By Klaus Singer on Sonntag, 18. Juni 2017
Category: Finanz | Wirtschaft

Fed – Zinsen – Euro/Dollar

Die Fed hat am Mittwoch der zurückliegenden Woche die Leitzinsen ein weiteres Mal um 0,25% erhöht auf den Bereich zwischen einem und 1,25 Prozent. Das war auch so erwartet wroden. Die Aktienmärkte haben kaum darauf reagiert, die Verlustserie bei den größten Technologiewerten hielt an, der S&P 500 fuhr einen Wochengewinn von stolzen 1,26 Punkten ein.

Die Akteure an den Finanzmärkten erwarteten eine Präzisierung des im ersten Quartal angekündigten Vorhabens der Fed, die Bilanz zu verkürzen. Der Plan wurde bekräftigt – zunächst sollen frei werdende Beträge von auslaufenden Anleihen im Volumen von zehn Mrd. Dollar monatlich nicht mehr reinvestiert werden. Man rechnet damit ab September.

 

Dieser dritte Zinsschritt in sechs Monaten fällt in eine Phase, in der wichtige Makrodaten schwächer tendieren. Der Kern-CPI kontrahierte im Vergleich zum Vormonat und kommt jetzt auf eine Steigerung von 1,7% gegenüber dem Mai des Vorjahres. Der CPI unter Einschluss der Preise für Nahrung und Energie steigt um nur noch 1,9% im Jahresvergleich, und bleibt damit zum ersten Mal in sechs Monaten unter dem Fed-Ziel von zwei Prozent. Das jüngste Topp der Inflationsrate stammt aus Februar mit 2,8%, das jüngste Tief stammt aus April 2015 mit –0,11%.

 

Zusätzlich zeigten sich die Einzelhandelsumsätze im Mai anemisch. Es war eine leichte Steigerung erwartet worden, tatsächlich sanken sie um 0,3% (ohne Kfz). Einzelhandelsumsätze machen etwa die Hälfte der Verbraucherausgaben aus. Die Hausbaubeginne kamen ebenfalls deutlich schwächer herein als erwartet. Auch das Verbrauchersentiment trübt sich nach vorläufigen Zahlen im Mai unerwartet ein.

 

Die EZB hatte in der Vorwoche ihr QE-Programm bestätigt. Die monatlichen Anleihe-Käufe von 60 Mrd. Euro haben nach eigener Aussage die Erwartungen bisher nicht erfüllt und so wurden die Inflationserwartungen nach unten korrigiert. Gleichzeitig wird es auf der Angebotsseite offenbar eng, deutsche Bunds scheinen Mangelware zu sein.

 

Die Fed erklärt den Durchhänger bei der Inflationsentwicklung mit temporären Effekten und sagt ein BIP-Wachstum von 2,1% in diesem und zwei Prozent in 2018 und 2019 voraus. Im laufenden Jahr rechnet die Fed allerdings mit einer Inflation von nur noch 1,6%, im März war man von 1,9% ausgegangen, die Kernrate soll auf 1,7% kommen (im März 1,9%).

 

Ob die Ansage der Fed, in diesem Jahr noch (mindestens) einen und in 2018 drei oder vier Zinsschritte zu unternehmen, da stichhaltig ist, kann man getrost bezweifeln. Fed-Chefin Yellen setzt bei der Inflationsentwicklung auf den mittlerweile engen Arbeitsmarkt und hofft, Lohnsteigerungen werden zu höherer Inflation führen. Das mag sein, der Effekt scheint jedoch angesichts der relativ undynamischen Lohnentwicklung nicht besonders groß zu sein.

 

Die Anleiherenditen ziehen die Aussagen der Fed in Zweifel. Die Zinsen von langfristigen Staatsanleihen sinken. Am Mittwoch, dem Tag der Verkündung der Fed-Entscheidung, ist die Rendite der 30-jährigen Treasurys um beachtliche 2,8% auf 2,783% zurückgegangen, die der 10-jährigen TNotes sogar um 3,1% auf 2,138%, nahe einem sieben-Monats-Tief. Mitte März lag der Wert noch über 2,6%. Dass die Zinsstruktur über alle Laufzeiten flacher wird, hängt natürlich auch damit zusammen, dass die kurzen Zinsen mit den Zinsschritten der Fed steigen. Aber auch der Spread am langen Ende, zwischen zehn und 30 Jahren Laufzeit, nimmt ab. Aktuell kommt er auf 0,63%, im November, unmittelbar nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten, lag er bei 0,81%.

 

Ein flachere Zinsstruktur liefert üblicherweise die Botschaft, dass das Wachstum nachlässt, aber erst eine invertierte Zinskurve lässt die Alarmglocken hinsichtlich einer heraufziehenden Rezession schrillen.

 

Nimmt man Zinsentwicklung, Makrodaten und die Fed-Entscheidung samt der Kommentare drum herum zusammen, so lässt sich der Zinsschritt auch so interpretieren, dass er zumindest zum Teil deshalb erfolgte, um weiteren Boden unter die geldpolitischen Füsse zu bekommen, wenn die Wirtschaft sich anders entwickelt wie erhofft.

