Mittlerweile gilt es als ausgemacht, dass die Fed auf ihrer Sitzung am 16. Dezember eine Erhöhung der Leitzinsen auf 0,5% beschließen wird. Nach Fed Fund Futures beträgt die Wahrscheinlichkeit hierfür 74%, vor einem Monat waren es noch 47%.
Die Akteure an den Finanzmärkten nehmen dies mittlerweile als Beleg für die (verhältnismäßig) gute Verfassung der US-Wirtschaft. Bemerkenswert nur, dass zeitgleich die Wachstumsaussichten nach unten korrigiert werden. Das ist an sich nichts neues, die Wachstums-Projektionen der Fed werden seit Jahren stetig abwärts revidiert. Das nachfolgende Bild gibt den Stand vom 17. September wider; gegenüber Juni wurden die Aussichten für 2015 leicht angehoben, im längerfristigen Bild aber wie gewohnt weiter gesenkt.
Dem Verlauf der zweijährigen Renditen wird gewöhnlich eine besonders hohe Vorläuferqualität für die Zins- und Geldpolitik nachgesagt. Das ist angesichts der Verzögerung, mit der Zinsschritte wirken, bis sie in der hintersten Ecke der Realwirtschaft angekommen sind, durchaus plausibel – hier gehen leicht sechs bis neun Monate ins Land. Dies gilt zumindest für normale Bedingungen, wie wir sie vor 2008 noch hatten.
Im folgenden Chart sind im oberen Teil die Verläufe der zweijährigen Renditen in Deutschland (helles türkis) und in den USA (helles orange) dargestellt. Im Verhältnis zur effektiven Fed Fund Rate (blau) zeigte die zweijährige US-Rendite bereits Mitte 2007 Schwäche und lag bis März 2008 etwa 0,75% darunter, so wie es auch zu erwarten war, weil sich die Finanzkrise schon lange vor ihrem offenen Ausbruch angebahnt hatte. Danach lag die zweijährige US-Rendite stets höher, lediglich Anfang 2012, als die Eurokrise einen Höhepunkt erreicht hatte, ging sie bis auf das Leitzinsniveau zurück. Von da an stieg sie, zunächst sehr langsam, ab dem zweiten Quartal 2014 schließlich beschleunigt und notiert heute bei fast 0,9%.
Zu normalen Zeiten werden steigende Zinsen gewöhnlich mit deutlichem Wirtschaftswachstum gleichgesetzt, ein erhöhtes Zinsniveau gilt dann im Vergleich gleich entwickelter Wirtschaftsräume als eine Art Qualitätsmerkmal. Nach einem lokalen Maximum nachhaltig sinkende Zinsen sind hingegen eher als Signal nachlassender Wirtschaftskraft zu werten. Steigen sie dann wieder an, während die Leitzinsen weiter abbröckeln, so ist das als ein Warnzeichen vor kommenden Problemen zu werten.
In diesem Sinne fand gegen Ende des ersten Quartals 2008 ein Umdenken statt, die Renditen in den USA und in Deutschland begannen erneut, zu steigen und nahmen das Desaster im Umfeld der Lehman-Pleite im September des gleichen Jahres vorweg. Zu Beginn des dritten Quartals drehten die zweijährigen Renditen aber wieder nach unten und eskomptierten die Leitzinssenkungen, die dann gegen Ende 2008 auf effektiv unter 0,25% führten. Dass sich die zweijährige US-Rendite danach noch lange bei 1% hielt, hängt wohl damit zusammen, dass es lange dauerte, bis die Konsequenzen der enormen Geldflut der Notenbanken klar wurden.
Nach dem aktuellen Verlauf der zweijährigen US-Renditen scheint die Erwartung der Akteure zu sein, dass die Fed die Leitzinsen über den Zinsschritt im Dezember hinaus nur sehr langsam anheben wird. Als Obergrenze scheint zunächst nicht mehr als 0,75% erwartet zu werden.
Die Differenz zwischen den beiden zweijährigen Renditen in Deutschland und in den USA (violett) hängt eng mit der Entwicklung des Währungspaares Euro/Dollar zusammen. So wurde Mitte 2008 in beiden Zeitreihen ein Topp gebildet (siehe „A“ im Chart). Auch im zweiten Quartal 2011 kam es zur Ausbildung lokaler Maxima in beiden Zeitreihen (siehe „B“ im Chart). Es brauchte bis Herbst 2012, bis die Renditedifferenz die US-Schulden-Posse aus August 2011 und die Krisenmaßnahmen der EZB (LTRO, OMT) „verdaut“ hatte. Bis dahin konnte sich auch noch der „Krisenindikator“ Gold auf erhöhtem Niveau halten. Dann setzte eine Phase ein, in der die meisten Krisenszenarien verdaut waren und in der die beiden Wirtschaftsräume in etwa gleich stark eingeschätzt wurden. Euro/Dollar verlief von da an recht flach von 1,30 auf 1,40.
