Der Chefvolkswirt dieser Bank, David Folkerts-Landau, sagte nun (nicht auf dem Weihnachtsmarkt): „Wenn das Wachstum unter zwei Prozent bleibt, dann wird es enormen Druck auf die EZB geben, Quantitative Easing (QE) zu betreiben.” Andere Instrumente der EZB, um die maue Erholung der Konjunktur in der Eurozone zu unterstützen, dürften seiner Ansicht nach keinen durchschlagenden Effekt haben. Er schloss sich damit der Meinung der französischen BNP Paribas an, die ebenfalls ein Kaufprogramm für Staatsanleihen nach US-Vorbild fordert, wenn die Eurozone in eine Deflationsspirale abzurutschen droht.
Unlängst hatte EZB-Direktor Coeure gewarnt, von der EZB “spektakuläre Schritte” zu erwarten. Andere verweisen auf die mit einem QE-Programm verbundenen rechtlichen und politischen Probleme. Zudem wird allgemein angenommen, dass sich die EZB zumindest so lange bedeckt hält, so lange das Bundesverfassungsgericht nicht über die anhängigen Klagen gegen das OMT-Programm der EZB entschieden hat. Wieder andere Beobachter glauben, die EZB könne mit dem Kauf z.B. von forderungsbesicherten Anleihen den eingebrochenen Kreditmarkt für kleine und mittlere Firmen beleben.
EZB-Chef Draghi sagte gestern bei einer Anhörung vor dem Europäischen Parlament, die EZB werde künftige Liquiditätsspritzen so gestalten, dass möglichst viel Geld zur Finanzierung der Realwirtschaft bei den Unternehmen ankommt. Wie das konkret gehen soll, sagte er nicht: “Darüber müssen wir tiefergehender nachdenken.”
Die EZB hatte den Banken der Eurozone im Rahmen von zwei LTROs Ende 2011 und Anfang 2012 in zwei Tranchen zusammen eine Bill. Euro auf drei Jahre geliehen. Die Banken v.a. in der Peripherie der Eurozone kauften damit Staatsanleihen, die in den Bankbilanzen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Wer glaubt, dass habe die EZB nicht gewusst und gewollt, träumt.
EZB-Chefvolkswirt Praet sagte der FT in einem Interview, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass Banken die von einer Zentralbank zur Verfügung gestellte Liquidität nutzen, um Altlasten zu kaufen oder zu halten und sich der Bankensektor nicht restrukturiert. Das war typisch für Japans Situation in den frühen 2000er Jahren. Paradoxerweise, fuhr er fort, könnte ein rigoroser AQR und ein ebensolcher Stress-Test der Geldpolitik helfen. Wenn nämlich das Risiko von Bankbeständen an Staatsanleihen angemessen bewertet werde, sei es unwahrscheinlich, dass diese Zentralbank-Liquidität nutzen, um ihre Ausrichtung auf Staatsanleihen exzessiv auszubauen. Praet meinte damit allerdings nur, dass die Stress-Tests entsprechend ausgestaltet werden, an eine Hinterlegung von Beständen an Staatsanleihen mit Eigenkapital ist nicht gedacht.
Mir scheint das ein etwas klammer Versuch zu sein, den Schein zu wahren. Wenn die Banken, wie angeblich von der EZB angestrebt, ihre Kredittätigkeit stärker in Richtung Unternehmen intensivieren, würde das noch eher dazu führen, dass sich in Stress-Tests zusätzlicher Kapitalbedarf ergibt, als wenn sie sich weiter mit Staatsanleihen vollstopfen, die ja immer noch als sicherer (haha!) gelten.
Die wirtschaftlichen Perspektiven der Eurozone sehen wahrlich nicht eben rosig aus. Dazu hat EuroStat gestern den Verlauf der Industrieproduktion in Europa per Oktober vorgelegt. Ein Kommentar erübrigt sich, insbesondere wenn man den Verlauf eines vergleichbaren Indikators aus den USA dagegen hält. Bemerkenswert ist insbesondere die Zeit nach Mitte 2011.
