aktuelle Ausblick des IWF (“World Economic Outlook (Update)“) sieht die Weltwirtschaft in einer gefährlichen neuen Phase. Die strukturellen Probleme seien ungelöst, das Vertrauen sei deutlich gesunken, die Risiken nehmen zu, heißt es dort. Weiter ist von einer Reihe externer Schocks die Rede, die das Weltwirtschaftssystem erschüttern können.
Das geschilderte Szenario sei noch relativ optimistisch, sagt der IWF. So sei bereits einkalkuliert, dass es auf der politischen Ebene der Eurozone deutliche Fortschritte in Sachen Lösung der Schuldenkrise gibt. (Welche?)
In den USA hat es die private Wirtschaft laut IWF nicht geschafft, die staatlichen Anreizprogramme in einen selbsttragenden Aufschwung umzusetzen. In Europa gehe die Schuldenkrise weiter. Die Strukturprobleme in den Industrieländern seien hartnäckiger als bisher gedacht (oder gehofft – siehe hierzu auch “Wege aus der Schuldenkrise“).
Der Weltwirtschaft steht laut IWF in 2012 eine deutliche Abkühlung bevor, sie werde nicht um vier Prozent wachsen, wie im September vorhergesagt, sondern nur um 3,3%. Der Eurozone droht mit minus 0,5% Zuwachs eine Rezession, Deutschland ist für ein kleines Wachstums-Plus gut. Bei Spanien und Italien wurden die Wachstumsaussichten gegenüber der letzen Vorhersage am deutlichsten nach unten korrigiert. Hier liegt auch das größte Belastungspotenzial. Davon werden auch die Schwellen- und Entwicklungsländer betroffen, sie müssen mit einem schwächeren Wachstum von 5,4% rechnen.
Für Spanien sagt der IWF in einer separaten Mitteilung voraus, dass das Land seine Defizit-Ziele verfehlen wird. Das Budget-Defizit wird für 2011 wahrscheinlich 8% betragen, 6,8% in 2012 und 6,3% in 2013 (vorherige Prognose: 3%). Das Land sollte auch noch nicht einmal versuchen, die alten Defizitziele zu erreichen, das brächte nur zusätzliche Instabilität. Laut IWF falle Spanien in eine zwei Jahre anhaltende Rezession.
Der IWF sieht die Lage damit immer noch positiver als die Weltbank, die in ihren Wirtschaftsausblick für 2012 ein Wachstum der Weltwirtschaft von nur noch 2,5% sieht. (Das liegt nach allgemeinem Verständnis schon nahe bei einem rezessiven Szenario – Rezession hier typisch unter 2,5%).
Beide sind sich aber einig: Die schlechte Verfassung der Eurozone ist hauptsächlich verantwortlich für die globale Wirtschaftsschwäche.
Die Ratschläge des IWF an die Eurozone: Wachstum fördern, zugleich Staatsfinanzen in Ordnung bringen. Außerdem sei wichtig, die Mittel der Euro-Rettungsschirme ausreichend zu dimensionieren. ESM und EFSF sollten aufgestockt werden.
Die EZB soll nach den Vorstellungen des IWF die geldpolitischen Zügel weiterhin schleifen, äh, locker lassen, da noch mehr Liquidität benötigt wird. Zudem soll sie nach wie vor Staatsanleihen von Krisenstaaten wie Italien oder Spanien kaufen, und das „voll engagiert“. Die Banken der Eurozone sollten weitere Kapitalspritzen erhalten -auch aus öffentlichen Quellen– und beim Schuldenabbau nicht “übermäßig schnell” vorgehen, ansonsten droht eine “verheerende Kreditklemme”.
Laut IWF sei jetzt internationale Abstimmung dringend erforderlich. Nicht jedes Land könne die Krise auf die gleiche Weise bekämpfen, die Maßnahmen in den einzelnen Ländern müssten sich ergänzen. So sollten z.B. die Länder der Eurozone mit niedrigen Zinsen und finanziellem Spielraum bei der Haushaltskonsolidierung eher langsamer voranschreiten und stattdessen konjunkturpolitisch „aufdrehen“. Wenn das keine Anspielung auf Deutschland ist, die europäische Konjunkturkarre aus dem Dreck zu ziehen…
Der IWF warnt alle Länder davor, das Sparen zu übertreiben, weil es das Wirtschaftswachstum zu stark bremst. Das geht auch an die Adresse von Schwellenländern wie China und Brasilien, die wenn nötig die Konjunktur stützen sollten.
Der Absturz der Weltwirtschaft in die Rezession kann nur verhindert werden, so der Tenor des IWF, wenn Wachstumsförderung und finanzielle Konsolidierung ausbalanciert würden.
Das Wichtigste zum Schluss: Der beim IWF für Fiskalpolitik zuständige Carlo Cottarelli, vormals Bank of Italy, hat Pressemeldungen zufolge entdeckt, dass die Märkte nicht nur auf ausgeglichene Haushalte schauen.
Ich wage zu behaupten, ausgeglichene Haushalte gehören aus Sichte der „Märkte“ eher zu den uninteressanteren Aspekten. Hauptsache, man kann an Schuldscheinen gut verdienen und findet immer jemanden, der sie einem wieder abkauft – und zwar teurer als man sie selbst gekauft hat. (Und zur Not an eine Zentralbank).
Lassen wir das – nachfolgend zwei Charts aus einer Präsentation von Cottarelli. Der erste zeigt den Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Defizit, der zweite den Zusammenhang zwischen staatlichem Anreiz und Auswirkung auf die BIP-Entwicklung (wenn Sie so wollen, eine Art Keynessscher Multiplikator).