Zu Beginn des zweiten Quartals 2014 setzte allerdings eine Neubewertung der Lage ein. Die beiden Renditen begannen, auseinanderzulaufen, ihre Differenz tauchte deutlich in den negativen Bereich ab, wie dies auch vor Mitte 2007 der Fall war. Gleichzeitig begann Euro/Dollar zu schwächeln (siehe „C“ im Chart). Die zweijährigen deutschen Renditen sind mit -0,38% mittlerweile deutlich negativ und zeigen weiter abwärts. Das deutet darauf hin, dass von der EZB weiter in den negativen Bereich sinkende Leitzinsen und damit indirekt auch weitere QE-Maßnahmen erwartet werden.
Die Bewegung beim Goldpreis und bei den beiden hier betrachteten Renditen hängt seit Mitte 2013 recht eng zusammen. Im Fall der US-Rendite ist der Gleichlauf invertiert, d.h. steigende Rendite und sinkender Goldpreis laufen zusammen. Dies ist auch gut zu erklären, das Halten von Gold wirft keine Zinsen ab, daher sinkt die Goldnachfrage bei steigenden Zinsen. Man kann unter Opportunitäts-Gesichtpunkten auch sagen, das Halten von Gold verursacht dann Netto-Kosten. Im Falle des Euro-Raums signalisiert der mit der Rendite sinkende Goldpreis offenbar grenzenloses Vertrauen in die EZB und in den Schattenstaat des Euro. Beides addiert sich in seiner Wirkung und verschärft die Lage beim Goldpreis.
Die langfristige Chart-Situation bei Euro/Dollar stellt sich aktuell wie folgt dar: Das Währungspaar dürfte die Untergrenze eines seit 1985 bestehenden Aufwärtskanals bei aktuell 1,0560 im Visier haben. Vermutlich wird es in diesem Bereich zu Unterschwingern kommen, einen nachhaltigen Bruch erwarte ich zunächst nicht.
Da der Euro zunehmend zur Carry-Trade-Währung wird, insbesondere auch im Umfeld eines Zinsschritts der Fed, kommt dem Währungspaar eine besondere Zeigerfunktion in Sachen Versorgung mit internationalen Krediten zu. Wahrscheinlich spielt das für die Emerging Markets eines besonders wichtige Rolle. Sollte Euro/Dollar auf Widerstand beim Durchbrechen der genannten Linie treffen (wovon ich ausgehe), muss mit einer stärkeren Gegenbewgung gerechnet werden, wenn Kredite in Euro aus Angst vor weiterer Aufwertung der Gemeinschaftswährung aufgelöst werden.
Aus der Entwicklung der für die internationale Leitzinsentwicklung wichtigen zweijährigen Renditen heraus ist anzunehmen, dass die Fed die Leitzinsen nur sehr langsam und auf absehbare Zeit auch nur bis zu einem Niveau von deutlich unter einem Prozent anheben wird – weit unter dem derzeit angemessenen Niveau von rund 2% (siehe hier und hier!). Hinsichtlich EZB wird mit einer Ausweitung der lockeren Geldpolitik gerechnet, was bedingt, dass der eingeschlagene Kurs negativer Leitzinsen verstärkt wird. Für Gold bedeutet diese Entwicklung doppelten Gegenwind. Aus Gründen des Zinsdifferentials spricht zwar einiges dafür, dass Euro/Dollar seinen Abwärtstrend fortsetzt, das langfristige Chartbild spricht allerdings dagegen. Ich gehe davon aus, dass sich aus dieser Situation heraus Turbulenzen zusammenbrauen, die sich nach der Fed-Sitzung, womöglich erst nach dem Jahreswechsel entladen.
Ergänzung:
Im Chart “Zweijährige Renditen, Euro/Dollar, Gold” wird unten eine Tabelle mit ausgewählten Bestimmtheitsmaßen (Coefficient of Determination) dargestellt. Das Bestimmtheitsmaß ist ein statistisches Maß, das indirekt den linearen Zusammenhang zwischen zwei Variablen misst. Ob diese Zusammenhänge auch kausal sind, darüber kann die Statistik keine Aussage treffen. Ein Wert von „1“ beim Bestimmheitsmaß zeigt einen sehr engen Zusammenhang, bei Null gibt es keinen.
Demnach ist etwa zwischen Gold und Euro/Dollar kein enger Zusammenhang erkennbar, zwischen der obigen Renditedifferenz und dem Währungspaar jedoch ein recht enger. Dies gilt auch für Gold und jeweils die beiden einzelnen Renditen, für deren Differenz gilt das nicht (weil der Zusammenhang im US-Fall invertiert ist).