Hierzu passt auch eine Veröffentlichung der EZB (h/t Eurointelligence), in der die Bandbreite der Annahmen über die Entwicklung von Inflation (HICP) und realem BIP-Wachstum in der Eurozone dargestellt werden. Daraus ergibt sich, dass das Inflationsziel der EZB bei 2% frühestens Ende 2014 erreicht werden könnte, und auch das ist wenig wahrscheinlich weil am Rande der Verteilung. Der Vorhersagebereich des Wachstums des realen BIP bleibt klar unter 1%, etwa plus 0,4% per Ende 2014 gilt am wahrscheinlichsten (Chartquelle).
In Brüssel wurde gestern beschlossen, wie es mit der Restrukturierung, bzw. Abwicklung der Banken weiter geht – Stichwort Haftungskaskade. Von 2016 an sollen die Eigner von Anteilen und Anleihen bei einem Bail-in in der Pflicht sein und mit bis zu 8% der Bank-Assets einstehen. (Dabei kann jedes Land bestimmte Investoren von der Bail-in-Pflicht ausnehmen, die EU-Kommission hat ein Veto-Recht.) Reicht das nicht, tritt ein jeweils noch zu schaffender nationaler Rettungsfonds ein mit maximal weiteren 5%. Die sollen jeweils bis 2025 gefüllt sein, als Bemessungsgrundlage gilt 1% der nationalen, ungesicherten Bankeinlagen. Kleine Spar-Einleger werden komplett verschont, große (über 100.000 Euro) treten nach dem Rettungsfonds ein.
Damit greifen wir das Stichwort “too big to be saved” vom Anfang auf. Die Deutsche Bank ist gerechnet nach Asset-Volumen im Verhältnis zu Asset-Volumen des nationalen Bankensystems und BIP des Heimatlandes die drittgrößte Bank der Welt. Ihre Assets kommen auf 78% des deutschen BIP.
Dann rechnen wir mal ganz grob: Die Bail-in-Regelung erfordert einen Beitrag von bis zu grob 150 Mrd. Euro von Eignern und Kreditoren. Die Darlehensgeber der Bank müssten dann einen Beitrag in Höhe von rund einem Drittel ihres Kapitals leisten (sie würden selbst “Haircut” dazu sagen). Wenn das nicht reicht, springt der deutsche Steuerzahler mit nochmals bis zu rund 100 Mrd. Euro ein. Danach kommen die großen Einleger dran. Wenn es dann immer noch nicht reicht, geht die Haftungskaskade von vorne los. Der Asset-Anteil von „Handel und Derivaten“ kommt mit gut 41% auf rund 750 Bill. Euro und liegt damit auf Welt-Spitzenniveau, das Eigenkapital kommt auf weniger als 80 Mrd. Euro (Daten von hier). Das gibt zumindest ein gewisses „Gefühl“, wie anfällig die Bank gegenüber Finanzmarktrisiken ist.
Die Deutsche Bank ist zwar in mancher Hinsicht extrem, aber die europäische Bankenlandschaft ist insgesamt, gelinde gesagt, sanierungsbedürftig und weiterhin völlig überdimensioniert. Dass mit dieser Perspektive internationale Geldgeber nicht gerade Schlange stehen vor den Geldhäusern der Eurozone, ist verständlich. Genau deswegen ist es mehr als wahrscheinlich, dass die EZB tatsächlich noch die eine oder andere „unkonventionelle“ Maßnahme ergreifen wird. Die wird umso weniger „Peanuts“ sein, umso schwächer sich die wirtschaftlichen Erholungskräfte darstellen, da hat der Chefvolkswirt der Deutschen Bank sicher recht.
Was wird geschehen, wenn das “QE-Tapering” der Fed näher rückt und die Spekulationen über “unkonventionelle” Maßnahmen der EZB ins Kraut schießen? Der Euro wird vermutlich unter Druck kommen – und das ist das, was alle herbeisehnen, um die Eurozone international wettbewerbsfähiger zu machen.
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