Die EZB-Bilanz ist mittlerweile 4,3 Bill. Euro lang, sie hat sich seit Frühjahr 2015, dem Start ihres QE-Programms, in etwa verdoppelt. Die Überschuss-Liquidität im Euro-System ist auf 1,7 Bill. Euro angeschwollen. Im Frühjahr 2015 lag dieser Wert noch bei etwa 130 Mrd. Euro (Chartquelle).
Zunächst entsprach die Gewichtung bei den Käufen von Staatsanleihen dem Verhältnis der einzelnen Länder am Eigenkapital der EZB, mittlerweile sind aber besonders italienische Bonds übergewichtet. Das Land hat fast 2,3 Bill. Euro an Staatsschulden (133% bezogen auf das BIP) und Target2-Verbindlichkeiten im Umfang von mehr als 300 Mrd. Euro (v.a. gegenüber der Bundesbank). Die private Verschuldung beträgt rund 180% vom BIP. Über 16% der von italienischen Banken ausgereichten Kredite gelten als faul, im EU-Durchschnitt sind es gut 5%. Mit geschätzten 360 Mrd. Euro sollen die rund 700 italienischen Geldhäuser den absolut gesehen größten Teil der faulen Kredite halten.
Die EZB hat mit ihrer QE-Politik in erster Linie erreicht, dass der Euro gegen Dollar massiv abgewertet hat. Das hat insbesondere dem „Exportweltmeister“ Deutschland, aber auch der Eurozone als Ganzes internationale Wettbewerbsvorteile gebracht. Gleichzeitig hat das notwendige Anpassungsprozesse, wie etwa die Reduktion von Staatsschulden, torpediert, in dem sie deren Verzinsung gedrückt hat. Außerdem hat sie Aktivitäten in Carry-Trade-Krediten in Euro begünstigt, die einerseits den Außenwert des Euro gedrückt haben, andererseits aber das Risiko heftiger Kapitalrückflüsse erhöhen. Angesichts des maroden ökonomischen und finanziellen Fundaments von EU/Eurozone sind damit Keime für künftige gravierende Instabilitäten gelegt worden.
Die EZB sieht sich bei der „Normalisierung“ der Geldpolitik ungleich schwierigeren Rahmenbedingungen ausgesetzt als die Fed. Werfen wir zunächst einen Blick darauf, wie die Fed auf ihrem angeblichen Weg der Normalisierung der Geldpolitik weitergehen will.
Ab Oktober will die Fed zusätzlich zu den bereits getätigten Zinserhöhungen in ihrem Bestand befindliche fällige Staatsanleihen und Hypotheken-gesicherte Anleihen (MBS) nicht mehr vollständig reinvestieren. Nach dem Plan der Fed ergeben sich nach vier Quartalen 120 Mrd. Dollar (oder 5,2% des Netto-Effekts der Bilanzverlängerung der Fed, s.o.), nach acht Quartalen sind es insgesamt 280 Mrd. Dollar, nach 12 Quartalen 480 Mrd. Dollar. So wie die Fed mit ihren QE-Maßnahmen Liquidität geschaffen hat, schöpft sie Liquidität ab, wenn sie ihre Bilanz verkürzt. Die Geldversorgung kontrahiert.
Wenn der Plan der Fed, ihre Bilanz zu verkürzen, zu steigenden Zinsen führt, könnte die mit Niedrig-Zinsen alimentierte, nicht gerade überschäumende Konjunktur schnell einen empfindlichen Dämpfer bekommen und in eine Rezession münden. Wie will die Fed die Gratwanderung zwischen Normalisierung der Geldversorgung und Wirtschaftswachstum hinbekommen? Oder anders gefragt: Wie will sich die Fed aus ihrer Rolle als großer Gläubiger herauszuwinden?
Die Gratwanderung der Fed kann gelingen, wenn die Schuldner fällig werdender Anleihen, im wesentlichen die US-Regierung und private Hypothekenschuldner, neue Bank-Kredite bekommen. Dazu muss sie Banken zu bewegen, sich andere Anlageformen für ihre Überschussreserven zu suchen. Bisher werden diese mit 1,25% pro Jahr verzinst – ein sicheres Einkommen.