 

Yellen und die Fed sagen „hü“, der Bond-Markt sagt „hott“. Skeptiker leiten daraus ab, dass die Geldpolitik der Fed das Rezessions-Risiko ansteigen lässt, weil sie nicht mehr zur Verfassung der Wirtschaft passt. Das ist aus meiner Sicht eher das Standard-Argument der Liquiditäts-Junkies. Ein Liquiditäts-Engpass ist nicht erkennen. Der TED-Spread ist gleichbleibend niedrig, die die Versorgung mit liquiden Mitteln zeigende Geldmenge MZM (Money Zero Maturity) steigt im Jahresvergleich noch mit 5,1%. Das ist zwar weniger als im August 2016 (fast 7%), liegt aber klar über dem BIP-Wachstum und auch über der jährlichen Steigerung der gesamten Ausleihungen (3,9% – Maximum in 2016 fast 8%). Klar ist, dass die geplante Bilanzverkürzung der Fed die Liquiditätsentwicklung tangiert – anfänglich werden aber nur etwa zehn Mrd. Dollar monatlich “sterilisiert”, wenig im Vergleich zur Bilanzsumme von 4,5 Bill. Dollar.

 

Interessant war die Entwicklung des Dollar-Index nach der Fed-Entscheidung. Der erstarkte am Donnerstag deutlich. Im Gegenzug zeigte Euro/Dollar Schwäche und schloss genau auf der mittelfristig wichtigen Unterstützung bei 1,1150. Eine solche Reaktion ist ungewöhnlich, weil gleichzeitig die langfristigen US-Zinsen nachgaben. Offenbar waren ein paar große Adressen auf dem falschen Fuss erwischt, denn schon am Freitag war ein Großteil der Verluste bei Euro/Dollar wieder wett gemacht worden.

 

Im ganz langfristigen Bild zeigt sich, dass Euro/Dollar sich mittlerweile deutlich von einer aus 1985 stammenden Aufwärtslinie nach oben abgesetzt hat. Der Kampf um diese Linie begann im November 2016 mit der Wahl von Trump und endete Ende April mit einem Tagessprung von 1,072 auf 1,087. Dabei wurde auch die Nackenlinie einer untypischen inversen Schulter-Kopf-Schulter-Formation überwunden. Das hieraus abzuleitende Ziel von rund 1,1250 wurde mittlerweile abgearbeitet.

 

 

Wie geht es weiter? Ich halte einen weiteren Aufwärtsschritt zunächst bis zur Zone bei 1,16 für wahrscheinlich. Dabei sollte tunlichst die kurze Aufwärtslinie aus Mitte April respektiert werden. Unterstützung dürfte für dieses Szenario aus dem Zinsdifferential zwischen US- und europäischen Zinsen kommen, sowie von internationaler Kapitalrotation in europäische Assets. Das wiederum würde begünstigt durch „stabilisierende“ Entwicklungen in der Eurozone, etwa wenn es Macron in Frankreich gelingt, seine Vorhaben zügig umzusetzen.

 

 

Die Zone bei 1,16 dürfte eine harte Nuss werden. Die Long-Positionierung der Währungsspekulation im Euro ist aktuell so hoch wie zuletzt im Spätjahr 2013, als Euro/Dollar um die 1,36 notierte. In der ersten Jahreshälfte 2014 startete seinerzeit die Abwärtsbewegung im Euro/Dollar von einem Niveau bei rund 1,40 aus. Die hohe Long-Positionierung deutet darauf hin, dass die Luft für die Euro-Bullen allmählich dünner wird.

 

Gelänge es schliesslich, 1,16 zu „knacken“, wäre die nächste Anlaufstelle von Euro/Dollar der Bereich oberhalb von 1,20. Dort wäre etwa 50% der Abwärtsbewegung seit Mitte 2014 korrigiert. Scheitert die Entwicklung jedoch bei rund 1,16, so muss damit gerechnet werden, dass erneut die langfristige Aufwärtslinie aus 1985 angelaufen wird (vorher 1,1150).

 

Die „Gegenprobe“ für das bevorzugte Szenario bei Euro/Dollar kommt vom Dollar-Index. Solange der die Abwärtslinie aus Anfang März respektiert, gilt der Zielbereich bei 94,40, aktuell gut 97. Ein sinkender Dollar-Index lässt Euro/Dollar gewöhnlich steigen, der Euro ist die Währung mit dem weitaus höchsten Anteil im Währungskorb des Dollar-Index.

 

 

Die Implikation für den Goldpreis wäre beim bevorzugten Szenario bei Euro/Dollar, dass er hiervon zunächst eher unterstützt werden dürfte. Das beträfe auch andere Rohstoffe, weil sie gewöhnlich in Dollar notieren und die Rohstofflieferanten ausserhalb der USA eine Kompensation für den abnehmenden Dollarwert anstreben.

 

[Charts von Incrediblecharts]

 

Die Fed beschliesst einen weiteren Zinsschritt und konkretisiert ihr Vorhaben, ihre Bilanz zu verkürzen. Gleichzeitig senkt sie ihre Projektionen hinsichtlich Inflationsrate. Das passt nicht gut zusammen. Die langfristigen Zinsen sinken weiter, auch die Zinsstruktur flacht weiter ab. Das Währungspaar Euro/Dollar könnte in diesem Kontext noch weiter zugewinnen.