Können Österreich und die EU unabhängiger von russischem Gas werden? Die Infrastrukturdaten des europäischen Gasnetzes zeigen, heißt es bei der E-Control, dass dies aus technischer Sicht zu einem Großteil möglich wäre – falls alle bestehenden Transport-, Produktions-, Speicher- und LNG-Kapazitäten (Liquefied Natural Gas) maximal genutzt würden. Für Regulator Walter Boltz stellt sich dabei die Frage, in welchem Zeitraum dies aber überhaupt möglich ist. Und er fragt sich: Wer soll das bezahlen?
Fix ist eine massive Verteuerung von Gas, müssten sich die Europäer kurzfristig auf alternative Lieferwege stützen. Norwegen, Algerien und die Niederlande können zwar ihre Förderungen ausweiten, doch dies nur begrenzt. Insgesamt müssten auch die Transportinfrastrukturen erweitert werden. LNG ist auf kurze Sicht ebenfalls kein Ausweg. So sind in den letzten Jahren zwar Terminals als Umschlagplätze für verflüssigtes Erdgas weltweit hinzugekommen. Es gibt aber bereits florierende Lieferketten nach Asien, dort vor allem nach Japan, und Lateinamerika. Dort werden mangels Alternativen deutlich höhere Preise für LNG gezahlt als in Europa. Auch mit stark gesteigerten Importen aus den USA und Kanada ist aus unterschiedlichsten Gründen frühestens in gut einem Jahrzehnt zu rechnen. Sollte sich also die Krise in der Ukraine verschärfen und die EU tatsächlich spürbare Wirtschaftssanktionen beschließen, ist mit Reaktionen aus Russland zu rechnen – und einer empfindlichen Verteuerung von Gas.
Viele Jahre bereits warnen Experten und auch die Vertreter der erneuerbaren Energien vor einer Abhängigkeit Europas von Öl und Gas. Die Kassandrarufe bewahrheiten sich nun. Über Europa hängt eine dunkle Wolke der Bedrohung. Für die sogenannte Energiewende dagegen wird die derzeit herrschende Volatilität der politisch instabilen Rohstoffländer weiteren Schwung bringen. Derweil sorgt man sich in der energieintensiven Industrie immer noch um eine wirtschaftsfreundliche Standortpolitik. Aus Gründen der Standortsicherheit sollten dagegen alternative Technologien wesentlich stärker gestützt werden.