Wenn die Fed im Dezember, wie allgemein angenommen, ihren Leitzins auf den Bereich zwischen 1,25% und 1,50% anhebt, dürften Zinsen und Staatsanleihen am kurzen Ende folgen. Lässt die Fed die Verzinsung der Überschussreserven unverändert, beginnt dann die Suche nach rentierlicheren Alternativen. Nicht zufällig ist die Verzinsung einjähriger („sicherer“) US-Staatsanleihen im September bereits über das Niveau von 1,25% angestiegen und notierte Ende des Monats bei über 1,3%.
Ein Bestandteil des Plans der Fed muss also sein, zu erreichen, dass ein Teil der Überschussreserven der Banken in andere Anlageformen, insbesondere in Staatsanleihen und MBS umgeschichtet wird. Wenn dies geschieht, wirkt das der Schrumpfung der Geldmenge durch die Bilanzverkürzung der Fed entgegen.
Die Fed hat zugleich mit der Bekanntgabe der Details zum Plan der Bilanzverkürzung bekräftigt, dass die Zinspolitik ihr primäres Tool der Geldpolitik bleibt und zur Feinabstimmung hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dient. Das ist ein Hinweis darauf, dass sie den US-Banken bei Bedarf über reguläre Offenmarktgeschäfte neues Basisgeld zu günstigen Konditionen bereitstellen wird, die Kreditmärkte also aufnahmefähig halten will. Sie hat damit etwas Ähnliches getan, wie weiland im Sommer 2012 EZB-Chef Draghi, als er versicherte, die EZB werde den Euro retten (koste es, was es wolle).
Mit dieser Versicherung der Versicherung gegen Konjunktureinbruch und Kollaps der Asset-Preise ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Finanzmärkte auf den Plan der Fed positiv reagiert haben. Große Akteure an den Finanzmärkten fühlen sich ermutigt, weitere Risiken einzugehen, bestärkt durch die zuletzt im Nachgang der Finanzkrise gemachten Erfahrungen. Solange sie an Fähigkeit und Willen der Fed glauben, sie aus der nächsten Krise herauszuhauen, bleiben sie übergeordnet auf „Risk-on“.
Wenn der Plan der Fed gelingt, ist die geldpolitische Normalisierung marginal und auch angesichts des erreichten Reifegrades des aktuellen Konjunkturzyklus ohne nachhaltige Bedeutung. Das gilt zumindest für das erste Jahr der Laufzeit der Bilanzverkürzung und eben so lange die Banken in die Lücke springen, die die Fed als Kreditgeber reißt.
Eine wirklich signifikante Bilanzreduktion der Fed würde alsbald zu deutlich steigenden Zinsen am langen Ende führen. Das würde die Kreditkonditionen verschlechtern, die die sich sowieso nicht gerade in ausgeprägtem Steigflug befindliche Wirtschaft ausbremsen und die Kosten für die Neuverschuldung des Staates erhöhen. Dadurch würden Trumpsche Vorhaben konterkariert, sei es die Steuerreform oder kreditfinanzierte Infrastrukturprojekte. Die Steuerreform in der bisher vorliegenden Fassung dürfte den Staat auf zehn Jahre gerechnet über zwei Bill. Dollar an Einnahmen kosten, die über neue Schulden finanziert werden müssten.
Auch aus vielerlei anderen Gründen (siehe hier und hier!) wird die Fed nichts tun, was die langfristigen Renditen dauerhaft in die Höhe treibt. Als Anhaltspunkt mag eine seit 30 Jahren etablierte Abwärtslinie gelten, die aktuell für 10-jährige TNotes bei knapp 2,5% notiert. Die Fed wird einem nachhaltigen Anstieg darüber entgegenwirken. Die Weichen für diesen Ernstfall werden nach und nach gestellt – das Trommeln für Einschränkung bis Verbot von Bargeld gehört ebenso dazu wie das für negative Zinsen (siehe hier!).
