... Werden Österreicher gehört?Ein Kommentar von Gilbert Rukschcio. Ist das Vertreten und, wichtiger, das Durchsetzen von Interessen nur großen Konzernen aus Deutschland oder Frankreich vorbehalten? Ein Klischee, das nur bedingt zutrifft. Auch für vermeintlich »kleine« Unternehmen gibt es genug Möglichkeiten, ihre Interessen in Brüssel effektiv zu vertreten. Man muss sie nur nützen. Dies trifft vor allem auf »hidden champions« zu.Der Film »The Brussels Business« handelt die These ab, dass »die Lobby« – genauer gesagt: die »Wirtschaftslobby« – der eigentliche Entscheider in Brüssel sei. Hier denkt man primär natürlich an große deutsche oder französische Unternehmen. Klar: Die sind groß, die haben das Geld. Möchte man meinen. Doch meine jahrelange Beobachtung des EU-Parketts hat mich eines gelehrt: Es sind nicht automatisch die großen Konzerne, die ihre Interessen durchsetzen. Viel entscheidender als reine Größe und Quantität ist die Qualität: eine gute Strategie, das effektive Timing und die richtigen Botschaften. Dies führt somit zu wahrlich interessanten Frage: Was haben österreichische Unternehmen in Brüssel zu sagen?Oft hört man von Unternehmenslenkern in Österreich, kommt das Thema auf Interessensvertretung in Brüssel: »Wir sind ja viel zu klein, das hat ja eh keinen Sinn.« Das ist nur bedingt richtig. Natürlich, Partikularinteressen eines einzelnen Unternehmens werden selten erhört, egal, wie groß oder klein dieses ist. Allianzen schmieden heißt hier das Zauberwort. Im Verbund mit anderen Betroffenen lässt sich gut veranschaulichen, dass Interessen eben nicht partikular, sondern vom allgemeinem Interesse sind. So können auch vermeintlich kleine österreichische Unternehmen auf dem Brüsseler Parkett reüssieren.Ein anderes Argument, oft gehört: »Was interessiert mich eine Richtlinie, die in zehn Jahren in Kraft tritt.« Darauf sei erwidert, dass es beim Durchsetzen von Interessen auf EU-Ebene aufs Timing ankommt. Es stimmt: Richtlinien und Verordnungen entstehen in Brüssel in der Regel nicht von heute auf morgen, sondern im Lauf von mehreren Jahren. Auch wenn die Unternehmensspitze in der Zwischenzeit eine andere sein sollte, das Unternehmen bleibt gleich betroffen. Und je früher begonnen wird, sich mit dem Vertreten von Interessen zu befassen, desto größer ist die Chance, auch konkret mitzugestalten. Sich im Interesse seines Unternehmens in europäische Politik zu involvieren, ist nicht eine Frage des »ob«, sondern des »wie«. Und es gibt auch vereinzelt österreichische Wirtschaftsbosse oder Branchenvertreter, die das verstanden haben und sich aktiv engagieren. Die Regel ist es jedoch nicht.Eines darf nicht vergessen werden: In Brüssel kommt es nicht nur darauf an, wen man kennt, sondern fast noch mehr darauf, was man zu sagen hat. Unternehmen und ihre Lenker, die sich konstruktiv und nachhaltig in den Dialog einbringen, werden umso mehr geschätzt – und auch gehört. Ob es sich hierbei um ein »großes« oder »kleines« Unternehmen handelt, ist dann zweitrangig. Sicher, »große« Namen funktionieren eher als Türöffner als kleinere, nicht so bekannte. Aber gerade Österreich verfügt über unzählige »hidden champions«, die in ihrer Nische oftmals unter den Weltmarktführern sind. Haben also österreichische Unternehmen in Brüssel was zu sagen? Man möchte antworten: Mehr als man glauben mag – weniger als möglich wäre. > Zum Autor:Gilbert Rukschcio studierte Politikwissenschaft in Wien und Aix-en-Provence. Seine berufliche Laufbahn startete er 2005 im Europäischen Parlament. Er ist geschäftsführender Gesellschafter von peritia communications und als Politikberater mit Tätigkeitsschwerpunkt in Brüssel für verschiedene österreichische und internationale Unternehmen und Verbände tätig. In seiner Kolumne »Nachricht aus Brüssel« versorgt er die LeserInnen der Report-Fachmedien mit Hintergrundinfos zu europäischen Fragen.