Trenton ist die heruntergekommene Hauptstadt des US-Bundesstaats New Jersey. Aber Investoren glauben, die einstige Industriehochburg steht vor einer Wiederbelebung. Ein Besuch in einer der gefährlichsten Städte der USA.
Amerikanische Autos haben eine automatische Sperrverriegelung. Kaum sitzt man im Wagen, hört man das beruhigende Klicken und keiner kann mehr die Türen aufreißen. Wenn man nach Trenton fährt, weiß man, warum das so ist. Ganze Straßenzüge sehen aus, als seien gerade die Vandalen durchgezogen. Leerstehende, verfallende Häuser, in keiner Stadt der Dritten Welt schaut es schlimmer aus und in wenigen ist es gefährlicher: 15,4 Morde , sagt die Statistik, gibt es in Trenton pro 100.000 Einwohner, doppelt so viele wie in Philadelphia oder Chicago. Dabei hatte Polizeichef Ernest Parrey in den vergangenen zwei Jahren Erfolge zu verzeichnen. Es gibt deutlich weniger Schießereien. 2014 lieferten sich Banden im Schnitt 15 Feuergefechte im Monat, 2015 waren es noch acht. In Worten: ACHT Schießereien im Monat – das soll ein Erfolg sein? Schwer zu begreifen, dass es in der Hauptstadt eines reichen Bundesstaates wie New Jersey zugeht wie im Bürgerkrieg.
»Es gibt Gegenden, in die man besser nicht gehen sollte«, sagt John Hatch, ein Architekt und Immobilienentwickler, der gerade viel Geld aufs Spiel setzt und am 3. März den Grundstein für sein bisher riskantestes Projekt legt. Fünf leerstehende Industriegebäude, die daran erinnern, dass Trenton einmal eine Hochburg der Stahlindustrie war, sollen in 192 Wohnlofts, Restaurants und Büros umgewandelt werden. 120 Millionen USD soll das Ding kosten, 40 Millionen wird allein die erste Ausbaustufe verschlingen.
Der Roebling-Komplex sei ein Signal, dass die Stadt an einem Wendepunkt angekommen ist, sagt Hatch. Seit 1950 ist die Einwohnerzahl von rund 130.000 auf 85.000 geschrumpft. Die weiße Bevölkerung hat, wie in vielen Metropolen der USA, fluchtartig die ethnisch durchmischte Stadt verlassen und ist in homogenere Vororte gezogen. Als White Flight wird das Phänomen beschrieben, das Stadtteile entvölkert, verarmt und zur billigen Beute von Gangs gemacht hat. 52 % der Bewohner Trenton sind Afroamerikaner, 33 % Latinos und 15 % sind Weiße. Das Pro-Kopf-Einkommen ist mit rund 17.000 Dollar pro Jahr halb so hoch wie im Rest von New Jersey.
Aber jetzt kommen die Weißen zurück und entdecken die inneren Kerne der Städte wieder. »Überall in den USA sehen wir eine Wiederbelebung der urbanen Zentren. Die Millenials, die kreativen Arbeiter, lieben Downtown. Sie wollen Dichte. Sie wollen lebendige Innenstädte, wo sie arbeiten, leben und Spaß haben können.« Ein intakter urbaner Kern sei die Voraussetzung dafür, den biete Trenton rund um den Verwaltungsdistrikt. Mitten in der Verwahrlosung entstünden so Oasen der Lebensqualität. Theater, Galerien, eine junge Kunst- und Kulinarikszene sind die Vorboten.
Hatch hat schon mit kleineren Projekten gute Erfahrungen gemacht. In der alten Cracker-Fabrik hat er 18 Wohnlofts eingerichtet und alle verkauft – viele davon an junge Akademiker, die nach New York City pendeln und eine Fahrzeit von zwei Stunden vierzig Minuten hin und zurück in Kauf nehmen, um den schwindelerregenden Mieten in Manhattan zu entgehen und mit den Gehältern der Megametropole im kleinen Trenton fürstlich leben zu können. Trenton steht vor einer Zeitenwende. John Hatch setzt darauf, und ich hoffe, er hat recht.