Die EZB ist, wie dargestellt, in einer wesentlich schwierigeren Position. Wenn schon die Fed bei dem Versuch, die Geldpolitik zu normalisieren, so zaudernd vorgeht, muss die EZB noch viel stärker zögern. Sie hatte bei ihrer Pressekonferenz im September schon darauf hingewiesen, dass ein entscheidender Parameter bei ihrer Entscheidung über die künftige Geldpolitik die Entwicklung des Währungspaares Euro/Dollar ist. Schwächer wäre aus Sicht der EZB wünschenswert, zumindest aber kein nachhaltiger Ausbruch über 1,20 hinaus.
Das Währungspaar notiert gegenwärtig an einem wichtigen Pegel bei 1,17. Der Überhang von Netto-Long-Positionen in Euro ist nach wie vor hoch, das macht die laufende Konsolidierung anfällig für weitere Abgaben. Andererseits bewegt sich der Dollar-Index seit Frühjahr 2015 in einem sich öffnenden Dreieck. Das signalisiert Unsicherheit. Wird eine aus März kommende Abwärtslinie respektiert, wäre zunächst mit einem Test der unteren Begrenzung des Dreiecks bei rund 91 zu rechnen. Das entspräche auch eher der Wartesituation vor Bekanntgabe der Entscheidung der EZB am 26. Oktober.
Es ist längst nicht in Stein gemeißelt, wie der Euro reagiert, wenn die EZB sich für oder gegen eine Fortsetzung des QE-Programm über 2017 hinaus entscheidet. Die EZB wird v.a. nicht riskieren wollen, dass der Euro schnell erstarkt. Vermutlich wird sie sich daher nicht allzu sehr festlegen und eher einen graduellen Kurs fahren, etwa, dass sie die Bond-Käufe mit abnehmendem Volumen vielleicht noch bis Ende 2018 weiter führt. Dabei wird sie v.a., wie auch die Fed, Stein und Bein schwören, die Kreditmärkte liquide zu halten.
Damit verschiebt sich die Normalisierung der Geldpolitik auch in der Eurozone auf den St.-Nimmerleins-Tag. Während aber die Fed zumindest ein wenig Boden unter die Füße bekommen hat, um auf die Folgen eines unausweichlichen zyklischen Abschwungs zu reagieren, muss die EZB in einem solchen Fall recht schnell zu krassen Maßnahmen greifen.
Und was ist mit Gold?
Angesichts der maroden real-wirtschaftlichen Basis, der Geldflut und des damit einhergehenden abnehmenden Vertrauens in die FIAT-Währungen sollte man naiverweise glauben, dass der Goldpreis nur eine Richtung kennt – die nach oben.
Der Goldpreis reagiert in der Regel positiv, wenn die Inflation anzieht, der Dollar an Wert verliert, die längerfristigen Zinsen sinken und/oder sich Krisen gleich welcher Art zusammenbrauen. Die aktuell gedrückte Inflation belastet den Goldpreis eher, der seit Jahresbeginn schwächere Dollar unterstützte ihn, die Zinsen zeigen keinen nachhaltigen Aufwärtsdrang und Krisen – welche Krisen?
Die Kredittätigkeit der Banken hat seit Januar 2017 an Dynamik verloren. Auch das hat dazu geführt, die Inflationsrate zu dämpfen. Sollten die Banken Überschussreserven auf der Suche nach höherer Rendite über das zur Kompensation des Effekts der Bilanzverkürzung der Fed benötigte Ausmaß hinaus für andere Anlageformen nutzen, könnte das die Inflation wieder beleben. In die gleiche Richtung dürfte die im September unerwartet starke Entwicklung der Löhne und Gehälter in den USA wirken, wenn das keine Eintagsfliege ist.
