Vor gut 15 Jahren sind die ersten IPTV-Systeme in Europa aufgetaucht. Seitdem befindet sich die Providerbranche auf einer rasanten Fahrt zu neuen Umsätzen und Gewinnen. Seit gut fünfJahren wird die junge IPTV-Szene vom Markt auch ernst genommen. Zwischen engagierten, mutigen Insellösungen undstädtischen Breitbandinitiativen sind die Video-over-IP-Netze zu kleinen, aber zukunftsträchtigen Contentlösungen gewachsen. Wurden im Jahr 2004 weltweit noch eine Million IPTV-Kunden gezählt, waren es im Vorjahr bereits allein in Europa eine Million. Von Asien ganz zu schweigen - in China und Korea gilt die Ausstrahlung von Fernsehinhalten über IP-Netze nicht mehr als rechtliches Problem. Und in Japan hat der ansässige Breitbandanbieter Softbank Broadband bereits 100.000 Nutzer seiner neuen interaktiven TV-Plattform. Eine Million Haushalte sind ebendort im Einzugsbereich des IPTV-Angebots. »Nicht ein IPTV-Lieferant erwartet, weniger als auf das Zehnfache seiner heutigen Größe in den nächsten drei Jahren zu wachsen«, skizziert Peter White, Chefanalyst und Managing Director Rethink Research Associates, auf der Branchenmesse »IPTV World Forum«, die weltweit erstmals Ende Juni in Budapest stattfand. Noch war die Zahl der Aussteller mit insgesamt 32 Ständen relativ überschaubar. Doch rechnet die Branche mit exorbitantenWachstumszahlen in den nächsten Jahren - nicht nur in Osteuropa.Know-how aus österreich. Seit kurzem schmückt sich auch das heimische Vorzeigeunternehmen Kapsch mit Partnerschaften in der IPTV-Szene. Mit dem Netzwerkhersteller UTStarcom wurde vor wenigen Wochen ein Agreement für gemeinsame Vertriebsaktivitäten unterzeichnet. Das Management aus den USA schätzt die Verbindungen der österreicher in Zentral- und Osteuropa. Die Kapsch-Sparte CarrierCom wiederum möchte nun neben den hervorragenden Expertisen, die man bereits in der IP-Telefonie hat, auch am aufstrebenden IPTV-Markt Fuß fassen. Doch ist UTStarcom ein klassisches Schwergewicht in der Branche: Lösungen gibt es generell erst ab einer Untergrenze von50.000 Kunden, UTStarcom-Chief-Scientist Qiang Li hat auch den Megarollout auf eine Million Haushalte in Japan begleitet. Diese Erfahrung kann die oberösterreichische InnovationsschmiedeOcilion nicht bieten. Die junge Tochter des Providerpioniers Infotech, der in Ried im Innkreis eine eigene IPTV-Plattform gebastelt hat und dort bereits erfolgreich TV-Dienste anbietet, ist derzeit noch auf der Suche nach Großprojekten. Mit Finanz- und Vertriebspartner aus dem Ausland versucht man sich aber ebenfalls bereits am internationalen Parkett. Einladende Video- und Applikationslösungen für die margengetriebene Providerlandschaft hat man ebenso wie die großen Hersteller. Ocilion-Managerin Barbara Schatzl kann bereits auf Erfolgemit Kunden in österreich verweisen - etwa bei der Tiroler Planet Digital, die die Kassen österreichischer Hoteliers mitmaßgeschneiderten IPTV-Lösungen für die Hotelzimmer zum Klingeln bringt. Beim Kabelnetzbetrieber Liwest bereitetman einen künftigen IPTV-Start vor. Jüngst wurde auch ein neues,größeres Gebäude in Ried in Besitz genommen. Das Geschäft mit Breitband und IP-Fernsehen floriert.Die Innovationskraft Ocilions drang auch an Kapsch nicht vorbei, Carrier-Com-Sprecher Hans-Georg Mayer sieht die Oberösterreicher als Ergänzung der IPTV-Palette unterhalb der UTStarcom-Schwelle. Die Region um österreich-Ungarn und die Nachbarländer ist für die Amerikaner wie Innviertler eine Spielwiese für neue Geschäftschancen. »Wir sehen in dieser Region ein massives Wachstum in der Nachfrage nach Breitbandlösungen«, heißt es bei dem Unternehmen aus übersee. »Die Entbündelung geht nun richtig los, die Verbindungsentgelte nehmen ab und wir sind zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit Kapsch CarrierCom die Nachfrage dieses Marktes erfüllen können.« Barbara Schatzl wiederum sieht ebenso ihre Zukunft in der Region Central & Eastern Europe (CEE). »Derzeit wird bei den östlichen Nachbarn aufgrundvon großen Subventionen viel aufgebaut«, kann Schatzl fastschon im Wochentakt Interessenten aus Ungarn, Kroatienund anderen Ländern am Showcase in Ried begrüßen.Fehlende Standards. Während die IPTV-Player unermüdlich Aufklärungsarbeit ob ihrer Produktmöglichkeitenbetreiben (so resultiert ein IPTV-Angebot in der Regel im Konsum interaktiver TV-, Video- und Entertainment-Applikationen per Set-Top-Box am guten alten Fernsehgerät - und nicht am PC-Screen), legen sich die meisten Netzbetreiber derzeit noch mit frühen IPTV-Installationen selbst ein Ei. Der Grund: Noch fehlen die Standards, die Anwendungen und Plattformen nachhaltig miteinander kommunizieren lassen. Derweil sind die Bastler unterwegs. Firmen wie UTStarcom haben aber die Misere um den sich zerklüftenden Markt erkannt. Technikchef Qiang Li ist im Standardisierungsgremium Telecommunication StandardizationSector (ITU-T) in Genf vertreten und meint, »die Industrie braucht bei IPTV unbedingt standardisierte Technologien, um am Markt zu reüssieren«.Das Lechzen nach einem gemeinsamen Weg hat auch handfeste Gründe. Mit offenen Systemlandschaften wird es sich einfacher gestalten, künftig auch mal den IPTV-Lieferanten zu wechseln. Big-Player wie Alcatel und Microsoft, die in einem Schulterschluss den IPTV-Markt knacken wollen, werden so manch kleineres Unternehmen ziemlich in den Schatten stellen. Im Mai wurde dazu ein erstes Projekt in Ungarn veröffentlicht: Die Deutsche-Telekom-Tochter T-Online Ungarn hat Alcatel mit dem Aufbau eines IPTV-Pilotprojekts beauftragt. Die eingesetzte Technik basiert auf der Software-Plattform »IPTV Edition « von Microsoft und den Lösungen für die Integration von TV-Diensten von Alcatel. Dazu soll bald auch eine eigene Microsoft-Set-Top-Box folgen.