Zwei gute und eine schlechte Nachricht lassen sich derzeit mit dem deutschen Softwarekonzern SAP verbinden. SAP-Chef Henning Kagermann betonte anlässlich der Kundenmesse »Sapphire 2006« auf dem Pariser Expogelände Porte de Versailles neuerlich, dass der weltgrößte Hersteller von Enterprise-Resource-Software (ERP) nicht zum Verkauf stehe. »Wir sind ein unabhängiges, starkes Unternehmen. Unsere Kunden und Eigentümer wollen uns auch in den nächsten Jahren in dieser Rolle sehen«, heißt es im Jahr zwei nach den gescheiterten Fusionsgesprächen mit Microsoft. Die zweite gute Nachricht vermelden die Deutschen auf Kundenseite: Endlich sind die Vorstände in den Unternehmen nicht nur über die IT-Landschaft in den Firmen informiert - sie sehen diese auch als Eckpfeiler für weiteres Wachstum. Im Erfolgsrezept für die nächsten drei bis fünf Jahre sei der simple Wettlauf um die Produkte am Ausklingen, nun steht allerorts »innovating business« an oberster Stelle. Die Abbildung der Unternehmensprozesse in der IT soll die Systeme flexibilisieren und so die Unternehmen agiler und wendiger gestalten. Kagermann möchte die alten Zeiten, als gut neunzig Prozent der IT-Budgets rein in das Funktionieren bestehender Landschaften gesteckt wurden, abgeschlossen wissen. Fehlten bislang für wahre Innovationen in der IT (und damit gleichbedeutend im Business selbst, so der neue Rang, der der IT verliehen wird) Zeit und Geld, wird nun eine allumfassende Softwareumgebung Datenbanken, ERP-Flüsse und Front-end-Werkzeuge in den Unternehmen verbinden. Die schlechte Nachricht: Bis dahin wird noch so manches Jahr ins Land ziehen.Mit dem Marktstart von »mySAP ERP 2005«, SAPs ERP-Version modularer, serviceorientierter Architektur (SOA), werden nun noch analytischere Anwendungen zur Entscheidungsunterstützung in den Unternehmen geboten. Die Lösung für die Betriebssteuerung setzt auf die Netweaver-Plattform auf und soll helfen, den mySAP-Zielmarkt zu erweitern. Für Produkt- und Technologievorstand Shai Agassi verlässt Netweaver nun die Technologieecke und wird zur Business-Process-Plattform. »Wir sind damit in der Lage, unsere Kunden mit unserem Applikationsökosystem zu verbinden«, sagt Agassi. über 400 Applikationen sind bereits an Bord des Netweaver-Kreuzers, verschiedenste Industrieplattformen würden damit unterstützt werden. Am Ende des Tages soll aber vor allem eins ermöglicht werden: eine einfache Oberfläche für den Nutzer, ein Front-end, das den intuitiven Zugriff auf Daten und Analysen ermöglicht. Die ERP-Software als »Business Enabler« soll dann jenen Trend einleiten, der heute bereits von der Wirtschaft fix prognostiziert wird. Demnach wird sich ab 2010 der Fokus auf Produktion und Dienstleistungen in vielen Branchen massiv verändern: Bauträger werden keine Gebäude mehr produzieren, sondern gute Nachbarschaften. Werkzeughersteller verkaufen keine Bohrmaschinen mehr, sondern Bohrlöcher. Sprengunternehmen liefern kein Dynamit, sondern Felsbrocken. Der Trend: die Abkehr von Out-of-the-box-Produkten, hin zu Service und Lösungsfindung. Vielerorts müsste die Umgebung dafür aber erst geschaffen werden, mit der Unternehmen dann innovativ den Markt beliefern können, gibt SAP-Chef Henning Kagermann vor. Die Vertikalintegration von IT-Systemen sei hier eine sprichwörtliche Sackgasse, denn: »An dieser Stelle dreht sich alles um Partnerschaften«, setzt der SAP-Professor neuerlich auf das viel zitierte »ökosystem«, um Komplettlösungen für Unternehmen zu ermöglichen. Dazu wird in wenigen Jahren ein Transfer von »managing the enterprise« zu »managing the ecosystem« stattfinden, betonten die SAP-Granden in Paris.Der Information-Worker von morgen ist dabei der Anwender in einer solchen Architektur. Er kann mithilfe seiner Softwarewerkzeuge wesentlich schneller und effizienter auch im Alleingang Entscheidungen fällen. Die Grundidee: Stupide Arbeitsvorgänge, wie etwa das Austragen von Excel-Schlachten, werden mit den ERP-Tools automatisiert und durchgehend vernetzt. Was dem neuen Schreibtischkrieger dann bleibt, sind jene intelligenten Vorgänge, die die Blechlandschaft nicht beherrscht.Das Beste aus zwei Welten. Die eingeschlagene Richtung von SAP, die Produktivität des Geschäfts mit der Performance des Einzelnen zu verknüpfen, wird nun auch mit zwei handfesten, neuen Produkten dargestellt. Wenn auch die Fusion nicht zustande gekommen ist, Brücken lassen sich zwischen Walldorf und Redmond allemal bauen. Um den Usern der Microsoft-Outlook-Welt ein bequem zugängliches Tor ins SAP-Universum zu öffnen, präsentierte Agassi den ersten Prototypen einer neuen Benutzeroberfläche, die den unterschiedlichen Arbeitsweisen von Mitarbeitern Rechnung tragen soll. Ziel von »Duet« ist es, Geschäftsprozesse und Geschäftsdaten aus mySAP ERP mit Microsoft Office zu verbinden und so eine nahtlos integrierte Arbeitsumgebung zu schaffen. Eigene Registerfelder in den Kontaktdaten zu Geschäftspartnern etwa ermöglichen dann, Analysen und Entscheidungen direkt aus Outlook heraus zu treffen - auch grafisch aufbereitet.Schnittstelle Nummer zwei, »Projekt Muse«, ist für die Nutzung in SAP selbst vorgesehen. Hier gilt es, die Bedienung der SAP-Software zu vereinfachen und gleichzeitig Geschäftsprozesse einer größeren Anwendergruppe mit unterschiedlichen Anforderungen zugänglich zu machen - inklusive Einbindung mobiler Gerätschaften. SAP plant, Muse Stück für Stück zusammen mit Erweiterungen für mySAP ERP 2005 sukzessive allen Kunden von »mySAP Business Suite«-Anwendungen zur Verfügung zu stellen. Duet ist bereits mit Ende Juni in österreich zu bekommen. Dort hat SAP ja kürzlich zwanzigjähriges Jubiläum gefeiert. »Den Dialog mit unseren Kunden und Partnern wollen wir weiter ausbauen und so unsere Erfolgsgeschichte auch die nächsten zwanzig Jahre fortschreiben«, meint österreichchef Wolfgang Schuckert.