Das, wie auch die Wahrscheinlichkeit weiter gedrückter langfristiger Zinsen spricht gegenwärtig für einen nach unten einigermaßen gut abgesicherten Goldpreis. Der konnte zudem Anfang August 2017 durch die Abwärtslinie von Hoch aus September 2011 brechen. Solange allerdings der Glaube vorherrscht, die Fed als die zentrale Zentralbank sei willens und in der Lage, das Finanzsystem zu kontrollieren, ist die Kursphantasie bei Gold begrenzt und der Pegel bei rund 1350 Dollar vermutlich weiterhin ein starker Widerstand.
Latente Krisen – mehr als genug
In der Eurozone wäre etwa Italien zu nennen. Das BIP-Wachstum des Landes rangiert mit erwarteten +1,1% ganz unten, die Schuldenlast ist sehr hoch, das Bankensystem äußerst fragil. Zudem ist die politische Lage unsicher.
Der Grad der Unsicherheit hinsichtlich Ausbreitung und politischer Einflussnahme rechts-populistischer und separatistischer Kräfte ist hoch. Auch deswegen möchte die etablierte Politik ungerne auf die kurzfristig positiven Steuer- und Ausgabeneffekte der lockeren Geldpolitik auf die Staatshaushalte verzichten, die einen gewissen Spielraum für „Geschenke“ an das Wahlvolk bieten. Umgekehrt könnte ein Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik diese Versprechungen rasch als unhaltbar entlarven.
Auch wenn beim Brexit ein Kompromiss wahrscheinlich ist, ist eine plötzliche, unerwartete Wendung nicht auszuschliessen. Das könnte leicht zu einem Auslöser einer Finanzkrise werden.
In China konnte bisher eine harte Landung der Wirtschaft vermieden werden, aber die rapide Schulden-Expansion, eine immer größere Immobilienblase, sowie ein aktives Schattenbanken-System werfen Zweifel auf, wie lange das noch gut geht. Künftiges Wachstum kann nicht unbegrenzt lediglich auf Schulden und Investitionen gründen.
Trotz aller Maßnahmen von Regierung und Zentralbank im Rahmen der Abenomics sieht sich Japan weiter gravierenden finanziellen und demographischen Problemen gegenüber. Alles ist groß – Budgetdefizite, QE-Programme, öffenliche Verschuldung. Aber Wachstum und Inflation sind weiter anemisch. Japan – das Menetekel für die Geldflut-Politik überall.
In einer Welt starker internationaler Kapitalflüsse und großer Leistungsbilanz-Ungleichgewichte haben lokale Regierungen wenig Kontrolle über ihre eigenen Volkswirtschaften. Der Herdentrieb unter den großen Akteuren an den Finanzmärkten verstärkt und beschleunigt die Kapitalflüsse – zum Guten wie erst recht zum Schlechten.
Durch die Geldflut der Zentralbanken sind die Asset-Preise extrem stark angestiegen und zeigen historisch höchste Bewertungen. Plötzliche Einbrüche werden in einer solchen Situation wahrscheinlicher und erhöhen das Risiko, dass das Finanzsystem angesichts der überbordenden Verschuldung destabilisiert wird.
Schließlich birgt selbst der zarteste Versuch von Zentralbanken, ihre Geldpolitik zu normalisieren, das Risiko einer Überreaktion, die die Marktliquidität kontrahieren lässt und zu einer Kreditklemme führen kann. Der riesige, schnell wachsende Anleihe-Sektor ist anfällig – wenn sich das Umfeld von Zinsen und Erträgen ändert, kann es rasch zu einer Kettenreaktion mit scharfer Preiskorrektur kommen.
So lange blindes Vertrauen auf die Macht der Zentralbanken Risiken ausblendet, steht Gold bei Anlegern nicht im Fokus. Das mag für diejenigen, die eine Krise des Geldsystems heraufziehen sehen, eine Kaufgelegenheit sein.
In einer akuten Krise werden die Zentralbanken rasch wieder zu ihrem Rettungsset greifen, bestehend aus extrem expansiver Geldpolitik, Negativzinsen und Anleihekäufen. An die Folgen einer aus dem Nichts geschaffenen Geldflut, hat man sich gewöhnt. Hingegen werden Erschütterungen im Finanzsystem und damit einhergehende Pleiten immer mehr gefürchtet.